Präsident George W. Bush wurde im November 2000 mit der knappen
Mehrheit von 537 Stimmen zum 43.
Präsidenten der Vereinigten Staaten
gewählt. Auch unsere Bundespräsidentenwahl hat das Dilemma der
Demokratie gezeigt: Eine einzige Stimme kann das Wahlergebnis in die
eine oder andere Richtung kippen,obwohl die Gründe zur Abgabe dieser
einzigen Stimme höchst unterschiedlich sein können. Möglicherweise
war es bloß eine diffuse Emotion (Ärger über die Regierung, Furcht
vor Überfremdung oder einfach eine persönliche Abneigung gegenüber
dem einen oder anderen Kandidaten), mit der sich deroder die
Wähler/in mit dem Stimmzettel Luft verschaffen wollte.
Kurz vor seinem Tod machte mich mein Freund Dipl.-Ing. Helmut
Rockenbauer, Herausgeber des Branchenmagazins Elektro&Wirtschaft,
auf einen elementaren Fehler vieler Abstimmungen aufmerksam: Es wird
die Legitimation des einzelnen Wählers kaum hinterfragt. Etwa, wenn
Menschen über etwas abstimmen können, von dem sie nicht -oder nicht
mehr -betroffen sein werden. Oft geht es nur darum, jemandem in die
Suppe spucken zu können. Das ist so, als würde ein Mitarbeiter für
die Schließung der Werksküche stimmen, obwohl er bereits zum Ultimo
das Unternehmen verlässt.
Der große Vorteil demokratischer Mehrheitsentscheide ist gleichzeitig
der größte Nachteil: Sie vereinfachen. Weil das scharf Umrissene die
Ausnahme ist, Unschärfe die Regel. Ein weiteres Übel ist, dass
Mehrheitsentscheide die Entscheider ganz klar in Gewinner und
Verlierer trennen. Freudentänze nacheiner Wahl auf der Gewinnerseite
zeigen das deutlich. Das wiegt umso schwerer, je größer die
Minderheit der Verlierer ist.
Letztlich führt die "Demokratie" mit ihren Wahlkämpfen zur Spaltung
der Gesellschaft. Es gibt Bestrebungen, diese Demokratisierung auch
auf wirtschaftliche Prozesse auszuweiten. Hat dies in Unternehmen für
den Einzelnen doch den enormen Vorteil, bei einem Versagen nicht der
allein Schuldige zu sein und beieinem Erfolg am Glanz des Tüchtigen
partizipieren zu können. Allerdings besteht die Gefahr, dass mit
dieser "Demokratisierung" auch der Bazillus der Spaltung in ein
Unternehmen eingeschleppt wird.
Zu dessen Bekämpfung wurde von den beiden österreichischen
IT-Technikern Erich Visotschnig und Siegfried Schrotta, die sich bei
IBM kennenlernten, das "SK-Prinzip" entwickelt. Es geht dabei um den
"Systemischen Konsens". Statt der bei einer Wahl üblichen
Schwarz-Weiß-Entscheidung - oder den sonst üblichen schalen
Kompromissen -setzen die beiden auf Konsens. Es geht darum, Einwände
ernst zu nehmen. Es wird generell nicht FÜR einen Vorschlag
abgestimmt. Es hat vielmehr jeder Betroffene seinen WIDERSTAND GEGEN
die zur Wahl stehenden Vorschläge zu quantifizieren. Und zwar von 0
(kein Widerstand) bis 10(sehr großer Widerstand). Das ist ein
bedeutender Unterschied, zumal viele Menschen Schwierigkeiten haben,
dem Lösungsvorschlag eines Andersdenkenden zuzustimmen. Die aber
durchaus geneigt sind, einer Lösung einen niedrigeren Widerstandswert
zu geben, auch wenn sie von der "Opposition" kommt.
Dieses System lässt sich nicht nur auf die Willensbildung innerhalb
eines einzelnen Unternehmens, sondern auch auf die Zusammenarbeit von
Händlern, Händlerverbänden und Herstellern/Importeuren übertragen.
Schrottas Urteil: "Statt uns für jenen Lösungsvorschlag zu
entscheiden, der die meisten Befürworter hat, können wir jenen
wählen, der die wenigsten Gegner hat. Da Menschen immer dem Erfolg
nachjagen, orientieren sie ihr Verhalten auch in diesem Fall am neuen
Erfolgsprinzip und trachten daher, die Zahl der Gegner und ihre
Ablehnung zu verringern, um den ganzen Vorschlag durchzubringen. Dazu
müssensie die Anders-Denkenden verstehen und deren Interessen -so
gut es geht - in ihrem Vorschlag berücksichtigen".
Die Praxis zeigt, dass dies zu einer deutlich besseren Gruppendynamik
führt, von der alle Seiten profitieren. Es setzt allerdings voraus,
dass das hierarchische Denken, die Machtspiele und das Dominieren der
einen über die anderen in den Hintergrund treten (www.sk-prinzip.eu).
Selbstverständlich ist das SK-Prinzip nicht für alle Entscheidungen
anwendbar. Weshalb auch bei der nächsten BP-Stichwahl weiterhin die
Stimme des Dümmsten wahlentscheidend sein kann.