Mit 931.700 Besuchern wurde auf Europas wichtigster Auto-Messe heuer ein Plus von 6 Prozent im Vergleich zu 2013 erzielt: Stolz sind die Veranstalter auch darauf, dass das Durchschnittsalter der Besucher von 37 auf 34 Jahre gesunken ist. Ausgezahlt hat sich der Besuch trotz des teils beängstigenden Gedränges auf alle Fälle, denn auf der IAA wurden heuer von 1.103 Ausstellern aus 39 Ländern 219 Weltpremieren gezeigt, das sind immerhin 60 Neuheiten mehr als vor 2 Jahren.

Neben den Gesprächen mit Marktteilnehmern aus Österreich hatten wir wieder zahlreiche Interviews mit internationalen Automanagern. Eine Kurzversion davon lesen Sie auf den nächsten Seiten; in voller Länge finden Sie die Interviews in der wöchentlich erscheinenden "AUTO-Information".

Bentley: Exklusivität ist weiter wichtig

Auf längere Wartezeiten einstellen müssen sich jene Kunden, die das neue Modell von Bentley-das edle SUV namens Bentayga -kaufen wollen. Laut Vertriebschef Kevin Rose erwartet man sich zumindest 3.500 Verkäufe pro Jahr. Wenn das Auto später auch in einer Hybrid-Version sowie mit einem Dieselmotor erhältlich sein wird, sollen es noch mehr werden. Freilich werde auch der eine oder andere bisherige Fahrer eines Flying Spur oder Continental auf einen Bentayga wechseln: "Viele werden es aber nicht sein. Denn ein durchschnittlicher Bentley-Fahrer hat sechs bis acht Autos. Der will den Bentayga zusätzlich zu den anderen." Eine Grenze des Wachstums gibt es für Rose nicht: "Wenn wir jetzt 11.000 Einheiten pro Jahr in einem Weltmarkt von 70 Millionen Fahrzeugen verkaufen, ist das sehr exklusiv. Und wenn es später 15.000 Stück sein werden, ist es immer noch exklusiv. Diese Exklusivität verliert man erst, wenn jemand zu viele Continental in einer Straße sieht."

Borgward: Europa-Marktstart erst 2018

Durch das Wissenüber den Heimmarkt China will Borgward mit dem Modell BX7, dem ersten Borgward nach 53 Jahren, "im gigantisch wachsenden SUV-Segment" starten: "Zunächst in China mit einer Kombination von Mehrmarkenhändler-und Onlinevertrieb, um relativ rasch viel Volumen zu machen", sagt Vorstandsvorsitzender Ulrich Walker. Er plant den Start von Borgward neu, positioniert als "leistbare Premiummarke" im anspruchsvollen Markt Europa, der "für kleine Volumina hohe Investitionen erfordert", nach sorgfältiger Vorbereitung für 2018.

Hyundai: "Billig reicht nicht mehr"

Unter der Führung von Thomas Alexander Schmid fährt Hyundai in Europa auf Rekordkurs. "Das Gesamtjahr wird mit Sicherheit das beste Jahr, das wir jemals hatten", sagt der Österreicher, nachdem in den ersten 8 Monaten eine Steigerung um 9 Prozent auf rund 294.000 Verkäufe erzielt wurde. Ende Dezember sollenmindestens 450.000 in den Büchern stehen. Bis 2020 soll mit rund 700.000 Einheiten nicht nur ein Marktanteil von knapp 5 Prozent, sondern auch die Position der stärksten asiatischen Marke in Europa erreicht werden. Parallel ist Schmid die Weiterentwicklung der Markenwahrnehmung ein wichtiges Anliegen: "Einfach billig zu sein, reicht heute nicht mehr aus. Daher positionieren wir uns mit "Modern Premium" als Anbieter von Premiumqualität, die sich jedermann leisten kann."

Infiniti: Kundenwünsche differieren global kaum

Dass die Wünsche der Kunden weltweit gar nicht so weit auseinandergehen, sagt François Bancon, Vorstand für Produktstrategie bei Infiniti: Das gelte auch für die Altersstruktur. Natürlich priorisiere die Marke Crossovers, bediene aber auch Käufer von Limousinen, die "seit 50 Jahren dasselbe wollen". DerQ50 sei als Nummer 1 bei den Verkäufen ein Kernprodukt der Marke. Infiniti kombiniere nicht nur die Online-Konfiguration mit dem Vertragsabschluss im Händlerbetrieb, sondern synchronisiere die Trends, die sich dabei herauskristallisieren, mit dem Produktionsfluss.

Jaguar hofft auf den neuen F-Pace

Produktseitig sei Jaguar noch nie so gut aufgestellt gewesen wie jetzt, sagt Finbar McFall, Product Marketing Director von Jaguar Land Rover: "Heuer wollen wir zum ersten Mal mehr als eine halbe Million Fahrzeuge absetzen." Was 2016 mit dem neuen SUV namens F-Pace möglich sein wird, will McFall nicht im Detail skizzieren: "Aber dieses Auto wird uns sicher viel zusätzliches Volumen bringen. Das wird ähnlich laufen wie seinerzeit beim Range Rover Evoque, der uns 85 bis 90 Prozent an neuen Kunden gebracht hat." McFall glaubt jedenfalls nicht, dass bisherige Land Rover-Käufer zu Jaguar wechseln werden: "Die Modelle sind zu unterschiedlich. Und der Markt ist groß genug für alle." Klar ist, dass die Fabriken in England dieses zusätzliche Volumen auf Dauer nicht schaffen werden: Doch noch sei zu früh, darüber zu sprechen, welches Auto -wie fix vereinbart -bei Magna in Graz vom Band laufen wird.

Jeep: Renegade hat Karten neu gemischt

"Der Renegade hat für uns die Karten neu gemischt", sagt Steve Zanlunghi, Chef von Jeep in der EMEA-Region: "In den Verkaufszahlen, in Europa und was die Abgaswerte betrifft." Früher seien die Autos von europäischen Kunden wenig angenommen worden, nun habe Jeep ein Einsteigermodell. "Fiat hat uns bewusst gemacht, wie wichtig CO 2-Werte in Europa sind und mit ihrer Engineering-und Fertigungserfahrung gezeigt, wie man ein für die Bestimmungen passendes Auto macht. Vor dem Fiat-Merger haben wir bei Jeep CO 2 nicht in Gramm, sondern in Kilogramm gemessen!", scherzt er.

Kia: Marktwachstum wird sich fortsetzen

"Die gute Nachricht ist, dass der Markt in den EU-Ländern heuer wieder wächst", sagt Michael Cole, Europachef von Kia: "Er ist besser, aber auch aggressiv und aktionsgetrieben." Das gelte vor allem für den Flotten-,aber auch für den Privatmarkt. Cole geht auch in den kommenden Jahren von weiterem Gesamtmarktwachstum aus. Kia, im Privatmarkt stärker als seine Konkurrenz, verfolge auch künftig mit Autos, die in Europa entstehen, weiterhin die Strategie qualitativen Wachstums. Er kündigte neue Hybridmodelle an, von denen das erste noch dieses Jahr erscheinen soll.

Magna Steyr: Auslastung von Graz steigt

Günther Apfalter, President von Magna Europe/Magna-Steyr, geht für 2017 von einer Zunahme der Werksauslastung und 2.000 zusätzlichen Mitarbeitern aus. Grund sei ein "Piano von Neuanläufen", während heuer der Peugeot RCZ und nächstes Jahr der Mini auslaufe. "Ganz Europa"(außer Österreich) komme für ein neues, 2. Magna-Steyr-Werk infrage -außer Polen und Ungarn soll zuletzt auch ein Projekt in Bulgarien geprüft worden sein. Verstärken wolle man auch die Aktivitäten im Bereich Elektrik und Elektronik -Connectivity und Autonomes Fahren, für den 2.400 Ingenieure arbeiten.

Mercedes: ehrgeizige Pläne

"Es gibt eine größere Diskrepanz zwischen der Nachfrage der Kunden nach Elektromobilität und der Notwendigkeit, mit einem gewissen Anteil an elektrisch angetriebenen Fahrzeugen die Emissionsvorgaben zu erfüllen", skizzierte Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender von Daimler, eine der aktuellen Herausforderungen.Doch immerhin verkaufen sich zumindest die Plug-in-Hybride besser, als man es bei Mercedes selbst erwartet hätte. 2017 sollen zudem erste Brennstoffzellenfahrzeuge auf den Markt kommen -aufgrund der vorerst fehlenden Infrastruktur freilich nur für "spezielle Kundengruppen", wie Zetsche einschränkt. So nähert sich Daimler dem mittelfristigen Ziel: "Am Ende des Jahrzehnts wollen wir nicht nur bei Profitabilität und Image, sondern auch beim Volumen die Nummer 1 der Premiumhersteller sein."

Nissan: führend bei Crossovers und Elektroautos

Im Jahr 2009 erzielte Nissan in Europa 2,7 Prozent Marktanteil, 2014 waren es bereits 4,2 Prozent -und ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht, wie Europachef Paul Willcox in Frankfurt unterstrich: "Im 1. Halbjahr 2015 haben wir mit einer Steigerung um 9 Prozent auf 501.150 Einheiten einen neuen Rekord erzielt." Nissan profitiert unter anderem davon, dass man beim Crossover-Boom von Anfang an die Nase vorn hatte. "Gemeinsam erzielen Juke, Qashqai und X-Trail rund 500.000 Verkäufe pro Jahr. Damit sind wir die klare Nummer 1 bei Crossovers", so Willcox. Auch bei Elektroautos ist Nissan mit dem Leaf ein Pionier -eine Leistung, die sich nach der Reichweitensteigerung auf 250 Kilometer auch in besseren Absatzzahlen niederschlagen sollte. Immerhin: Weltweit ist der Leaf mitknapp 200.000 Stück schon jetzt das meistverkaufte Elektroauto.

Renault-Nissan: Allianz mit klaren Zielen

Wer hätte sich am Höhepunkt der Wirtschaftskrise vorstellen können, dass Carlos Ghosn, CEO von Renault-Nissan, den europäischen Automarkt einmal als "angenehme Überraschung" bezeichnen würde? Genau das war in Frankfurt der Fall. "Im Gesamtjahr gehen wir in Europa von 7 bis 8 Prozent Marktzuwachs aus", so Ghosn. 2016 werde die Aufholjagd weitergehen, wenngleich das Wachstum mit ungefähr 2 Prozent geringer ausfallen dürfte. Anhaltend optimistisch ist Ghosn auch für die USA, während in Russland und Brasilien vorerst keine Erholung absehbar ist. "Nicht überrascht" ist der Konzernchef von deraktuellen Situation in China: "Es kann doch niemand angenommen haben, dass es dort bis in alle Ewigkeit zweistellige Zuwächse geben wird." Das strategische Ziel von Renault-Nissan ist es, von der derzeitigen Position als viertgrößter Autobauer unter die Top 3 vorzustoßen.

Seat: SUV mit Spaniens Temperament

"Derzeit sind wir einer der am schnellsten wachsenden Volumenmarken in Europa", freut sich Dr. Andreas Offermann, Vertriebs-und Marketingvorstand von Seat,über das bis Ende August erzielte Absatzplus von 6,8 Prozent. Im Gesamtjahr sei von ähnlich hohen Zuwächsen auszugehen. Österreich hat für Offermann nach wie vor Vorbildcharakter: "Dass hier rund 4,5 Prozent Marktanteil erzielt werden, ist eine tolle Leistung, wenn man bedenkt, dass wir im europäischen Durchschnitt bei 2,5 Prozent liegen." In den nächsten 3 Jahren müsse auf europaweiter Ebene "die Marschrichtung zu 3 Prozent oder darüber hinaus" gehen. Dazu setzt Seat auf eine SUV-Offensive, wobei ein Modell in der Klasse des VW Tiguan Mitte 2016 den Anfang machen wird. "Mittelfristigwird es bei Seat eine komplette SUV-Familie geben."

Suzuki peilt weiteres Wachstum an

Mit 35.000 Stück werde der neue Baleno zum jährlichen Absatz von Suzuki in Europa beitragen, meint Yoshinobu Abe, President von Suzuki Europe: Heuer liegt der Hersteller vor allem dank der neuen Modelle Celerio und Vitara bereits um rund 10 Prozent über dem Absatz des Vorjahres.

Das nächste neue Modell - die endgültige Version der heuer in Genf gezeigten Studie iM-4, wird schließlich in Genf 2016 präsentiert. Pläne, den schon etwas in die Jahre gekommenen Jimny neu aufzulegen, gebe es zwar, sagt Abe -doch noch keinen genauen Zeitplan. Hingegen kommen auf die Händler, auchauf jene in Österreich, in den kommenden Jahren Veränderungen bei ihren Schauräumen zu: "Wir wollen die Wahrnehmung von Suzuki verstärken", erklärt Abe: "Aber das wird die Händler nicht so stark betreffen."

Lukrative Premiumkunden

Der (kurz nach dem Interview an die Seat-Spitze gewechselte) Audi-Vertriebsvorstand Luca de Meo hofft auf das 19. Rekordjahr für die Marke und geht von etwa einer Drittelung des globalen Premiummarkts zwischen Audi und den beiden deutschen Wettbewerbern aus. De Meo erwartet die Durchsetzung rein elektrischer Fahrzeuge, "wenn sie keinen Kompromiss im Gebrauch mehr erfordern und punkto Kosten mit Diesel oder Benzin konkurrieren können". Steigende Verkäufe der Plug-in-Hybride bestätigten die Strategie von Audi punkto rein elektrischen Fahrens. Damit Audi eine Premiummarke bleibe, biete die Marke nur Kunden, die etwas mehr zu bezahlen bereit seien, auch entsprechende Formen von Carsharing an.

Luca de Meo, zum Zeitpunkt des Interviews noch bei Audi

"Hybridanteil wird steigen"

"Wir wachsen seit fünf Jahren, haben zuletzt in Europa einen Marktanteil von 4,8 Prozent erzielt und sind vor allem profitabel", freut sich Karl Schlicht, Vice President für Verkauf und Marketing bei Toyota Europe. Der japanische Hersteller will seine Hybridisierung fortsetzen: "Beim Yaris beträgt der Hybridanteilschon 35, beim Auris sogar 50 Prozent." Viel verspricht sich Schlicht vom neuen Prius: "Er ist das erste Auto einer neuen Plattform. Wir haben die ganze Technik verändert, sodass es nun mehr Platz im Innenraum und viel mehr Möglichkeiten für die Designer gibt." Nun wird auch der RAV4 als Hybrid angeboten.

Karl Schlicht, Marketing-und Vertriebschef Toyota Europe

Schwarze Zahlen als Ziel

Der neue Astra stand im Mittelpunkt des Messeauftritts von Opel. Karl-Thomas Neumann, Vorsitzender der Geschäftsführung, ist trotz der in diesem Segment besonders harten Konkurrenz zuversichtlich. Auch die im 1. Halbjahr erzielte Marktanteilssteigerung auf 5,9 Prozent, obwohl sich Opel vom ehemals wichtigen russischen Markt zurückzieht, stimmt Neumann optimistisch: "Unser mittelfristiges Ziel lautet ganz klar, bis 2022 von der Nummer 3 in der EU zum zweitstärksten europäischen Fahrzeughersteller zu werden." Neben den Verkäufen hat man bei Opel die Profitabilität im Fokus. Schließlich gilt nach wie vor der Plan, 2016 schwarze Zahlen zu schreiben. Dies gelinge durch höhere Ausstattungsniveaus, außerdem achte man streng auf die Materialkosten und habe durch die Schließung des Standorts Bochum sowie Einsparungen in den weiteren Werken die Fixkosten reduziert.

Karl-Thomas Neumann, Opel