Der schwere Absturz im März hat Thomas Bubendorfer nachhaltige
Einsichten beschert. Der Extremkletterer und
Porsche-Markenbotschafter über Potenziale und darüber, warum die
richtige Drehzahl im Leben entscheidend ist.
Das erste, an das sich Thomas Bubendorfer nach dem Aufwachen aus dem
künstlichen Tiefschlaf erinnern kann, war, dass er seine Zehen
kontrolliert hat. Ob er diese bewegen kann, weil "die größte Angst
die Lähmung ist". Bubendorfer konnte. Was er allerdings nicht
zustande brachte: sich an seiner juckenden Nase zu kratzen. Er war
irritiert, sagte sich "Bring" die Handzur Nase", doch seine Hände
ruhten weiterhin auf seiner Brust. Was Bubendorfer zu diesem
Zeitpunkt nicht wusste: Er war mit speziellen Medikamenten
bewegungsunfähig gestellt, damit seine schweren Verletzungen heilen
konnten. Eine Woche zuvor, am 1. März 2017, war der Extremkletterer
beim Abseilen aus einer vergleichsweise harmlosen Eiswand in den
Dolomiten 20 Meter in die Tiefe gestürzt, hatte sich dabei
Rippenbrüche, Leber- und Nierenriss sowie mehrere Brüche im linken
Fuß zugezogen und war für eine knappe Woche ins Koma versetzt worden.
Gut vier Monate später sitzt er uns in einem Gastgarten am Gaisberg,
auf den wir kurz zuvor zügig mit seinem Porsche Panamera
hinaufgefahren sind, gegenüber. Schmerzen spürt er, bis auf
unbestimmte in der rechten großen Zehe, die allerdings gar nicht
verletzt war, nicht. Der 55-Jährige erinnert sich auch nichtan
seinen Unfall. All das, was er uns erzählen wird, hat er von seinem
Kletterpartner und den Ärzten erfahren und so Absturz und Ursache
rekonstruiert.
Eine kleine unachtsamkeit
"Der Fehler, den ich gemacht haben muss, war, dass ich das Seil beim
Abseilen nicht weit genug durchgezogen habe. Die paar Meter bis zum
Boden wird das schon passen, hab" ich mir wohl gedacht und es einfach
nicht so ernst genommen, wie man das jedoch immer ernst nehmen muss!
- Das ist eine der Lehren, die ich aus dem Unfall gezogen habe. Dass
ich bewusster an das Alltägliche herangehen und damit umgehen muss.
Die zweite Erkenntnis ist die, dass ich mehr Pausen brauche. Ich war
sicher müde. Nicht vom Klettern an dem Tag, aber von einer sehr
harten und erfolgreichen Saison, in der ich ohne Pause durchtrainiert
habe genau das sage ich in meinen Seminaren und Vorträgen
immer:,Macht Pausen!" Aber bei den anderen ist man immer gescheiter
", schildert der Topsportler seinen zweiten, nicht minder
wegweisenden Absturz in seiner schillernden und von Höhepunkten
gespickten Karriere.
Der berg rief
Der gebürtige Salzburger, der seit vielen Jahren in Monaco lebt, hat
viel erreicht. Zu seinen größten Erfolgen als Alleingänger ohne Seil
zählen unter anderem die 23-stündige Nonstop- Begehung des Fitz Roy
(1986), die erste seilfreie Alleinbesteigung der Aconcagua-Südwand an
einem Tag (1991) oder auch sein "Fünf-Wände-Enchaînement", bei dem er
1988 in den Dolomiten fünf Felswände bis zum Schwierigkeitsgrad VII
an einem Tag absolvierte.
Wenige Monate später stürzte Bubendorfer das erste Mal ab, bei
Werbeaufnahmen in der österreichischen Liechtenstein Klamm. Eine
wesentliche Erfahrung in seinem Leben, die ihm seine Grenzen und
Fehlbarkeit aufzeigte. Trotz schwerer Verletzungen - Wirbel und
Handgelenk gebrochen, linke Ferse und Sprunggelenk zertrümmert -und
obwohl ihm nur zehn Prozent Restbeweglichkeit im linken Knöchel
blieben, kletterte er ein Jahr später bereits wieder, hörte Ende der
90er mit den Alleingängen auf ("von einem Tag auf den anderen ging
innerlich eine Tür bei mir zu") und begann 2001, nachdem er einen
Weltmeister im Eisklettern kennengelernt hatte, mit dem Eisklettern.
Bis heute hat er 30 Erstbesteigungen in diesem Bereich geschafft,überaus außergewöhnlich wie auch sein Einstieg in die Bergwelt im
Alter von zwölf Jahren. "Ich hätte es damals nicht so beschreiben
können", erzählt der Porsche-Markenbotschafter, "aber plötzlich hab"
ich mein Fahrrad genommen und mich nicht wie sonst mit meinen
Freunden getroffen, sondern auf einen Berg zubewegt, der mich
regelrecht angezogen hat." Nachhaltig, trotz heftiger Widerstände
seiner Familie, in der keiner jemals Affinität zur Bergsteigerei
gezeigt hatte. "Das war wie eine innere Stimme, der ich folgen und
dafür viele Berge und Täler überwinden musste. Wer sein wahres
Potenzial ausschöpfen und ein erfülltes Leben haben will, der darf
sich keine schwachen Gegner aussuchen. Du darfst keine kleinen Berge
gehen. Du musst dir solche suchen, von denen du dir nicht sicher
bist, ob du sie schaffst."
Bubendorfer schreibt diese Einsichten und Erinnerungen derzeit
nieder, in seinem achten Buch, sein erstes auf Englisch Bücher und
Lesen sind ihm übrigens mindestens genauso wichtig wie die Kletterei.
"Als ich meinem Großvater einmal stolz erzählt habe, dass ich diese
Woche bereits 300 Klimmzüge täglich und zwei Mal 20 Kilometer
Lauftraining absolviert hatte, stellte er mir eine entscheidende
Frage: ,Und was hast du für deinen Kopf getan? Wenn du deinen Körper
so trainierst, musst du auch etwas für deinen Kopf machen." - Kurz
darauf habe ich mir das erste Buch aus seiner Bibliothek geholt und
begonnen, mich durch die Weltliteratur zu lesen. Mindestens 100
Seiten pro Tag." - Bis heute hat Bubendorfer rund 1.000 Bücher,
darunter viel Fachliteratur im Bereich Gehirnforschung gelesen.
Runter vom Gas
Umfassendes Wissen hat sich der Autor und Ausnahmeathlet dadurch
angeeignet, Wissen, aus dem er in Kombination mit seinen
Klettererfahrungen eine spezielle Trainingsmethode entwickelt hat,
die "Intelligent Peak Performer Methode". Mit dieser zeigt er
Menschen, wie sie gezielt und intelligent ihre Leistung und
Kreativität steigern können: "Metaphorisch gesprochen: wie sie die
innere Drehzahl hinunter bringen können, um mehr Leistungsreserven
und weniger Spritverbrauch und Verschleiß zu haben und somit auch
einem Burnout vorbeugen. Die meisten Menschen, mit denen ich
zusammenkomme, schaffen ihr Leben grad irgendwie, sind auf Drehzahl
6.000 nochmal 500 drauf und das System explodiert. Das muss daher
runter auf 1.000, um länger und ohne Zusammenbruch aus dem Vollen zu
schöpfen. Wie beim Auto: Egal ob Achtzylinder-Diesel mit 430 PS wie
meiner oder Vierzylinder-Golf - die Drehzahl ist entscheidend. Ist
siedauerhaft hoch, ist das schlecht." Nachdrücklich fügt Bubendorfer
hinzu: "Intelligente Leistung kann in der heutigen Zeit auch
bedeuten, Grenzen zu setzen. Sogar VW-Chef Matthias Müller sagt, es
gibt Wachstumsgrenzen, und wenn wir alle so weiterwachsen wollen wie
bisher, werden wir irgendwann alle abstürzen."
Am siebenten tage
Apropos, werfen wir ein, wie war das mit den Pausen, die Bubendorfer
einlegen wolle? Und habe er nicht vor ein paar Minuten erzählt, dass
er bereits wieder bis zu 17 Stunden pro Woche trainiere und im
November wieder zu klettern beginnen möchte?
Bubendorfer schmunzelt, das stimme, deshalb werde er künftig alle
sieben Tage nichts tun. "Früher habe ich 52 Wochen, 365 Tage im Jahr
trainiert oder zumindest ein wissenschaftliches Buch gelesen. Es wäre
undenkbar gewesen, einen Tag lang nichts zu tun -und ihn dennoch als
gut zu empfinden. Ich habe mir auch vorgenommen, alle drei bis fünf
Monate eine Woche lang nichts zu machen aber ob ich das
zusammenbringe, weiß ich noch nicht", lacht der Spitzensportler
verschmitzt. Für ihn gilt nach wie vor: Je mehr auf dem Spiel steht,
desto besser ist er. Er will eben ein spannendes Leben führen, sein
Einsatz dafür ist hoch: "Im Prinzip steht immerunser Leben auf dem
Spiel, weil es endlich ist und wir nur eines haben. Es beginnt schon
damit, dass wir uns für das Richtige entscheiden, unsere Potenziale
leben, unser Ding durchziehen, was auch immer das ist. Tun wir das
nicht, leben wir zwar, aber nur irgendwie und nicht erfüllt. Und
letztlich kommt es nicht auf ein paar gebrochene Knochen oder
Schrauben im Körper an, sondern auf das hier" Bubendorfer hält sich
die Hand aufs Herz.
Und das hat er schon vor vielen Jahren geschrieben. Dass man nicht
mit dem Kopf, sondern nur mit dem Herz durch die Wand kommt. Es muss
einem nur wichtig genug sein ...«
Thomas Bubendorfer im Wordrap
Mein erstes Auto war ein 17 Jahre alter Renault 5 mit
Revolverschaltung, den ichüberteuert um 27.000 Schilling, die mir
mein Großvater geliehen hat, gekauft habe. Nachdem ich 8.000
zurückgezahlt habe, hat er den Schuldschein zerrissen.
Bei einem Auto schaue ich zuallererst auf die Form.
Im Stau Ein Porschefahrer steht nicht im Stau, er sitzt in einem
Porsche. Echt jetzt, ich freu" mich, dass ich in einem so schönen
Auto sitzen darf, da schwebe ich in anderen Sphären.
Alleinsein bedeutet für mich ganz ich selbst zu sein. Schopenhauer
hat gesagt:,Nur wenn man allein ist, ist man frei." Das stimmt, denn
kaum bin ich zu zweit, richte ich mich nach dem anderen.
In meinem Auto befindet sich immer ein Schuhlöffel. Weil ich bei
längeren Strecken ohne Schuhe fahre, da habe ich ein besseres Gefühl.
Berührt bin ich, wenn ich ein Lebewesen leiden sehe. Ob das ein Käfer
ist, der auf dem Rücken liegt und den ich dann umdrehen muss, oder
ein Kind, das weint.
Gleiten oder Glühen? Prinzipiell eher zügig gleiten.
Bei einer Reifenpanne bin ich aufgeschmissen. Ich hatte einmal eine
mit dem Renault 5 -nach fünf Minuten hat mein Partner gesagt: ,Geh"
weg, ich mach" das allein."
Wenn ich mein Führerscheinfoto ansehe Das ist vom letzten Jahr.
Eher mehr Kofferraum oder Hubraum? Kofferraum. Da ich ein
Porschefahrer bin, brauch" ich mirüber Hubraum keine Gedanken
machen.
Tempo 130 auf der Autobahn oder kein Tempolimit? In Deutschland halte
ich die Tempolimits mehr ein als inÖsterreich, weil ich dort auch
wieder schneller fahren kann. Die 130 auf einer super Autobahn finde
ich lächerlich.
Das letzte Mal geweint habe ich als mein Großvater gestorben ist,
1996.
Das letzte Mal gelacht habe ich jetzt g"rad (lacht wieder).
Ich brauche mein Auto, weil ich oft wohin will und das oft mit
Gepäck, das wäre ohne Auto extrem mühsam.
Einparken kann ich gut.
Der Verbrauch eines Autos ist ein Thema, das ist schon wichtig.
Leistungsökonomie ist für mich generell ein wesentliches Thema, das
muss stimmig alle meine Lebensbereiche begleiten.
Wäre ich nicht Kletterer und Autor, dann wäre ich wohl Keine Ahnung,
darüber hab" ich nie nachgedacht.
Vollautomatisiertes Fahren finde ich Wer"s mag. Ich fahre gern Auto.
Bei einer Polizeikontrolle bin ich immer sehr höflich und gebe dem
Inspektor immer recht.