Am Weg zum effizientesten Vertriebssystem Europas sind schon einige
VW-Partner auf der Strecke geblieben. Zuletzt erwischte es Robert
Silha in Wien-Döbling. 1982 hat er den VW-Betrieb übernommen. 30
Jahre später wurde sein Vertrag gekündigt. Am 16. Juni 2015 wies der
Oberste Gerichtshof seine Kündigungsanfechtung endgültig ab
(4Ob255/14z). Zwei Wochen später wurde der Konkurs eröffnet und das
Unternehmen geschlossen.
Für die Porsche-Gruppe ist die Sache gut gelaufen. Ihr hat der von
lauter Standorten von Porsche Inter Auto (PIA) umzingelte "private"
VW-und Audi-Markenbetrieb Silha schon lange nicht mehr ins Konzept
gepasst. Schon vor der Jahrtausendwende hatten die Porsche-Planer der
Familie Weilguni ihre zwei Betriebe im 19. Bezirk und in
Klosterneuburg abgekauft. Anschließend machten sie dem
verkaufswilligen Ehepaar Gerstinger klar, dass deren alteingesessene
Betriebe in Wien-Leopoldau und in der Prager Straße nicht extern,
sondern nur an Porsche verkauft werden können. Ein "Rat", den die
Gerstingersdann auch befolgten. Für die Porsche-eigenen Betriebe im
Norden Wiens war Silha als Partner der im Süden Wiens operierenden
(unabhängigen) Liewers-Gruppe mit seiner Kundendatei von rund 3.500
Adressen somit ein ungeliebter Fremdkörper. Man wollte die Kunden zur
Auslastung der eigenen Betriebe gern an Land ziehen.
Kundenzufriedenheit war ausschlaggebend
"Direkt hat das keiner ausgesprochen. Sie haben immer nur gefragt,
wann ich in Pension gehe", schildert Silha die Ouvertüre seines
Kündigungsdramas. Eng wurde es für ihn, als er sich auch mit 65 noch
nicht in die Pension verabschieden wollte. "Da braucht man ja noch
kein alter Hund zu sein", sagt er: Denn er plante, das Unternehmen
einem Mitarbeiter zu verkaufen. Mit 15 Hebebühnen, Bremsenprüfstand
und Diagnosegeräten, einem Reifendepot für 400 Garnituren und einer
eingespielten Mannschaft von 19 Mitarbeitern wäre das bei der
vornehmlich kaufkräftigen Klientel zu schaffen gewesen. Was aber
nicht im Interesse von Porsche Wien-Nord lag.
"Dass die mich dort weghaben wollten, war mir klar", sagt Silha. Er
verließ sich bei der ihm vorschwebenden Betriebsübergabe
-einschließlich der Markenverträge -auf den in der Kfz-Branche
geltenden Kündigungsschutz für Vertragswerkstätten. "Die Standards
haben wir erfüllt; da können sie uns nicht kündigen", interpretiert
er aus seiner Sicht die damals geltende EU-Rechtslage.
Die Konzernjuristen sahen das anders. Für sie war die sogenannte
"Kundenzufriedenheit" ein geeigneter Hebel, um Silha loszuwerden. Sie
warfen ihm vor, am unteren Ende der von ihnen erstellten Skala zu
sein. Mangelnde Kundenzufriedenheit sei als Vertragsverletzung zu
werten. Am 13. Juli 2010 flatterte ihm deshalb eine Kündigung per 31.Juli 2012 ins Haus. Worauf die Liewers-Leute kalte Füße bekamen und
ihm die Partnerschaft aufkündigten.
Wer hat sich eigentlich beschwert?
Doch Silha wollte sich nicht geschlagen geben. Statt Liewers war Dr.
Josef Lamberg -einer der wenigen in Wien unabhängig gebliebenen
VW-Händler -bereit, seinen Markenkollegen zu unterstützen. Silha
stellte beim Landesgericht Salzburg den Antrag, dass der Importeur
den Servicevertrag auch nach 2012 einhalten muss. Die Nichterfüllung
von Standards sei kein Kündigungsgrund, wenn diese Standards unbillig
und zum überwiegenden Nutzen des Herstellers gestaltet wurden. Der
Kartellrechtsexperte Dr. Norbert Gugerbauer argumentierte, dass die
Kündigung durch die marktbeherrschende Porsche GmbH&Co OG daher
unsachlich und missbräuchlich erfolgt sei.
"Ich konnte nie die Kunden eruieren, die sich angeblich beschwert
haben", sagt Silha, der auch bei Gericht dazu keine Auskunft bekam.
"Erst 2012 wurde das umgestellt. Ab dann wurden den Händlern die
Beschwerdeführer bekannt gegeben." Plötzlich sah sich Silha dank
dieser Transparenz im Mittelfeld der Zufriedenheitsskala.
Bei der Justiz half ihm dies nichts. Das Oberlandesgericht Linz fand,
der Kündigungsgrund der "mangelnden Kundenzufriedenheit" sei objektiv
nachvollziehbar und die Kündigung damit wirksam; nachfolgende
Anstrengungen des Klägers seien unbeachtlich, weil wegen der
Vertragsfreiheit des Lieferanten keine Verpflichtung bestehe, die
Kündigung zurückzunehmen. Mit der Folge,dass Silha 2012 die VW-und
Audi-Zeichen abmontieren musste. "Danach ist es immer weniger
geworden." Denn seine Kunden mussten in Wien nur um die Ecke zu
fahren, um beim nächsten PIA-Betrieb zu landen. "Als freie Werkstatt
hast du in unserer Größe keine Chance. Der Fremde kennt uns nicht,
die anderen kommen dann nicht mehr." Silha nutzte auch seine
Spezialisierung auf die vier Konzernmarken nichts. Letztlich blieben
auch die kartellrechtlichen Einwände gegen die Kündigung -die
PIA-Betriebe haben bei den VW-Audi-Skoda-Seat-Geschäften im Großraum
Wien einen Marktanteil von 70 Prozent -erfolglos. Der OGH entschied,
dass auf den vorliegenden Sachverhalt nicht mehr die Kfz-GVO
1400/2002, sondern die Kfz-GVO 461/2010 anzuwenden sei.
In dieser ist die Schutzvorschrift der ausführlichen Begründung der
Kündigung nicht mehr enthalten. Das einen ähnlichen Schutz
bescherende "Kraftfahrzeugsektor Schutzgesetz" komme nicht zum
Tragen, da es erst nach der Kündigung wirksam wurde. Die von
Gugerbauer begehrte Anfrage an den Europäischen Gerichtshof sei "auf
Grund offenkundigrichtiger Anwendung des Gemeinschaftsrechts
entbehrlich".
Außer Schulden blieb nichts übrig
"Früher hat"s halt immer geheißen: Wennst deine Arbeit gut machst,
bleibst dabei", sagt Silha. Seine Versuche, nach der Kündigung
Nachfolger zu finden, sind gescheitert. Von seinen Investitionen für
die vom Importeur vorgeschriebenen Standards sind ihm nur noch
Schulden verblieben, für die er alsEinzelunternehmer persönlich
haftet. Die resignierende Bilanz von Silha nach 30 Jahren
Markentreue: "Früher wollte ich reisen und hatte dafür keine Zeit.
Jetzt hab" ich Zeit, aber kein Geld." (KNÖ)