Größer und stärker sind nur noch die Modelle, die jenseits des großen
Teichs das Straßenbild dominieren.
Wäre die Nutzfahrzeugwelt logisch, so hätte Volkswagen den optisch
gelifteten und technisch revolutionierten Amarok mit einem
1,5-Liter-Dreizylinder-Triturbo auf den Markt bringen müssen, der
keine sieben Liter verbraucht, auch weil die serienmäßigen Noträder
den Wunsch nach Effizienz unterstrichen hätten.
Damit wäre man in Hannover dem Downsizing-Anspruch gerecht geworden,
den Volkswagen in diesem Segment in Wirklichkeit erfunden hat. Wie so
oft kam es anders als erwartet. Der Dieselskandal ging auch am Amarok
nicht spurlos vorbei, die Kombination aus aktuellem Motor und
Euro-6-Technologie war somit vom Tisch, ein weiteres Downsizing und
eine nochmalige Optimierung der Verbrauchswerte ebenso. Was blieb,
war der schon vor zwei Jahren versprochene V6-Diesel. Gedacht als
Top-Motorisierung für ein Modell am obersten Ende der Preisliste,
muss er jetzt als Standardmotor herhalten, wenngleich dafür
mittelfristig drei Leistungsklassen zur Verfügung stehen werden.
Wenigüberraschend gilt es, sich bis zur Auslieferung des 163 PS
starken Einstiegsmodells noch ein wenig zu gedulden und somit auch
auf die Option des zuschaltbaren Allradantriebs samt Untersetzung und
manuellem Schaltgetriebe. Bis dahin nehmen wir gerne im neuen
Topmodell Platz, das trotz zweier zusätzlicher Zylinder, einem Liter
mehr Hubraum und zahlreichen anderen Aufwertungen nur eine Handvoll
Euro teurer daherkommt, als das bisher der Fall war. Volkswagen wird
das vermutlich nicht glücklich machen, zumal für das komfortable
Rundum-sorglos-Paket immer noch rund 55.000 Euro zu kalkulieren sind.
Die für Unternehmer abziehbare Umsatzsteuer und ein möglicher
Nachlass sind da aber noch nicht abgezogen, wodurch VW sogar mit zwei
zusätzlichen Zylindern im Paket preislich auf Mitbewerbsniveau
agiert.
Die neue Optik erkennt nur, wer den bewährten Amarok gerade vor Augen
hat, alle anderen begnügen sich damit, den für ein Pickup-Modell
durchaus eleganten Auftritt zu würdigen und nicht die neuen
Scheinwerfer dafür verantwortlich zu machen, die so neu gar nicht
sind. Neu sind vielmehr Stoßstange und Nebelleuchten. Neu auch die
Beleuchtung rund 5,3 Meter weiter hinten, das war es dann aber auch
schon. Der Wow-Effekt eröffnet sich nur jenen, die auf dem neuen
Ledergestühl Platz nehmen dürfen und sich dort auf Anhieb besser
aufgehoben fühlen als in so manchem SUV-Modell der gehobenen
Mittelklasse. Bestnoten gibt es für die Neugestaltung des
Armaturenbrettes, die neue Navigationseinheit und die insgesamt
nochmals hochwertigere Anmutung, die VW hier im Amarok V6 bietet.
Schon bisher fürstlich war das Platzangebot in der Doppelkabine,
daran hat sich nichts geändert.
Bei soviel Luxus mutet es sich fast schon ein wenig merkwürdig an,
einen Schlüssel ins Schloss zu stecken, um den Sechsender zum Leben
zu erwecken. Egal, Sekunden später darf die Warmlaufphase des
volumenstarken Dieselaggregates genossen werden und zum allerersten
Mal zeigt sich der Umstieg auf Euro 6 auch Autofans gegenüber in
einer Form, mit der wirfortan gerne zu leben bereit sind. Dass
Volkswagen dazu die schon beim Vierzylinder sehr geschätzte
Achtgangautomatik serviert, garantiert dem Amarok die beste
Gesamtantriebseinheit, die es hierzulande für einen nicht
amerikanischen Pickup für den vorwiegenden Straßeneinsatz zu kaufen
gibt. Damuss sich sogar der im Gelände dank echter Untersetzung auch
weiterhin überlegene Fünfzylinder-Diesel im Ford Ranger geschlagen
geben.
Wer jetzt meint, man bräuchte in einem Pickup keine 224 PS und die
acht Sekunden für den Sprint auf 100 km/h hätten in der Realität
keine echte Bedeutung, der irrt. Mag sein, dass es nicht unbedingt
nötig ist, jeden Ampelsprint zu gewinnen, fein ist es trotzdem. Noch
deutlicher spürbarer wird das Leistungsplus des Amarok, wenn es raus
aufs Land geht und das straffe Fahrwerk in zügigen Einklang mit den
recht standfesten Bremsen und der für einen Laster geradezu genialen
Lenkung gebracht wird. Unabhängig vom gewählten Untergrund bereitet
diese Kombination unglaublich viel Fahrspaß und das jeden Tag.
Überzeugend zeigt sich auch das aus allerlei anderen
Volkswagen-Modellen bekannte 4Motion-System, das in seiner aktuellen
Ausformung das Zusammenspiel zwischen Vorder-und Hinterachse ziemlich
gut beherrscht, gänzlich unabhängig davon, wie der Amarok gerade
beladen ist, wodurch auch all jene, die ständig mit Anhänger
unterwegs sind, gut beraten sind, sich das Topmodell zu gönnen.
Geht es ins echte Gelände, so lässt sich auch hier in Wirklichkeit
kein Grund finden, der eine Untersetzung rechtfertigt. Nicht weil der
Amarok keine Grenzen kennt, sondern eher, weil es keinen Sinn macht,
Trophy-konforme Verwerfungen mit einem auf großen Leichtmetallfelgen
ruhenden Pickup in Angriff zu nehmen. Auchdie vielen lackierten
Anbauteile könnten dabei Schaden nehmen und hinsichtlich der
Überhänge ist ein Pickup serienmäßig immer im Nachteil. Schmerzlich
vermisst haben wir jedoch die optional erhältliche Differenzialsperre
in der Hinterachse, sie sollte bei keinem Amarok fehlen.
Nach zehn schnellen Tagen im Amarok kann auch gegenüber den vom Geiz
getriebenen Hobbyökologen Entwarnung gegeben werden. Im Alltag lässt
sich trotz der verschärften Abgasbestimmung kein Mehrverbrauch durch
den Wechsel zum großen starken Sechszylinder feststellen. Wie schon
bisher kommen Sparefrohs mit weniger als neun Liter aus, Allrounder
werden die zehn knapp verfehlen und sogar Motorjournalisten tun sich
schwer, den Verbrauch langfristig über elf zu halten. Das Thema
Downsizing entpuppt sich damit als Trick, billigere kleinere Motoren
ums gleiche Geld zu verkaufen und die Umwelt dafür verantwortlich zu
machen, dass wir mit weniger als 200 PS keinen Fahrspaß mehr erleben
dürfen.
Mit dem Wunsch nach einem Schiebedach, einer versenkbaren Heckscheibe
und dem Verbot dieser völlig unnötigen Chrombügel auf der Ladefläche
(den unserer Amarok mit sich rumtrug) schließe ich diesen
Fahrbericht, der mich dazu veranlasst, ein zurückgegebenes Testauto
auch noch Tage nach der Rückgabe ernsthaft zu vermissen. Das Gefühl
hatte ich schon lang nicht mehr.