Größe und Volumen scheinen momentan die einzigen Parameter zu sein,
die in der Old-Economy Bedeutung haben. Während im digitalen Business
die Unternehmenswerte von Facebook, Google, WhatsApp und Uber nichts
mehr mit greifbaren Werten zu tun haben, versuchen die produzierenden
Weltkonzerne mit Produktionswachstum und Kosteneinsparung die
Aktionäre bei Laune zu halten.
Nur allzu viele Beispiele finden wir
davon in der global starken und wichtigen Automobilbranche. Während
beim Automobil die Hersteller selbst den Vertrieb und bald auch den
Ersatzteilhandel stark unter Kontrolle haben, scheintin der
Reifenbranche das Gegenteil der Fall zu sein.
Im europäischen Markt wird durch massive Kosteneinsparung und durch
allerlei Vertriebskunststücke versucht, den Rückgang des Marktes im
Gesamtergebnis aufzufangen, der durch sinkende Kilometerleistung,
Autobashing und sinkende Realeinkommen längst Realität ist.
Dadurch wurden und werden Vertriebsorganisationen zurückgefahren oder
gänzlich aufgelöst. In einem Ausmaß, dass VRÖ-Obmann James Tennant
sich die Frage stellt: "Wo sind all die guten Leute geblieben, die
uns in den vergangenen Jahren so gut und kompetent beraten haben?"
Hoffentlich und teilweise kommen sie bei anderen Herstellern wieder
zum Einsatz. Denn Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel.
Erfreulich also, wenn es Reifenmarken gibt, die ihre
Vertriebsstrukturen aufrecht erhalten oder sogar noch etwas ausbauen.
Sie, geschätzte Leser, wissen genau, welchen Weg Ihre jeweiligen
Partner gerade einschlagen. Sie haben die tägliche Erfahrung, ob es
noch kompetente und entscheidungsbefugte Betreuer gibt oder ob Ihnen
die Marke schon häufiger durch Dumpingangebote im Internet auffällt
als durch den Besuch des Außendienstes.
Denn die betreuungsseitig am Rückzug befindlichen Reifenhersteller
gehen zwei Wege: Entweder sie beteiligen und engagieren sich selbst
bei Großhändlern und Ketten, um mit geringerem Aufwand direkten
Zugriff auf den Vertrieb zu haben. Oder sie suchen ihr Heil als
Lieferant der ganz großen Player, die physisch oder digital nurmehr
über das Volumen punkten. Vor allem im zweiten Fall liefern sie sich
den wenigen Großen aus und werden sich bald als Zauberlehrling
wiederfinden: Die Vertriebsgiganten die ich rief, werd" ich nun nicht
los. Zwar müssen nur noch wenige Partner betreut werden, Handschlag,
Loyalität und Kontinuität sind dann allerdings Fremdwörter. Hier
zählen bei jeder Bestellung nur mehr Menge und Preis.
Ob letztlich der Reifenhersteller oder der Vertriebsriese dieses
Match gewinnt, sollte dem regionalen Reifenhändler aber egal sein. Es
sollte ihm auch einigermaßen gleichgültig sein, wo der Kunde den Pneu
bestellt oder bezieht. Denn unabhängig davon, wie groß dieses
Unternehmen, wie mächtig die Einkaufsmöglichkeiten, das Lager oder
die Internetplattform sind: Diese Riesen werden es schwer haben, denKunden regional vor Ort und vor allem so persönlich und familiär zu
betreuen, wenn es zweimal im Jahr um die Montage seines Reifens oder
etwa alle zwei Jahre um die Neubereifung seines Fahrzeuges geht.
Selbst wenn das Internetangebot samt Lieferung so günstig ist, selbst
wenn der Flottenbetreiber oder die Leasingfirma bestimmt, wo der
Reifen gekauft wird: Um den Gummi montieren zu lassen, will niemand
weite Strecken zurücklegen müssen, das passiert auch weiterhin
regional und sehr persönlich vor Ort.