Die Zahl ist beeindruckend: 87 Milliarden Dollar. So viel Umsatz werde die Autoindustrie bis 2030 mit elektrifiziertem, autonomem Fahren machen. Derzeit ist es noch eine einstellige Milliardenzahl. Das prognostiziert der US-Marktforscher Lux Research. Für Dr. Jost Bernasch, Geschäftsführer des Grazer Forschungszentrums Virtual Vehicle, ist das der Hauptgrund, weswegen die Autoindustrie dieses Thema dermaßen vorantreibt. "Weil sie damit Gewinne macht. Jetzt schon, im Unterschied zur Elektromobilität, wofür derzeit noch hohe Investitionen nötig sind", sagte er bei einem Gespräch mit Journalisten in Graz. Virtual Vehicle, eine Tochterfirma der TU Graz, von Joanneum Research, AVL, Magna Steyr und Siemens, präsentierte ein neues Forschungsfahrzeug: einen Ford Mondeo, der sukzessive mit den neuesten Systemen hochgerüstet werden soll. Lenkung, Gas, Bremse werden bereits angesteuert, einfache Fahrerassistenzsysteme sind auch verbaut. Was in den kommenden Monaten und Jahren folgt, soll das volle Paket sein: Radar, Lidar, Kameras, GPS, IMU, Car-2X, danach NVDIA-Plattform, Infineon Aurix, dSPACE etc. Schließlich LKA, ACC, LCA, EBA, HW-SW-Co-Simulation bis zu Deep Learning.

Sind Sie jetzt angesichts des Techsprech und des Kürzelüberfalls bereits ausgestiegen? Verständlich. Aber bleiben Sie hier, dies alles ist vielleicht bald Teil Ihrer Berufsrealität. Und der jedes Kunden.

Mehr Beratung denn je notwendig

Was bedeutet dieser rasante Fortschritt beim Thema autonomes Fahren für den Handel? Nun, fix ist: Das Produkt wird noch komplexer. Jedes Jahr sind höhere Automatisierungslevels zu erwarten. Diverse Roadmaps, die prognostizieren, wann welche Technologie in die Serie sickern soll, kursieren ja bereits seit zwei, drei Jahren. Bernasch dazu: "Die Fahrzeugindustrie wirdsich in den nächsten zehn Jahren mehr ändern als in den vergangenen 30 Jahren." Fahren wir 2025 gar nicht mehr selbst? Sind Autos dann Passagierroboter? Wahrscheinlich doch nicht, aber es kann uns viel abgenommen werden. Die Entscheidung, bis zu welchem Level, macht für Kunden den Autokauf komplexer als je zuvor. Der Handel wird intensiver beraten müssen als je zuvor.

Testregionen ab Mitte 2017

Industriepolitisch gesehen gewinnt die Angelegenheit angesichts der möglichen Wertschöpfung und Jobabsicherung auch in Österreich an Dynamik. So macht das Verkehrsministerium -nach zuvor längerem Zögern -jetzt endlich ernst mit der Ausschreibung von Testregionen für autonomes Fahren (auf abgesperrten wie auch auf öffentlichen Strecken). Im Gespräch sind mindestens zwei Regionen, eine in der Steiermark, eine in Oberösterreich. Bernasch bestätigte bereits, dass sich seine Institution in einem Konsortium mit der TU Graz, mit Joanneum Research und etlichen Industriepartnern an der Ausschreibung beteiligen werde.

In anderen Ländern -etwa Frankreich, Deutschland, Schweden -ist man mit den Testregionen bereits weiter, deswegen sollte es jetzt "relativ schnell gehen, angesichts dessen, was sich in Europa sonst so tut", so Bernasch. "Von der Forschung und der Technologie sind wir in Österreich gut aufgestellt, aber wir müssen jetzt auch schaffen, dass wir mit einer Testregionen schnell starten, weil sonst die interessanten Player in andere Regionen gehen."

Ist der politische Wille da? Auf Anfrage von "AUTO&Wirtschaft" heißt es im Ministerbüro dazu: "Ja. Mitte 2017 sollen die Testbetriebe starten." (SZE)