Die beste Produktpalette aller Zeiten zu haben, war nur durch jede
Menge Erneuerung möglich
Es ist ein riesengroßer Unterschied, einen Defender einfach nur zu
besitzen oder ihn jeden Tag zu fahren. Die, die Letzteres tun, lassen
sich in meinem Bekanntenkreis an einer Hand abzählen, die andere
Gruppe ist groß genug, um mehrere Clubs zu gründen. Für eine
Urlaubsfahrt, um Holz aus dem Wald zu ziehen oder umdie Superkarpata
zu gewinnen, gibt (gab) es kein besser geeignetes Auto als den
Defender. Was aber, wenn es im Alltag auch ein Land Rover sein soll
und der finanzielle Spielraum entsprechend groß ist, dann ist bei
vielen Defender-Besitzern ein Discovery die erste Wahl. Anfänglich
noch auf der technischen Basis des Defenders daheim, distanzierte
sich bereits die zweite Discovery-Generation von unnötiger
Rustikalität und die dritte Generation hatte mit der einstigen Basis
eigentlich nur noch den Nachnamen gemein. Im Gegenzug bot sie
alltagstaugliche Bestwerte beim Raumangebot und verriet, dass auch
Land Rover drauf und dran war, einigermaßen haltbare Fahrzeuge in
ihren heiligen Hallen fertigen zu können. Mit dem Vierer-Disco, der
eigentlich ein nochmals aufgehübschter Dreier mit mehr Power war,
gelang es Land Rover, viele Kunden zu gewinnen, die die britische
Traditionsmarke bishernicht am Einkaufszettel hatten, auch weil es
sich in den Jahren zuvor herumgesprochen hatte, dass der Disco die
gleiche Basis wie der Range Rover Sport hat, nur mit mehr Platz und
um weniger Geld.
Anlass zur Kritik bot beim Disco 4 eigentlich nur noch seinÜbergewicht. In der Praxis gelang es ihm dennoch recht gut, die paar
hundert Kilogramm, die er zu viel mit sich rumtrug, zu kaschieren.
Nur auf eisigen Bergabpassagen schob er fallweise zu intensiv in
Richtung Tal, im Winkelwerk machten die Bremsen mit Rauchzeichen
ihrem Unmut Luft und im Sommer begleitete einen stets die Angst, der
Gummi könnte so heiß werden, dass er von den Felgen rinnt.
Ein Leichtgewicht ist der Neue auch nicht, die im Zulassungsschein
des Testwagens abgedruckten 2.423 Kilogramm sind so aber wirklich
nicht zu spüren, nicht auf der Bremse und nicht in der Hitze und für
eisige Straßen kam der Testwagen ein paar Tage zu spät. Nur an langen
Autobahnsteigungen macht der wunderbare Sechszylinder-Diesel klar,
dass er die 209 km/h nur auf der Geraden erreicht. Bergab geht sogar
noch deutlich mehr, aber das istdann eher eine Frage des Mutes als
eine der Technik. Für alle, die mit der Verherrlichung nicht mehr
ganz taufrischer Sechszylinder nichts anzufangen wissen, hält Land
Rover beim neuen Discovery auch einen Vierzylinder bereit, mehr ist
dazu nicht zu sagen.
Sehr wohl aberüber den komplett neuen optischen Auftritt, mit dem
der neue Discovery einerseits die optische Verbindung zwischen der
Land-Rover- und der Range-Rover-Palette herstellt und andererseits
auch die Discovery-Baureihe nach oben hin abrundet, noch bevor dies
nach unten hin erledigt werden konnte. Auch der Neue ist ein richtig
großes Auto, auch dann, wenn ihm das neue Design ein paar Liter
Laderaumvolumen geraubt hat. Ein Couchtisch, eine Matratze für ein
Doppelbett und zwei Kindersitze sowie ein Kühlschrank passen immer
noch gleichzeitig rein, mehr schafft damit eigentlich nur der
Chevrolet Suburban und das war auch bisher schon so. Festgehalten hat
man bei Land Rover an den sieben Sitzen und an den 3,5 Tonnen
Anhängelast. Auch beim Neuen sind die Türen riesig und weil die
Briten es mit der Tradition mitunter zu ernst nehmen, ließen sie sich
auch dazu hinreißen, eine asymmetrisch gestaltete Heckklappe zu
konstruieren, für die nun wirklich keine Notwendigkeit bestand.
Gleich dahinter befindet sich eine Klappe, die eigentlich immer im
Weg steht. Vielleicht hätte es nur zweier Campingsessel bedurft, für
die im riesigen Laderaum bestimmt ein Plätzchen zu finden gewesen
wäre, ganz so wie bei Skoda der Regenschirm, um hier die
Traditionalisten nicht zu verärgern.
Auch wenn der Weg rauf auf die Kanzel bei der fünften Generation
nicht mehr so beschwerlich ausfällt wie bisher, so ist der Überblick
von dort oben immer noch richtig gut. Mit der Fehlpositionierung der
Fensterheberschalter, so wie wir das schon bisher nicht gemocht
haben, ist die einzige Gemeinsamkeit zum Vormodell auch schon
besprochen. Neusind die Sitze, das Armaturenbrett, das gefühlsmäßig
jetzt noch größere Lenkrad und natürlich die Mittelkonsole, die nicht
nur sehr schön ausfällt, sondern auch den vorhandenen Raum weit
besser ausnutzt, als das bisher der Fall war. Daumen hoch auch für
Kleinigkeiten wie den Druckknopf, umdas obere Handschuhfach zu
öffnen, für das Audiosystem, das auch hohe akustische Ansprüche
erfüllt und die große Zahl der Ablagen, die dazu führt, dass hier
sogar Getränkedosen in den Untiefen verschwinden und nie wieder
auftauchen.
Das Raumangebot für Passagiere ist beim neuen Discovery in der
dritten Reihe besser als bei vielen anderen Geländewagen in der
zweiten Reihe. Jenen, die sich bei siebenköpfiger Besatzung über zu
wenig Gepäckraum mokieren, sei an dieser Stelle erneut der Chevrolet
Suburban oder ein allradgetriebener Kleinbus ansHerz gelegt. Sollte
es allerdings einmal wirklich ins Gelände gehen, so werden die sechs
Mitfahrer ihre Koffer lieber in der Hand halten, als in die größeren
Alternativen zu wechseln. Noch viel mehr als der da und dort
fragwürdigen Tradition verbunden ist der Discovery der
Geländetauglichkeit,die bis heute so intensiv, wie es nur machbar
ist, hochgehalten wird. Luftfederung, Untersetzung und die Wahl
zwischen verschiedenen Fahrprogrammen sind hier genauso
selbstverständlich wie ein gut geschützter Unterboden. Es grenzt
dabei fallweise an ein Wunder der Physik, wie es Land Rover gelingt,
mit ganz normalen Straßenreifen auf Schotter mehr Traktion
aufzubauen, als es anderen auf Asphalt möglich ist, das Gewicht
allein kann es jedenfalls nicht sein. Schweißperlen sind jedoch dann
garantiert, wenn es mit den Serienreifen in schlammige Gefilde geht.
Vor der Wahl stehend, einfach hängen zu bleiben oder die Situation
mit hohem Geschwindigkeitsüberschuss doch noch zu meistern, bedarf es
eines stabilen Charakters, da ansonsten Kaltverformungen nicht
ausgeschlossen werden können. Dass mit entsprechender Geschwindigkeit
auch extreme Passagen zu meistern sind, spricht für das gebotene
Technikarsenal.
Nach knapp 800 Tageskilometern sind es jetzt nur noch wenige
Kilometer bis heim.Ähnlich einer Kinoleinwand erscheint die Straße
dank der Voll-LED-Scheinwerfer vor mir aufgebreitet, Peter Cornelius
singt davon, dass er reif für die Insel ist und mir macht immer noch
jeder Meter am Kommandostand des neuen Discovery viel Freude. Auch
der Neue steht im Land-Rover-Programm für einen bequemen, sicheren
und praktischen Begleiter, der mit knapp zehn Liter Diesel im zügigen
Alltag auch noch ziemlich sparsam ist. Seinetwegen auf den Defender
zu verzichten? Nein. Ihn im Alltag als Alternative zu den besseren
Mittelklasse-Kombis heranzuziehen und dadurch den Defender für die
wirklich wichtigen Dinge im Leben zu nutzen? Glücklich, wer sich
einer solchen Frage widmen darf.