Es sind 3 wichtige Gründe, die die Reorganisationsbestrebungen der Öl-Lobby vorantreiben: Strengere Normen sind ebenso zu nennen wie die Lust der Fahrzeughersteller, die Schmierstoffmargen selbst abzuschöpfen (Stichwort Genuine Oil), und der Verfall des Rohölpreises speziell in Europa. Dieser Markt wird in den Augender Majors als gesättigt und ohne nennenswertes Wachstumspotenzial angesehen.

Was tun, wenn plötzlich der Upstream (also die Rohölförderung) durch die OPEC die Preise auf Talfahrt schickt und alle bisherigen Gewinner auf zugegeben hohem Niveau leiden lässt? Und wenn gleichzeitig der Downstream (Tankstellen, Raffinerien, Schmierstoffe, Gas ) zwar funktioniert, aber durch den Verdrängungswettbewerb und die rückläufigen Mengen in Europa stagniert und durch degressive und personalintensive Kosten wie Eis in der Sonne dahinschmilzt? Da holen alle bekannten (und allgemein überbewerteten) Beratungsgurus zum großen Kostenkahlschlag und einem Zentralisierungs-und Distributor-Szenario mit ostlastiger und vermeintlich kostengünstiger Prägung aus.

Schlagwörter wie Key-Account-Betreuung und Pareto-Analysen werden von theoretisch genialen Universitätsabsolventen in den Ring geworfen und von obrigkeitshörigen Managern mit ebenso großem Erfolgs-und Kostendruck als Lösung und langfristige Strategie propagiert.

Ob dadurch nicht eher eine frustrierte Kfz-und Autozulieferindustrie in der Betreuungswüste mit teilweise noch Ego-getriebener Selbstdarstellung im Überlebenskampf nach Luft ringend übrigbleibt, um dann zur finalen Treibjagd und zum Kannibalismus zu blasen, bleibt abzuwarten.

Hier ist zu hinterfragen, ob der vermeintliche Klassenkampf zwischen Fachwerkstätte, freier Werkstätte und Do-it-yourself-Verfahren mit den gegenseitigen Preisangriffen auf Dauer zielführend ist. Der Endkonsument -der Autofahrer -folgt unter dem wirtschaftlichen Druck zunehmend der günstigeren Route, wenn er nicht von anderen interessanten Angeboten und Beratung geleitet wird. Und die Generation der Internetjünger ist schneller mit dem Finger im WWW als an der Geldbörse. Dies sollten alle handelnden Marktteilnehmer erkennen und mit einbeziehen.

Spannende Zeiten auch inÖsterreich

Betrachten wir einmal den Mikrokosmos der Alpen: Während sich hierzulande ehemalige Größen wie Mobil und Shell bereits in das Händlerdasein mit gelegentlichem Aufflackern geflüchtet haben, die Österreicher mit Verantwortung ihr Schmierstoffhobby in der Lobau an Lukoil vertickt haben und hoffen, dass der russische Bär in Westeuropa sowohl Bühne wie auch Ertrag findet, hört man aus der Zentrale des lokalen Primus der Briten mit der lokalen Hausmacht Castrol und in Hamburg die nächste Reorganisationswelle mit großen Schritten auf den heimischen Markt zurollen.

Agip hat sich im Gleichklang mit dem Mutterkonzern ENI einem Effizienz-und Rebranding-Programm verschrieben und konzentriert sich nach Berichten aus Italien mehr auf profitable Geschäfte. So will ENI ehemalige Paradekunden und klangvolle Großprojekte mit zu geringen Margen anderen überlassen oder massiv im Ertrag für sich selbst verbessern. Die Pariser Schmierstoffpatrioten sind im "Total"en Umbau nach der Annektierung der deutschsprachigen Schweiz inklusive Umzug und Aufstockung etwas aus dem Takt und haben im eigenen Umfeld mit einem namhaften Großabnehmer im Süden ihre liebe Ertragsnot und Daseinsberechtigung neben dem großen Bruder in Deutschland.

Auch die Schweizer Eidgenossen der Motorex bemühen sich zusehends wieder um ihren Nachbarmarkt: Getrieben von heimischen Auslastungsproblemen im Werk in Langenthal werden selbst von anderen Größen abgetretene Teilevertriebler beglückt, um ein Mengengerüst nebst dem guten KTM-Engagement in den Markt zu stemmen. Nicht zuletzt sind die umtriebigen Saarländer namens Liqui Moly der Hecht im Karpfenteich, der aber zunehmend an die preislichen und die Glaubwürdigkeitsgrenzen im Mehrfachbefruchtungssystem stößt. Da ist die medienwirksame Ski-WM-Werbung hart an der Grenze zu Nutzen und Wirkung.

Neue Mitspieler versus langgediente Teilnehmer

All dies ruft gleichzeitig den einen oder anderen neuen Spieler auf den Plan: Jüngst versucht nun Petronas, auch die nahestehenden Werkstätten in der Alpenrepublik mit großer Motorsporterfahrung und weniger Eigenertrag von den asiatischen Qualitätsschmierstoffen zu überzeugen. Andere Nischenhechte wie Fuchs, Eurolub, Motul, Evva, Mapo, Gasoline etc. wollen ebenfalls ihrenTeil vom Kuchen rund ums Auto zu erhaschen.

Was das für die Zukunft bedeutet? Der deutsche Verband der Schmierstoff-Industrie (VSI) hat Ende vergangenen Jahres eine Studie unter dem Titel "Schmierstoffmarkt Kundentrends 2025" von Simon-Kucher&Partners präsentiert, welche eine durchwegs spannende Zeit voraussieht: "Um den erwarteten negativen Mengeneffekt auszugleichen, müssen sich die Ölhersteller kontinuierlich anpassen und neu definieren."

Was passiert, wenn die Beratungsqualität sinkt?

Wenn also die Mengen sinken, steigt die Ideenvielfalt in Marketing und Verkauf zwangsweise. Knowhow statt Quantität, Beratung statt Mengenrabatt? In einigen Industrien kommt es z.B. schon länger nicht mehr auf das richtige Öl an, sondern auch auf den Wissenstransfer und den gemeinsamen Entwicklungsweg mit dem Konstruktionselement Schmierstoff. Doch dies werden sich nur die Branchen-Primusse leisten könnenund dann vorrangig dort, wo Zukunftspotenzial liegt. Da fühlt man sich an einen altbekannten Witz erinnert, der mit den Worten beginnt: "Schon in der Bibel steht: Sie trugen seltsame Gewänder und zogen planlos umher."

In den Aktionärsberichten der Ölgiganten steht meist: "Trotz rückläufiger Mengen konnten wir entgegen dem Trend unsere Position halten und weiter ausbauen oder festigen." Und dann kommt auch immer ein Part mit Restrukturierungsprogrammen und Kundenstromanalysen: Dort liegt meist der Hase im Pfeffer. Wer vonbeiden näher an der Wahrheit liegt, wird uns die Zukunft zeigen.

Und so lange uns Mobilität bewegt, so lange das Auto und der Transport der treibende Motor der Wirtschaft hierzulande wie auch weltweit sind - so lange wird es ein kontinuierliches Anpassen und Taktieren bleiben. Es ist nur zu hoffen, dass die Geldgier einiger Großkonzerne und Aktionäre nicht die Lebensqualität und dieSchwelle der Ethik überschreitet. Denn am Ende steht der Mensch. (RED)

Buchtipps: "Das SchwarzbuchÖl" von Thomas Seifert und Klaus Werner, 2005 "Der Energie-Irrtum" von Hans-J. Zillmer, 2009 "Öl: Das blutige Geschäft" von Peter Maass, 2010