Das Leben steckt vollerÜberraschungen. Die erste davon war die Präsentation des neuen Toyota C-HR im letzten Herbst. Sein markantes und optisch gefälliges Design war doch etwas unerwartet. So viel Mut hat man von Toyota nicht unbedingt erwartet. Die zweite - und für uns noch viel bessere - war dessen Bereitstellung als Testwagen kurz vor Weihnachten. Wie schön es ist, sich mehr oder weniger grenzenlos durch Schengen-Europa frei bewegen zu können, merkt man erst, wenn es einmal in "exotischere" Länder geht. Für die Fahrt nach Weißrussland bedarf es nämlich einer schriftlichen Genehmigung durch den Importeur, um überhaupt über die Grenze zu gelangen. Danke an dieser Stelle an Toyota Frey für das entgegengebrachte Vertrauen, das wir nicht enttäuscht haben.

Perfekt für unsere Verhältnisse, nämlich als Allrad und mit Benzinmotor. Auch wenn wir vom russischen Winter (geografisch) doch ein Stück weit weg waren, ein Diesel wäre nicht unsere erste Wahl gewesen. 116 PS klingen zwar nicht übermotorisiert, sollten sich aber dennoch als ausreichend erweisen. Ebenso das Platzangebot, 4,36 Meter Länge bieten üblicherweise genügend Platz für fünf Personen samt Gepäck. Üblicherweise ...

Die Enttäuschung für meine "damalige" Freundin kam recht bald. Unser Auto war dermaßen mit Gepäck, Geschirr, Wein und Geschenken vollgepackt, dass ich ihr mitteilen musste, dass wir im Leben wohl nie und niemals ein schönes Auto unser Eigen nennen werden, da wir ab jetzt in den Kategorien Lieferwagen und Klein-Lkw denken sollten, um auch zukünftig für derlei Reisen gewappnet zu sein. Konzernintern wäre hier vielleicht der neue ProAce zu nennen, allerdings verfügt dieser nicht über Allradantrieb. So waren wir froh, dass ihre Schwester schon ein paar Tage vor Weihnachten mit dem Flugzeug zur Familie reiste.

Abfahrt Wien: 27. Dezember, 3 Uhr 15. Vollgepackt und am 470-Kilogramm-Zuladungs-Limit starten wir in den frühen Morgenstunden unsere 1.136 Kilometer lange Reise. 12 Stunden, 58 Minuten Fahrzeit prognostiziert uns unser Routenplaner dafür. Das Navi plant hier nur bis zum Schengen-Ende, im konkreten Fall ist das der Grenzort Kuznica im Nordosten Polens. Flott geht es aus Wien hinaus, vorbei an MistelbachRichtung Drasenhofen. Man merkt, dass sich viele noch den wohlverdienten Weihnachtsschlaf gönnen. Unser Tempo ist ambitioniert, aber nicht übertrieben. Einen Marathon gewinnt man ja auch nicht auf den ersten Kilometern.

Mit maximal zehn Prozent Toleranz "fliegen" wirüber die fast leeren Straßen Tschechiens Richtung Warschau. Polens Autobahnen sieht man an, dass sie neu sind, und auch das Tempolimit von 140 km/h erfreut uns. Auf den Verbindungsstücken gilt eigentlich Tempo 70, daran haben wir uns aber aus Sicherheitsgründen nicht gehalten, zu groß wäre dieGefahr eines Auffahrunfalls (hinten! nicht vorn) gewesen. Hier gilt: Einfach mit dem Verkehr mitschwimmen und rechtzeitig vor den angekündigten Radarfallen bremsen. Die vielen Ecken und Kanten erinnern ohnehin an ein Tarnkappenflugzeug, dazu die "Farbe" Space-metallic-grau und so bleiben auch wirweitgehend unentdeckt.

Übernachtungsstopp um 9 Uhr 30? Die Verwandtschaft ist groß bei meiner Freundin und so finden sich (theoretisch) auch viele Möglichkeiten zur Übernachtung. Aber einzig ein Tankstopp hat uns zum Stehenbleiben gezwungen, zu gut geht es durch Polen und zu bequem sind die Sitze in unserem C-HR, welchen wir kurzerhand auf "Anna" tauften. Richtung Bialystok erwartet uns der einzig richtig mühsame Abschnitt. Hier ist die Autobahn gerade in Bau und es stehen nur zwei eher schlechte Fahrbahnstreifen zur Verfügung, dazu Tempo 60 und jede Menge Schwer- und Gegenverkehr. Trotzdem ist die Reise ein Vergnügen, zumal auch das Wetter, (drei Grad Plus, trockene Straßen) mitspielt.

Die Grenze kostet uns 3,5 Stunden, wenngleich zwei Stunden der Zeitverschiebung geschuldet sind. Die restlichen 1,5 Stunden bestehen aus Autoprüfung, Formulare ausfüllen und Warten. Und das, obwohl nur wenige Autos vor uns sind. Das Prozedere schwankt zwischen mühsam und willkommener Rast. Immerhin haben wir bereits fast neun Stunden reine Fahrzeit hinter uns. Als sich dann endlich der letzte Schlagbaum hebt, freuen wir uns schon sehr auf den letzten Abschnitt.

Zwei mit Maschinengewehren bewaffnete Soldaten stoppen uns kurz vor Grodno zwecks Routinekontrolle und bewundern unsere Anna, staunenüber das Blinkerdesign und geben uns Tipps fürs Weiterfahren. Das Fahren hier ist ein pures Vergnügen, die Straßen breiter und besser als in Polen, viel Platz - Weißrussland ist etwa doppelt so groß wie Österreich bei geringfügig mehr Einwohnern. Hier steigt sich niemand auf die Zehen. Einzig Bergwertungen darf man sich nicht erhoffen, der höchste Punkt liegt bei 314 Metern über Meeresniveau, dagegen ist sogar das Burgenland eine Alpengegend. So bieten sich auch genug Möglichkeiten, sich dem Soundsystem zu widmen und die verschiedenen Displays genauer unter die Lupe zu nehmen. Dennauch hier fehlt etwas, nämlich der richtige Winter mit Kälte, Schnee und so weiter. Nach elf Stunden reiner Fahrzeit und 14 Stunden unterwegs erreichen wir am Abend endlich Dsjatlawa und wünschen uns nur eines, nämlich Schnee. Dieser wird im ersten Schub gleich am nächsten Morgen geliefert. Auch eine Kaltfront ist im Anzug. Endlich ein wenig spielen.

Das Aufeinandertreffen von Anna und Alex ist dann doch etwas frostig. Alex heißt nämlich die Kaltfront, die nach einigen Tagen zuerst das Land und anschließend ganz Europa heimsucht. Zuerst noch mit "angenehmen" minus 14 Grad fährt Alex dann mit Temperaturen bis minus 27 Grad in Minsk doch seine Krallen aus. Davon aber lässt sich unsere Anna nicht beirren. Umso mehr wissen wir unseren Benziner zu schätzen. Und die dreistufige Sitzheizung!

Mit dem Major aus der Sowjet-Armee in den mittlerweile tiefverschneiten Wald zu gehen, ist eine willkommene Abwechslung nach all den Feierlichkeiten und Essensorgien rund um Weihnachten und Silvester. Dass dieser Ausflug mit fast drei Stunden doppelt so lang als geplant ausfällt, treibt meiner mittlerweile Verlobten und ihrer Familie die Sorge ins Gesicht. Dass auch wir Österreicher einen Winter kennen, nimmt uns dort niemand so richtig ab. Nach 15 Kilometern ist jeder auf sich stolz und glücklich, wieder vor dem Kamin zu sitzen.

Beinahe 1.500 Kilometer legen wir allein in Weißrussland zurück. Trotz voller Beladung und mittelschwerem Gasfuß gönnt sich der 1,2-Liter-Motor gerade einmal neun Liter im Schnitt, beim Dahinrollen auf den perfekten weißrussischen Straßen sind es vereinzelt auch weniger als acht Liter. Sorgenfalten bereitet uns einzig die Fotodokumentation, denn üblicherweise stellt man die Fahrzeuge sauber und geputzt ins beste Licht. Aber nicht einmal in der Garage taut unsere Anna gänzlich auf. Schade, wir hätten sie gerne von ihrer besten Seite gezeigt, denn davon hat sie viele.

Minsk ist eine Autotraumstadt, denn neben den breiten und nichtüberfüllten Straßen gibt es noch eines im Überfluss: nämlich Parkplätze. Noch dazu kostenfreie. So lassen sich die Sehenswürdigkeiten gut besichtigen, denn auf ausgedehnte Spaziergänge haben wir ob der Temperaturen wenig Lust. Ebenfalls kostenfrei waren die vielen staunenden und anerkennenden Blicke. Denn unsere Anna kam gut an. Egal ob in Minsk, Lida oder bei Holzarbeitern am Land, stets war sie ein Blickfang.

Nachüber zwei wunderschönen Wochen heißt es Abschied nehmen und nach einem Zwischenstopp in Bialystok, Polen (jetzt doch zwecks Übernachtung) und Tschechien geht es in wieder zurück nach Wien. Von den insgesamt 3.500 Kilometern zeugt nur der tiefgraue Schleier, der den Toyota fortan umhüllt und erst in der Waschstraße verloren geht.

Viel zu schnell verging die Zeit, vor allem durch die großen Familienfeste, 15 Leute und mehr waren keine Seltenheit im Haus, dazu die tägliche Unterrichtsstunde in Russisch, Tee und Schach am Abend vor dem Kamin, Banya beim Onkel und vor allem mit den Planungen der nächsten Reise. Diese findet Mitte Mai statt. Wieder mit einem Toyota, diesmal mit einem ProAce Bus für acht Personen. Dieser wird freundlicherweise vom Schwestermagazin "FLOTTE&Wirtschaft" zur Verfügung gestellt. Da geht"s zur kirchlichen Hochzeit nach Dsjatlawa. Die fällt zwar in die Schlussproduktion des ALLRADKATALOGs, aber den Segen des Chefredakteurs haben wir. Und so schließt sich der Kreis wie die Ringe im Toyota-Logo.«