Jenseits des großen Teichs ticken die Uhren auch in Bezug auf das
Automobil ein wenig anders.
Der Duft der Freiheitäußert sich in Amerika auch im Straßenbild. Man
zeigt, was man hat und das ganz ohne Wenn und Aber. Erlaubt ist dabei
mehr oder weniger alles, was gefällt. Nachdem Geschmäcker bekanntlich
verschieden sind, ergibt das einen Fahrzeugmix, der so in Europa
einfach nicht vorstellbar wäre. Da der beinahe am Boden schleifende
Dodge Ram, dort der Chevrolet Truck, dessen Fahrersitz ohne Leiter
nicht zu erreichen ist, und mittendrin der Jeep Wrangler, der nicht
viel mehr als einen Fahrersitz und ein paar Blechteile mit sich
rumträgt. So etwas wie den TÜV dürfte es hier für neue Fahrzeuge
ebenso wenig wie für gebrauchte geben, zumindest nicht in jener
Härte, wie wir das in Europa kennen. Das erklärt einerseits den
großen Tuningmarkt und andererseits die stets gut besuchten
Pannenstreifen, auf denen rund um die Uhr eifrig geschraubt und noch
häufiger ein Reifen gewechselt wird.
Geht es nach dem offiziellen Neuzulassungsranking, so hat auch 2016
die F-Serie von Ford die Nase vorn gehabt. Mehr als 820.000 Stück
konnten von diesem Truck abgesetzt werden, auf immerhin noch 574.000
Stück brachte es der Zweitplatzierte, der Chevrolet Silverado. Mit
Rang drei musste sich erneut der Dodge Ram zufriedengeben, der
489.000 Verkäufe verbuchen konnte. Erst auf Rang vier findet sich der
erste Pkw. Das meistverkaufte SUV, der Honda CR-V, belegt mit 357.000
Exemplaren Platz sieben, ganz knapp dahinter der Toyota RAV 4 mit
350.000 Stück. Unter den Top 20 auch noch der GMC Sierra Pickup, die
Ford-Modelle Kuga und Edge sowie der Nissan X-Trail und ein
Kompakt-SUV aus dem Hause Chevrolet. Bestverkaufter Geländewagen war
2016 der Jeep Grand Cherokee mit 212.000 Exemplaren. Abseits der
reinen Zahlenspiele sind es die extrem trendigen Subaru-Modelle, die
in den Südstaaten ebenso auffallen wie die Vielzahl an Kia- und
Mazda-Modellen. Ganz fixe Größen im 4x4-Segment sind auch Honda und
Nissan, beides Marken, die hierzulande nicht (Honda) oder nicht mehr
(Nissan) auf der Wunschliste der 4x4-Gemeinde ganz oben stehen.
Die besondere Bedeutung des Pickup-Marktes, in dem neben den
amerikanischen Marken auch Toyota und Nissan kräftig mitmischen, hat
vielerlei Gründe. So gibt es extrem viele Einzelunternehmer, die mit
Pickup und Anhänger ausgerüstet alles dabei haben, was sie als
Gärtner, Maler, Mechaniker oder Installateur brauchen. Ganz ähnlich
das Bild auf den Baustellen, wo es nur in sehr kleinen Schritten
gelingt, die Pickup-Modelle durch moderne Lieferwagen zu ersetzen.
Weil in den USA sehr viel geradeaus gefahren wird und sämtliche
Parkhäuser für den Platzbedarf eines Pickup gerüstet sind, gibt es
auch in den Ballungszentren keinen Grund, auf den Truck zu
verzichten. Vielleicht auch, weil es sich mitihm bequemer im Stau
stehen lässt als mit einem Kleinwagen.
Was ebenfalls für einen Pickup spricht, ist die Möglichkeit,
sperriges Freizeitequipment einfach hinten draufzupacken. So werden
Motorräder genauso Huckepack genommen wie Jetskis oder Quads. Nur
Boote werden in der Regel auf eigenen Anhängern hinterher gezogen.
Was uns der Wohnwagen, ist dem Amerikaner sein Fifthwheeler und der
verlangt nun mal nach einer Sattelkupplung, wie sie nur auf großen
Pickup-Modellen darstellbar ist. Auch der überall spürbare Trend zur
Individualisierung des eigenen Fahrzeuges spricht für den Pickup als
dankbare Basis.
Höherlegungen um zehn, 20 oder 30 Zentimeter fallen hier gar nicht
auf, ab einem halben Meter plus gelingt es, erste interessierte
Blicke anzuziehen. Spannend auch die Aufrüstung mit teils extremem
Reifenmaterial. Nicht nur die Größe, sondern auch die Breite ist hier
durchwegs beeindruckend. Füreuropäische Geländewageneigner ebenfalls
ungewohnt sind die stets weit aus den Kotflügeln heraustretenden oder
teils sogar komplett freiliegenden Räder. Wie sich das bei Regen
anfühlt, entzieht sich meiner Kenntnis.
All diese Fakten sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch
die amerikanischen Kunden zusehends mehr auf den Treibstoffverbrauch
achten. Moderne Dieselaggregate mit weniger als 4,0 Liter Hubraum
sind längst keine Seltenheit mehr und auch den wunderbaren
V8-Benzinern geht es zusehends an den Kragen. Mit Preisen zwischen
zweiund 2,5 Dollar für eine Gallone (3,8 Liter) des mindestens
88-oktanigen Benzins ist der Treibstoff immer noch günstig, durch den
hohen Verbrauch vieler Modelle geben die Amerikaner schlussendlich
nicht weniger an der Tankstelle aus, als wir das hierzulande tun.
Auf rund 3.500 Meilen gelang es uns, acht Tesla-Modelle zu zählen und
somit doppelt so viel Elektroautos wie Land-Rover-Defender-Modelle.
Diese sind im Prinzip in Amerika nicht zulassungsfähig, wodurch alle
gesichteten Fahrzeuge ausländische Kennzeichen trugen. Dort, wo die
Sonne die Überhand hat, bietet der amerikanische Markt auch viel Raum
für den Jeep Wrangler. In der Regel offen gefahren, gilt er als
einfaches Spaßauto, das sich mindestens genauso gut für umfassendes
Tuning eignet wie ein Pickup. Gefragt ist der Wrangler auch bei
Wohnmobilbesitzern. Sie sind es, die den Jeep einfach ans Heck
hängen, um am Campingplatz angekommen auch weiterhin mobil zu sein.
Die Camper-Modelle sind dabei oft mit einem für amerikanische
Verhältnisse unüblichen Schaltgetriebe ausgestattet, wodurch es
keiner großen Modifikationen bedarf, um den Jeep auf seinen vier
Rädern zu schleppen. Die Automatikversionen verlangen in diesem Fall
nach extra Zubehör.
Das einzige echte Märchen den USA-Automobilmarkt betreffend ist jenes
von den supergünstigen Preisen. Zwar gelingt es mit etwas Glück,
einen neuen Jeep Wrangler schon ab rund 25.000 Dollar zu ergattern,
ein schöner Rubicon mit ein paar Extras kostet jedoch gut und gerne
das Doppelte. Für einen ordentlichen Pickupsind mindestens 50.000
Dollar zu kalkulieren. Gut ausgestattet und natürlich etwas größer
als die in Europa gängigen Modelle sind schon rund 70.000 Dollar an
den Händler zu überweisen. Was es in Amerika im Prinzip nicht gibt,
sind Lieferzeiten. Verkauft wird, was am Hof steht und der fasst
schon bei manchem Kia-Händler 500 Neuwagen. Große Ford-Händler haben
auch schon mal 2.000 Fahrzeuge vor der Tür stehen. Geordnet nach
Modellen, Farben und Ausstattungen wird der Autokauf hier wirklich
zum Erlebnis und nicht zum lästigen Papierkram.
Wer wirklich günstige 4x4-Fahrzeuge sucht, sieht sich mit extrem
unterschiedlichen Preisniveaus konfrontiert. Im Süden der USA kann
ein dort wenig nachgefragtes Modell durchaus halb so teuer sein wie
im Norden und umgekehrt funktioniert das Ganze auch. Bei der Suche in
verschiedenen Gebrauchtwagenplattformen findet sich meist das
Wunschmodell. Blöd nur, dass das mitunter 2.000 Meilen entfernt zu
besichtigen ist. Auffällig am Gebrauchtwagenmarkt sind auch die teils
extrem hohen Tachostände, die sich in einem so großen Land jedoch oft
aus dem Alltag heraus ergeben. Besonderes Augenmerk gilt bei
Secondhand-Modellen den Fahrwerken, da hier die teils sehr schlechten
Straßen die Lebensdauer von Federn und Dämpfer verkürzen. Im Gegenzug
gibt es kaum Motoren, die auf der Autobahn ausgepowert wurden, das
ist in Amerika einfach viel zu teuer. Wer gerade damit spekuliert,
einen Offroader aus Amerika zuholen, tut gut daran, auf jene
Bundesstaaten zu achten, die keinen echten Winter kennen. Ein heißer,
weil aktuell noch bezahlbarer Tipp sind die alten
Jeep-Wrangler-Modelle, XXL-Geländewagen vom Schlage eines Chevrolet
Suburban, rostfreie Mercedes-Benz-G-Modelle und
Land-Rover-Discovery-Variantender dritten Generation mit
V8-Benziner-Motorisierung. Geschenkt gibt es aber auch die im Land,
wo schiere Größe unverändert zählt, nicht. «