Wer in einem internationalen Konzern arbeitet, muss ständig damit rechnen, anderswo eingesetzt zu werden -vor allem dann, wenn man ein so kompetenter Techniker ist wie Dipl.-Ing. Rudi Spieß. Schon bevor er im Mai dieses Jahres zum Generaldirektor des Motoren-und Getriebewerkes in Wien- Aspern bestellt wurde, koordinierte der 52-jährige Deutsche 63 GM-Werke in 21 Ländern. "Neben Europa auch in Japan, China, Usbekistan, Mexiko, Argentinien und Kanada", erzählt Spieß.

Daher wusste der Manager auch, was ihn in Wien erwartete: "Einige Dinge, die in Wien stehen, habe ich mit zu verantworten." Doch die Hoffnung, nach Jahren des exzessiven beruflichen Reisens einmal ein paar Jahre an einem Ort zu verbringen, währte nur kurz. Schon Anfang September ereilte Spieß der Ruf aus Rüsselsheim. Dort suchte man einen Executive Director Manufacturing Engineering -also einen Mann, der die Verantwortung für sämtliche GM-Werke am Kontinent tragen sollte.

Großes Lob für den Wiener

Standort Spieß sagte zu und übersiedelte nach Deutschland. Eine Entscheidung, die ihm schwer fiel: "Es ist ein tolles Werk, das im GM-Konzern wunderbar da steht", hatte er die Fertigungsstätte im 22. Wiener Gemeindebezirk noch kurz vor seiner Abreise gelobt. Seit das Werk an einem kühlen, verregneten Tag imOktober 1982 eröffnet wurde, wurden hier mehr als 13 Millionen Motoren und 22 Millionen Getriebe gefertigt. Und auch heute noch ist Wien der größte Powertrain-Standort von General Motors weltweit.

Neben der Qualität sei Wien auch bei der Produktivität im GM-Konzern "ganz, ganz vorn mit dabei", meint Spieß: "Das wird an der Zeit gemessen, die man für einen Motor bzw. ein Getriebe braucht. Und da hat Wien Taktzeiten von 24 Sekunden pro Motor." Dadurch gebe es in Aspern die Möglichkeit, bis zu 800.000 Stück pro Jahr zu bauen. So erreichte Wien im Vorjahr als einer der wenigen PowertrainStandorte den "Built In Quality Level IV". Mit der heutigen Motorenstrategie und -vielfalt würde man ein so großes Werk nicht mehr bauen, sagt Spieß: "Aber es bringt auch die nötige Effizienz. Außerdem sind Getriebe ja flexibler: Sie werden nicht so häufig umdesignt wie ein Motor."

Spieß nutzte die wenigen Monate in Wien für eine weitere Modernisierung des Standorts aus; über den Sommer wurde eifrig an der Montagelinie geschraubt: Schließlich startet Mitte 2016 die 3. Generation des M20-Getriebes. Dabei handelt es sich um ein manuelles Getriebe mit 200 Nm Drehmoment. "Bei derM32-Produktion geht Wien auf M35, erhöht also von 320 auf 350 Nm", sagt Spieß. Dieses Getriebe stamme noch aus der seinerzeitigen Kooperation mit Fiat, so blieb auch das M in der Bezeichnung erhalten.

Daneben wird in Wien weiterhin das F17-Getriebe gefertigt, also ein Getriebe für 170 Nm. Insgesamt wurden bzw. werden in die Umstellung 110 Millionen Euro investiert. Die Montagelinie wurde heuer für 7 Wochen stillgelegt, neu ausgerichtet und wieder zusammengebaut. Außerdem startete im Sommer die Produktion des F17-Getriebes mit Halbautomatik.

Neuer Werksdirektor in Wien kommt aus Ungarn

Dass das Werk immer internationaler wird, zeigt ein Blick auf die Weltkarte: Seit Juli liefert Wien auch nach Argentinien und Mexiko, weiters in die USA, nach Brasilien, Indien, China, Korea, Australien, Thailand, Indonesien und Südafrika.

Bei den Stückzahlen liegt das Wiener Werk heuer um ca. 3 Prozent hinter dem Vorjahr, wobei die Zahlen unterschiedlich sind: Die Zahl der Motoren sank heuer bis zur Jahresmitte um 50.000 auf etwa 300.000 Stück, hingegen gab es beim F17-Getriebe ein Plus von 70.000 Einheiten auf 300.000 Stück. Vom M20/M32-Getriebe wurden in diesem Zeitraum etwa 200.000 Stück produziert.

Das leichte Minus ist vor allem auf die Kurzarbeit in Rüsselsheim und Eisenach zurückzuführen, die aufgrund des Rückzugs von Opel aus dem Russland-Geschäft notwendig wurde. "Abgefedert" wurde der Rückgang durch Abschlussbestellungen eines Getriebetyps, der demnächst ausläuft. Diese Getriebe werden bei den Bestellern auf Lager gelegt, da es ja Garantiezeiten von 10 Jahren gibt. Nicht zuletzt dadurch blieben auch die Auswirkungen auf die Belegschaft minimal: Im Schnitt waren in Wien 1.800 Mitarbeiter beschäftigt, das ist gleich wie im Vorjahr.

Nachfolger von Spieß ist seit 1. Oktober Dipl.-Ing. Tamás Solt: Der Ungar leitete bisher das Motorenwerk in Szentgotthárd, nur wenige Kilometer von der österreichischen Grenze bei Heiligenkreuz entfernt. Dort wurde in den vergangenen Jahren ebenfalls kräftig investiert, unter anderem läuft dort die neue 3-Zylinder-Motorengeneration vom Band.