Kürzlich ist "AUTO&Wirtschaft" mit einem Problem konfrontiert
worden, das in vielen Werkstätten immer wieder vorkommt: Ein alter
Fiat wurde zur Reparatur gebracht - und dort einfach "vergessen".
Jetzt verstellt er schon 2 Jahre den Platz -und der Kunde bleibt
unauffindbar. Die Werkstätte möchte das Auto endlich loswerden -und
dabei keine Fehler machen. Univ.-Ass. Georg Durstberger und
Univ.-Ass. Thomas Rauch, Juristen am Institut für Zivilrecht an der
Wirtschaftsuniversität Wien, haben untersucht, ob es dafür
praktikable Lösungen gibt.
In der Judikatur ist dazu wenig zu finden. Zuletzt hat der Oberste
Gerichtshof 1999 die Zulässigkeit des freihändigen Verkaufs eines
Pkw, dessen Eigentümer unauffindbar blieb, festgestellt. Es handelte
sich dabei allerdings um einen Sonderfall: Das Auto war zuvor
gestohlen und anschließend beim Hehler beschlagnahmt worden. Nachdem
der sündteure Dodge Stealth RT als "bedenkliches Gut"zwei Jahre
strafgerichtlich in einer Abstellhalle dahindämmerte, wurde er samt
Fahrzeugpapieren der Obhut des Bezirksgerichts Eisenstadt übergeben.
Dieses bestellte aufgrund der unklaren Eigentumsverhältnisse einen
gerichtlichen "Verwahrer", dem es die Verantwortung für dieses Auto
übertrug. Die Untersuchungsrichterin regte den freihändigen Verkauf
an, "weil der Pkw durch die lange Verwahrung erheblich an Wert
verliere". Es sei einfacher, den Verkaufserlös als das Auto selbst
verwahrt zu halten. Worauf das Bezirksgericht die sachverständige
Schätzung und die anschließende Verwertung des Dodge anordnete. Der
OGH hatte letztlich zu prüfen, ob diese Vorgangsweise legal ist.
Wann darf man das Auto verkaufen?
Der kam zum Ergebnis, dass es sich beim Auto "um ein nicht
geringwertiges, verderbliches oder von erheblichem Wertverfall
bedrohtes Gut handelt". Obwohl sich solche Sachen "sinnvollerweise
nicht längere Zeit hindurch verwahren lassen, sieht das ABGB das
Institut des Selbsthilfeverkaufs nicht vor". Aus der Sicht des OGH
wäre aber gerade das im Interesse der Gläubiger, "erhalten sie doch
statt einer verdorbenen, sonst wertlosen oder immerhin krass
wertgeminderten Sache den Erlös der Sache,die zu einer Zeit
veräußert wurde, in der sie ihren Wert noch einigermaßen gewahrt
hat". Das BG Eisenstadt war daher verpflichtet, im Interesse der
Eigentümer "der drohenden Wertlosigkeit entgegenzuwirken".
Im Strafrecht ist für derartige Fälle von Haus aus eine öffentliche
Versteigerung oder ein Freihandverkauf vorgesehen. Bei der vom
Gericht veranlassten zivilrechtlichen Hinterlegung (§ 1425 ABGB) ist
der OGH mittels Analogie zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Beim
Auto in der Werkstätte handelt es sich allerdings um kein
"beschlagnahmtes Gut" - daher gelten dafür auch andere Spielregeln.
Solange die Reparatur nicht bezahlt wird, hat die Werkstätte am Fiat
des Kunden ein Rückbehaltungsrecht. Gleichzeitig trifft sie eine
Verwahrungspflicht, sie hat das Auto zu garagieren. Je wertvoller das
Auto, desto sorgsamer ist mit ihm umzugehen. Im Fall des
beschlagnahmten Dodge haben die Parteien den ursprünglichen Wert mit
600.000 Schilling beziffert - bei der späteren Schätzung war er nur
noch 250.000 Schilling wert. Dafür sind bei einer monatlichen
Garagierung um 1.500 Schilling über die Jahre bereits 63.000
Schilling aufgelaufen.
Fazit: Bleibt die Werkstätte untätig, werden die Verwahrungskosten
immer höher -und wird das Auto immer weniger wert. Sie muss daher
trachten, ihr "Pfand" so schnell wie möglich loszuwerden. Aber wie?
Ist eine Versteigerung möglich?
Generell hat die Werkstätte für die unbezahlte Reparatur nur ein
Rückbehaltungsrecht, aber kein Pfandrecht. Ein mit der Rückbehaltung
verbundenes Verwertungsrecht gibt es nur zwischen Kaufleuten. Es
erhebt sich die Frage, ob dennoch ein Freihandverkauf oder eine
Versteigerung des reparierten Autos zulässig wäre. "ImGesetz werden
die Möglichkeiten des § 373 UGB nur für Verkaufsgeschäfte angeführt",
sagt Rauch. Er geht jedoch davon aus, dass diese Regeln des
Selbsthilfeverkaufs analog auch auf Werkverträge mit Konsumenten
anwendbar sind. Allerdings fehlen der Werkstätte meist die
Fahrzeugpapiere und dieVersicherungsunterlagen -was den
Verkaufserlös zulasten des Kunden schmälern würde. Wie lange muss die
Werkstätte daher warten, bis sie zu diesen drastischen Maßnahmen
greifen kann? Da verweist Durstberger auf §6 Konsumentenschutzgesetz:
Der verbietet Klauseln, mit denen "die Rechte des Verbrauchers auf
eine Sache, die der Unternehmer zur Bearbeitung übernommen hat, in
unangemessen kurzer Frist verfallen". In den Gesetzeserläuterungen
wurden je nach Fall sechs bis zwölf Monate als angemessen erachtet.
Bei einer Schuhreparatur werden sechs Monate ausreichend sein, beim
alten Auto sollte man länger zuwarten.
Eine weitere Voraussetzung ist jedenfalls, dass dem Kunden die
Verwertung seines Autos anzudrohen ist. Mittels eingeschriebenen
Briefes an die im Zulassungsschein aufscheinende Adresse, eventuell
auch nach Einholung einer Meldeauskunft. Das sollte reichen. Dann
muss eine "angemessene Frist" abgewartet werden, ob der Kunde dagegen
Einspruch erhebt. "Sechs Wochen sollten da reichen."
Das Dorotheum als beste Empfehlung
Wer ist nun zur Versteigerung befugt? "Bei eBay ist das sicherlich
keineöffentliche Versteigerung im Sinne des Gesetzes", also würde
ein derartiger Verkauf nach Rauch nur als "Freihandverkauf" zu werten
sein. Der ist jedoch nur zulässig, wenn "die Ware einen Börsen-oder
Marktpreis hat". Das dürfte bei einem Auto nicht der Fall sein,
"schließlich ist jeder Gebrauchtwagen irgendwie ein Einzelstück".
Rauch empfiehlt den Kfz-Unternehmern daher, das "vergessene" Auto im
Dorotheum versteigern zu lassen. Wobei auch andere Firmen infrage
kommen, "wenn diese eine entsprechende Befugnis haben".
Vom Verkaufserlös kann sich die Werkstätte die Reparatur-und
Einstellkosten und die sonstigen mit der Versteigerung verbundenen
Kosten abziehen. Den Rest hat sie dem Kunden auszufolgen - so ein
derartiger Rest überhaupt noch übrig geblieben ist und der Kunde
tatsächlich irgendwann auftaucht.
In jedem Fall verursacht so ein Auto viele Scherereien. Um diese in
Grenzen zu halten, empfehlen die Experten unisono, bereits in den
Reparaturauftrag eine entsprechende Klausel zur Verwertung eines
"vergessenen" Autos einzubauen. (KNÖ)