In einem mehr als 100-seitigen Dokument versuchen EU-Kommission und
Rat [2016/0014 (COD)] die Genehmigung und Marktüberwachung von
Kraftfahrzeugen und deren Bauteilen besser in den Griff zu bekommen.
Der VW-Skandal zeigt ja nicht nur Manipulationen hinsichtlich
gültiger Richtlinien auf, sondern vor allem auch die Unfähigkeit
staatlicher Kontrollorgane, Abweichungen von den Normen zu erkennen.
Betroffen sind die Fahrzeugkategorien M, N und O. Darunter versteht
man Fahrzeuge zur Personen-und Güterbeförderung samt Anhängern.
Einspurige Fahrzeuge und Zugmaschinen sind hingegen nicht involviert.
Die Absicht hinter dem Papier ist eine Ergänzung der gegenwärtig
gültigen Rahmenrichtlinie für Typengenehmigungen 2007/46/EU um
Instrumente der Marktüberwachung, eine Klärung von Rückrufverfahren,
Erweiterung von Genehmigungen, Verbesserung der Verfahren für
Typengenehmigung und Übereinstimmung der Produktion, Klärung von
Verantwortlichkeiten in der Lieferkette und Verbesserung von
Einzelgenehmigungen, Kleinserien und Mehrstufen-Typgenehmigungen.
Alles in allem also eine eierlegende Wollmilchsau, auf deren
Verwirklichung man gespannt sein darf.
Vorweg lässt sich feststellen, dass das eigentliche Problem, welches
heute eindeutig in der regelkonformen Programmierung und
Manipulationssicherheit von Software besteht, nur sehr zögerlich bzw.
unvollständig angesprochen wird. Zwar soll den Genehmigungsbehörden
und technischen Diensten Zugang zur Software und den Algorithmen des
Fahrzeugs ermöglicht werden, aber ohne die Fähigkeiten der
Angesprochenen herunterspielen zu wollen, wird das ohne detaillierte
Bestimmungen kaum funktionieren.
In einer Zeit, wo gravierendeÄnderungen an der Funktionsfähigkeit
wichtiger Fahrzeugkomponenten per Laptop jederzeit von außen möglich
wären und auch in Sekundenschnelle wieder in den Originalzustand
rückgeführt werden können, dürften die bürokratischen Methoden
technischer Überwachung an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stoßen.
Noch eine Bemerkung am Rande: Eine etwas intelligentere Verfeinerung
von Manipulationssoftware ist zu erwarten, denn der bisherige Ansatz
war doch eher plump.
Einen Teil ihres Glaubensbekenntnisses glaubt die Kommission bereits
in ihrem 2012 veröffentlichten Papier CARS 2020 festgeschrieben zu
haben. Dort ist zu entnehmen, dass die Kommission vor 2014 bereits
Vorschläge zur Kontrolle der Emissionen beim Betrieb machen wird.
Eine echte Kontrolle beim Betrieb hieße eigentlich eine Überwachung
im Verkehr, davon sind wir noch meilenweit entfernt. Wobei fürs Erste
schon genügen würde, die sogenannten optischen Stinker, d. h. solche
mit einer nicht zu übersehenden Rauchwolke hinter sich, aus dem
Verkehr zu verbannen. Beim Lärm ist es ziemlich ähnlich, auch hier
sind den Kontrollorganen die Hände gebunden.
Wohl ahnt die Kommission, dass mit dem Aufbau einer zusätzlichen
Bürokratie für Marktüberwachung auch Kosten verbunden sein werden,
offensichtlich rechnet man aber nur mit den der EU erwachsenden
Kosten. So lassen sich relativ einfach Bedingungen für technische
Dienste und deren Überwachung, welche hierzulande bereits unterhalb
des Minimums agiert, aufstellen. Eigene Marktüberwachungsbehörden mit
Zugriffsmöglichkeiten bis in die Grundstücke von
Wirtschaftsteilnehmern sollen aufgebaut werden. Da stelle ich mir
bildlich vor, wie der Herr Kontrolleur einem kleinen
Reparaturbetrieb, der schon gar nichts mit Manipulationen zu tun hat,
ungeheuer auf die Nerven geht. Prüfungen sollen zwar normalerweise an
neuen Fahrzeugen durchgeführt werden, aber im Einvernehmen mit dem
Fahrzeughalter (einige Querulanten finden sich) können auch
zugelassene Fahrzeuge drankommen. Über allem thront die EU, welche
auch ein Forum für Informationsaustausch über die Durchsetzung
einrichtet. Händler, die meinen Fahrzeuge oder Bauteile davon würden
nicht der Verordnung entsprechen, haben sich an den Hersteller (!) zu
wenden.
Weitere Kapitel befassen sich mit dem Zugriff auf OBD-Informationen,
den technischen Diensten, aber auch den Genehmigungsbehörden, welche
alle zwei Jahre durch Behörden anderer Mitgliedstaaten überprüft
werden (!). Wie man sieht, auf nichts wurde vergessen -mit Ausnahme
des tatsächlichen Problems.