Das Internet hat Schadenabwicklung und Wrackthematik verschärft", weiß Hans Günther Löckinger, Geschäftsführer der Garanta Österreich: "Früher hat man im Schadenfall den unabhängigen Sachverständigen gehabt, der den regionalen Restbzw. Havariewert festgestellt hat. Danach wurde das Fahrzeug dem Zustand entsprechend verwertet. Heute lassen sich aufdem Onlinemarkt, zu dem mehr Anbieter Zugang haben, höhere Wrackpreise erzielen."

Zahl der Totalschäden nimmt zu

Dadurch steige automatisch auch die Anzahl wirtschaftlicher Totalschäden. Früher stellte sich weniger die Frage, ob repariert wird oder nicht. "Es wurde repariert!", so Löckinger. Für die Versicherungen wurden die Reparaturen immer mehr zum finanziellen Faktor, wie beim Versicherungsverband gelistete 800.000 Kasko-und 550.000 Haftpflichtschäden pro Jahr zeigen."Werden nur 10 Prozent dieser Schäden theoretisch nicht mehr repariert, weil es für den wirtschaftlich geschädigten Versicherer günstiger ist", rechnet Löckinger vor, "entgeht den österreichischen Werkstätten ein ordentliches Volumen."

Die schleichende Veränderung bekomme der einzelne Betrieb in der Regel nicht so mit. Bei Haftpflichtschäden, deren Abwicklung gesetzlich und durch die Rechtsprechung normiert sei, dürfen die gewerblichen Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert um 10 bis 15 Prozent überschreiten. Früher -ohne Wrackbörse -sei esweniger oft passiert, dass den Kunden geraten wurde, sich anstelle einer Reparatur ein neues Auto zu kaufen.

"In der Haftpflicht spielen der Restwert und auch die Entwicklung mit den Wrackbörsen nicht so die große Rolle für das Entscheidungskalkül Totalschaden oder nicht", so Dr. Wolfgang Pfeffer, Präsident der Sachverständigen SV-Union: "Denn der Versicherte kann auf die Reparatur bestehen." Im Kaskofall sehe dies aufgrund der freien Vereinbarungsmöglichkeit zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer anders aus: "Die Bedingungen der Versicherungsunternehmen sind einfach zu unterschiedlich", dies ließe auch Spielraum für unterschiedliche Einstufungen als Totalschaden.

So ist im Kaskofall der Totalschaden dann eingetreten, wenn die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert kleiner ist als die Reparaturkosten wären. Garanta empfehle nicht nur den Kfz-Betrieb als Experten für Mobilität, sondern überlasse bei Unfallreparaturen bis über 100 Prozent des Zeitwerts dem Kunden die Entscheidungsfreiheit, ob er sein Auto behalten wolle oder nicht.

"Viele Totalschäden sind künstlich gemacht", ist Komm.-Rat Friedrich Nagl, Bundesinnungsmeister der Fahrzeugtechnik, überzeugt. Ein großes Problem sieht Dipl.-oec. Andreas Westermeyer, Referent der Bundesinnung der Fahrzeugtechnik, darin, dass Kunden meist ungelesen AGBs akzeptieren: "Jeder unterschreibt jedenTag viele Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Kaskobedingungen halt einfach auch, gelesen werden sie aber nicht."

Kein Problem hat Westermeyer damit, dass heute Wrackbörsen digital funktionieren: "Früher war es halt mit Brief und Fax -und es hat länger gedauert, heute geht es schneller. Aber die Methode ist gleich geblieben." Nagl ist überzeugt, dass "unsere Mitgliedsbetriebe wissen müssen, dass hier zum Teil total irrelevante Zahlen drinnen sind, die mit dem Wiederbeschaffungswert nichts zu tun haben."

Wo sind die Autos hin?

Einzelfälle stark beschädigter Wracks, für die sehr hohe Preise bezahlt wurden, bestätigt der Präsident der Kfz-SV-Union: "Da hat es immer wieder die Überlegung gegeben, ob die Wrackkäufer nicht nur die Identität des Fahrzeuges wollten." Durch die Abfallregelung werde dies allerdings aufgefangen. Außerdem ließe sich mit seinem Tool zur Abfallprüfung eine nachvollziehbare Entscheidung darüber treffen, ob Wracks als Altfahrzeuge einzustufen seien. Wieso in Österreich weniger Fahrzeuge verschrottet werden, hinterfragt Nagl: "Wenn man einen Soll-Bestand von 4.841.073 Fahrzeugen und 80.000 geschredderten im Jahr 2011 hat und wir 5 Jahre später 5.024.256 Autos im Soll-Bestand haben, aber nur 59.900 im Schredder - wo ist die Differenz hin?" Löckinger bestätigt, dass die Schäden nicht weniger geworden seien. Doch ebenso überzeugt sei man, dass dies nicht die alten, sondern recht neueAutos seien.

"Selbst kalkulieren!", laute die Devise, ist die Expertenrunde einig: Auch wenn die Reparaturkosten bei neuen Autos nach Herstellerkosten zu kalkulieren seien, so biete zum Beispiel die Verwendung von Gebrauchtteilen oder der Verzicht auf dessen Lackierung veritable Potenziale, damit ein altes Fahrzeug nicht zum Totalschaden werde.

"Bei einem 2-jährigen Jungwagen die Lackierung nicht zu berechnen, ist natürlich unmöglich!", sagt Pfeffer. Wie auch Nagl empfiehlt der Sachverständige den Werkstätten, die Gutachten der Versicherung auf die Entscheidungsparameter zu überprüfen. Spielraum sehen die Fachleute beim Wiederbeschaffungswert: "Hat das Modell eine Sonderausstattung? Oder steht im Autopreisspiegel ein höherer Wert? Plötzlich darf repariert werden und die Werkstätte kommt zu einer Reparatur, die sie sonst gar nicht gehabt hätte."

Sachverständig zum Schadengutachten

Pfeffer istüberzeugt, dass die Werkstätten ordnungsgemäß kalkulieren, die Versicherungen sollen dies dann kontrollieren. Das sei für Versicherungen eine Möglichkeit, Geld zu sparen, meint Westermeyer und Pfeffer ergänzt, dass "sowohl Werkstatt, der Versicherungs-SV und der gerichtlich beeidete Sachverständige eigentlich zu einer gleichen Expertise kommen sollten".

Löckinger betont, dass "es für den Kfz-Betrieb heute bereits unerlässlich ist, sich nicht nur mit der Reparatur auseinanderzusetzen, sondern auch mit dem Vertrieb von Kfz-Versicherungen". Übersichtlichere Verträge wünschen sich Nagl und Westermeyer angesichts der größer werdenden Betätigungsfelder des Autohauses: Finanzieren, Abwickeln, Fahrzeuge transportieren, Leihwagen und Mietwagen-Service etc. Hier müssten auch die Chefs ihre Mitarbeiter schulen. Der Chef müsse den Mitarbeiter dort hinbewegen, wo der ROI (Return of Investment) am höchsten sei. Dabei seien aber auch die Provisionen der Versicherungen ein Thema, so Westermeyer. Die Frage laute: "Habe ich lieber 1 Prozent Prämie bzw. Vermittlungsprovision mehr oder bekomme ich den Reparaturauftrag?"