Der Herbst ist so schön um diese Jahreszeit, davon wusste schon Rainhard Fendrich im "General" zu berichten, für den Winter gilt das natürlich genauso, ganz speziell, weil die G-Klasse, um die es hier geht, für Generäle entwickelt wurde und denen widerspricht man nicht. Dass sie heute als liebstes Spielzeug superreicher Rennfahrer (Insider berichten von spektakulären Rennen zwischen Rosberg und Hamilton) herhalten muss, kann als Schönheitsfehler abgetan werden und hat auch damit zu tun, dass sich in der Vergangenheit Privatpersonen den G leichter leisten konnten als so manche Armee. Mitte der 70er-Jahre unddamit in jener Zeit, in der die Entwicklung dieses Modells begann, hat wohl niemand über einen derartigen Kundenkreis nachgedacht. Noch unwahrscheinlicher war es damals jedoch, dass Mercedes-Benz über Jahre die Formel 1 dominieren sollte und zwei Österreicher den dafür nötigen Ton angeben würden. Aber wie es im Leben so ist, kommt erstens alles anders und zweitens als man denkt.

Niki Lauda und Toto Wolff sind es, die aktuell die Silberpfeile tanzen lassen. Jemand, der ständig ein rotes Käppchen trägt und jemand anderen, der Wolff heißt, bildlich zu verbinden, schreit folgerichtig nach der Geschichte von Rotkäppchen und dem bösen Wolf, auch wenn wir uns an dieser Stelle ganz klar davon distanzieren, dass Wölfe böse sind und Rotkäppchen immer ein kleines naives Mädchen ist. Fast so schnell wie die Idee zum Film für die Social-Media-Netzwerke bei uns daheim und in aller Welt entstand dann auch das Drehbuch und nur wenige Wochen später war es soweit - die Verfilmung einer weiteren Rotkäppchen-Interpretation konnte beginnen.

Ausgesucht hatte man sich dafür den Wienerwald, dass er just an diesem Tag eine weiße Decke trug, war ein glücklicher Zufall. Weniger Zufall war es, dass der eigentliche Hauptdarsteller, neben einem international bekannten Stimmenimitator, der schon öfter für Mercedes-Benz vor den Vorhang getreten ist, womit der Terminkalender von Wolff und Lauda auch diesmal nicht belastet werden musste, die Mercedes-Benz G-Klasse, auch in Weiß gehüllt erschien, eine andere Farbe war einfach nicht verfügbar gewesen.

Auch die Sache mit der Motorisierung verlangte nach Kompromissen und so werkte im weißen G ein 3,0-Liter-Sechszylinder-Dieselmotor. Dieser hat neuerdings zwar viele zusätzliche Pferdestärken aufzuweisen und parallel dazu auch einen reduzierten Verbrauch, beim Klang reicht sein Können jedoch nicht annähernd an das seiner großen Brüder heran.

Im Wienerwald dankten ihm die Rehe seine akustische Zurückhaltung dafür mit stetiger Anwesenheit. Anwesend auch ein Mann, der eigentlich aus Italien stammt und der der Liebe wegen seine Zelte bei uns aufgeschlagen hat. Normalerweise tritt er auch bei den Projekten, die zur Gänze seine Handschrift tragen, nicht vor die Kamera, denn sein Platz ist stets dahinter. Wer ihn dennoch sehen will, muss ihm nicht wie wir bei der Arbeit zuschauen. Unter uomoplus. at betreibt er neuerdings einen Blog, in dem er nicht nur viel Italien, sondern auch noch mehr Persönliches freigibt. Dort ist auch zu erfahren, dass er in jungen Jahren mit dem Trialsport begonnen hat, später Soldat werden wollte und dann aufgrund eines Unfalls doch vieles anders kam. Ein vorläufiges Happy End inklusive. An diesem Wintermorgen muss Giorgio Sironi einmal mehr zur Kenntnis nehmen, dass ein Italiener für ein Leben an der Sonne, aber nicht für ein Leben im Schnee gemachtist. Über seinen grimmigen Gesichtsausdruck kann auch der Thermooverall in Tarnfarbe nur bedingt hinwegtäuschen. Die Kamera gepackt zieht es Giorgio an diesem Tag raus aus der beheizten Garage mitten hinein in den Schnee. Sein kleines Team folgt lautlos.

Kurze Zeit später wird die Kamera erstmals in Position gebracht. Ganz tief unten am Schnee, dort wo es besonders kalt ist. Es folgt im Anschluss die erste Einstellung für den Innenraum. Glücklich, dass die G-Klasse viel Raum für die XL-Kamera und Giorgio in der zweiten Reihe bietet. Zusätzliche Verrenkungensind hier nicht nötig. Wäre auch doof, mit dem wunderschönen Thermooverall klettern zu müssen.

Für die Onboard-Einstellungen im Wald darf Giorgio sogar ganz bequem am beheizten Beifahrersitz Platz nehmen. Zumindest so lang, bis ihn das Drehbuch wieder in die zweite Reihe und dort an das geöffnete Fenster drängt. Zwischendurch darf auch der Ton mal ran. Giorgio hat sich zwischenzeitig ein Gestell angezogen, das die Kamera ruhiger und zugleich beweglicher macht, auch wenn das vielleicht nicht so aussieht. Von der 39. Szene ist bereits zu lesen und das ganze Action-Programm hat noch nicht einmal begonnen. Jetzt erst darf der Wolf aus dem Kofferraum springen und unser Rotkäppchen erschrecken. Minuten später ist der Wolf samt G auf und davon und Rotkäppchen geht zu Fuß nach Hause. Aufgegessen wird heute jedenfalls niemand. Nachzulesen ist das im Drehbuch unter Szene 47.

Jetzt erst geht es zu den bewegten Bildern, bei denen die G-Klasse einem alten Land Rover folgt, der logischerweise nicht zu sehen ist. Normalerweise setzt Giorgio für solche Einstellungen auf seinen Hyundai Bus, doch ohne Allrad hat dieser bei winterlichen Bedingungen Pause. Das Beste kommt auch hier zum Schluss. Der große Sprung, der die Klickrate auf youtube wie ein Turbo befeuern soll, steht an. Eine unauffällige Kuppe, ein verschneites Feld und ein Stuntfahrer, der sich hinsichtlich der Flugeigenschaften der G-Klasse noch schnell bei einem Kollegen erkundigt, der nur ein paar Tage zuvor an gleicher Stelle erste Versuche in diese Richtung unternommen hat.

Die finale Sprungfreigabe kommt vom Importeur, womit auch die Verantwortung für das 150.000-Euro-Automobil geklärt ist. Ein kurzer Tritt aufs Gaspedal und schon knallt die Vorderachse des G gegen die Unterkante der Böschung, federt ein und wieder aus, während die Hinterachse Druck macht, und hebt anschließend so schön ab, dass allen Beteiligten ein wenig der Atem stockt. Andreas-Nikolaus - so heißt Niki Nationale laut Geburtsurkunde - hat beide Hände fest am Lenkrad und kann dennoch keinen Einfluss darauf nehmen, was mit ihm und der G-Klasse gerade passiert. Die Landung gelingt trotzdem mustergültig und ganz ohne Kontakt zwischen Unterboden und Feld. Ohne dietraditionell verbauten Starrachsen wäre bei dieser Belastung ein Bauchfleck unausweichlich gewesen. Das wissen wir auch nur, weil wir die Situation schon mal hatten - selbstverständlich ohne vorherige Freigabe durch den Importeur. Dem G kann der kleine Sprung allerdings rein gar nichts anhaben.

Es ist bereits ziemlich dunkel, als das Filmteam sein Tagewerk beendet. Viele Kisten an Equipment wandern in den Hyundai Bus. Alle, nicht nur Giorgio freuen sich auf ein warmes Zuhause. Zwei Wochen später ist der Kurzfilm fertig. Nur wenige Tage nach seinem Erscheinen wurde er bereits mehr als 50.000 Mal angesehen und das ist erst der Anfang. Wer jetzt neugierig geworden ist, findet ihn auf youtube.