Autonomes Fahren mit Google? Fehlanzeige: Der amerikanische Internet-Konzern war in Genf ebenso wenig vertreten wie der Technologieriese Apple, der angeblich ebenfalls an eigenen Autos arbeitet. Das verwunderte nicht nur den "Auto-Professor" Ferdinand Dudenhöffer, den wir in Genf trafen, sondern auch viele der angeblich 11.300 Fachbesucher und Journalisten, die sich gleich zu Beginn der großen Autoschau einfanden. So beschränkte sich der Genfer Salon auf jene Hersteller und Zulieferer, die das treue Publikum auch heuer wieder mit diversen Weltund Europapremieren beglückten. Dass um 1,8 Prozent mehr Besucher kamen als 2014, darf als Kompliment für die Veranstalter gelten. Wir haben die Messe neuerlich dazu genutzt, Gespräche mit den Spitzen der internationalen Automobilindustrie zu führen. Borgward: hochfliegende Pläne, aber kein neues Auto Nach 55 Jahren stellte Borgward erstmals wieder in Genf aus -400 Quadratmeter Stand, darauf nur ein Isabella Coupé, ein über 55 Jahre alter Oldtimer. Christian Borgward, Enkel des Wirtschaftswunderkapitäns Carl F.W. Borgward, setzt mit Karlheinz Knöss (Unternehmenssprecher) und Einar Hareide (Design) seinen Kindheitstraum um: "Was wäre, wenn es Borgward als Automarke noch gäbe?" 1961 war der Konzern mit den Marken Borgward, Hansa (davor Goliath) und Lloyd in die Insolvenz gezwungen worden. Der erste neue Borgward, ein SUV in der Größe eines Audi Q5, soll im Herbst dieses Jahres auf der IAA in Frankfurt stehen, sagt Knöss. Ein Vollprogramm ab dem C-Segment (als Benziner, Diesel, mit elektrifiziertem Antriebsstrang und Connectivity) soll folgen. 800.000 Autos pro Jahr per 2020 und 1,6 Millionen 2025, schwelgt Knöss phantasiebegabt. Unternehmenszentrale werde Stuttgart (derzeitLuzern), die Autos "dort gebaut, wo die Abnehmer sind".

Cadillac: Europa nicht im Fokus

Im Rahmen der globalen Wachstumsstrategie werde Cadillac in Europa in den Metrozentren präsent sein, sagt Marketingvorstand Uwe Ellinghaus. Eine wirklich flächendeckende Präsenz sei wirtschaftlich in den nächsten Jahren aber nicht zu rechtfertigen Daher bediene sich die Marke aller anderen Formate, um Kunden zu erreichen -etwa eigene Testfahrtzentren, Hol-und Bringservice für Reparatur und Wartung sowie eine Art Boutique-Konzept im Verkauf, bei dem einige wenige Fahrzeuge im Schauraum durch virtuell abrufbare ergänzt werden. Laut Ellinghaus werde Cadillac so weiter kommen, als wenn man die Händler zwingen würde, zu derzeitigen Immobilien-und Arbeitskosten in ein separatesCadillac-Autohaus zu investieren.

Citroën: Kreativität statt Rabatt

"Die Zeiten, in denen es bei uns auf ein neues Modell gleich 2.000 oder 3.000 Euro Nachlass gab, sind vorbei. So etwas tötet eine Marke und ihre Wahrnehmung", sagt Linda Jackson, seit Juni 2014 CEO von Citroën. Künftig sollen bei dem PSA-Konzernfabrikat, das übrigens die bisherige Modelllinie DS als eigene Marke abgespalten hat, wieder traditionelle Stärken wie Kreativität, Komfort und einfache Bedienung im Vordergrund stehen. "Wir müssen anders sein", meint Jackson und verweist auf den C4 Cactus als bestes Beispiel für diese Strategie: "Diesen Weg werden wir in Zukunft bei jedem unserer Produkte gehen."

Kia: die halbe Million im Visier

Michael Cole, COO von Kia Motors Europe, sieht die Chance einer leichten Markterholung, die Kia bei minimalem Gesamtmarktwachstum wie in den letzten Jahren deutliche Zuwächse bescheren soll. Potenzial sei genug vorhanden, sagt Cole: Immerhin stamme der Großteil des Bestands noch nicht von Kia. Entsprechend ambitioniert sind die Ziele: In Europa will der Hersteller die Verkäufe bis zum Ende der Dekade auf 500.000 Einheiten steigern. Auch neue Antriebsstränge sollen das Ziel einer sportlichen, modernen und innovativen Markenwahrnehmung unterstützen.

Maserati: leistbare Exklusivität auch beim SUV

Giulio Pastore, der bei Maserati SpA für Europa sowie Israel Verantwortliche, freut sich, dass die Marke 2014 in Europa auf die Globalverkaufszahl 2012 gesteigert hat. Ende 2015 soll das SUV Levante auf den Markt kommen, das Maserati bei gleichbleibendem Marktanteil im ständig wachsenden Segment Stückzahlsteigerungen ohne Verlust der-leistbaren -Exklusivität bringen soll. Der Marktstart des Levante habe sich durch den Wechsel der Plattform verzögert: Damit ein echter Maserati entstehe, habe der Hersteller das Entwicklungsteam von Quattroporte und Ghibli auch beim neuen Levante eingesetzt.

Mazda:Österreich als Musterschüler

Die aktuelle "sechste Generation" der Modellpalette bringe einen enormen Aufschwung, freut sich Martijn ten Brink, Vice President Sales bei Mazda Motor Europe: "Damit haben wir das Potenzial, in Europa um 40 bis 50 Prozent zu wachsen." Schon heuer sollen in Westeuropa mehr als 200.000 Fahrzeuge verkauft werden. "Einschließlich der osteuropäischen Märkte werden wir 2015 oder spätestens 2016 hoffentlich auf 250.000 Fahrzeuge kommen", sagt Brink. Dies würde einem durchschnittlichen Marktanteil von 2,5 Prozent entsprechen. Österreich gilt angesichts eines Marktanteils von gut 3 Prozent schon jetzt als Vorzeigeland, unterstreicht Brink: "Hier hat Mazda eine wirklich phantastische Geschichte."

Mercedes: keine Direktgeschäfte wie in Deutschland

Keine Ausweitung des Agentursystems von Deutschland auf andere Länder plant Carsten Oder, weltweiter Produktmanager von Mercedes-Benz: "In Österreich wird alles bleiben wie bisher: Die beiden großen Gruppen, die den Markt dominieren, sind gut eingeführt. Hier werden weiterhin alle Geschäfte über Händler laufen, ein Direktgeschäft wie in Deutschland ist nicht geplant." Für die Gebrauchtwagen, die aus diesen Direktverkäufen in Deutschland (etwa an Autovermieter oder Werksangehörige) kämen, gebe es aber auch aus Österreich starkes Interesse.

Nissan: Erfolge und Herausforderungen

Zum fünften Mal in Folge konnte Nissan 2014 seinen Anteil am europäischen Automarkt ausbauen "Erstmals seit mehr als 10 Jahren haben wir die Grenze von 4 Prozent überschritten", freut sich Guillaume Cartier, Senior Vice President Sales and Marketing Europe. Dazu beigetragen habe eine beeindruckende Modelloffensive mit insgesamt 12 neuen Produkten binnen 12 Monaten. Als nächstes Ziel strebt Cartier einen Marktanteil von 5 Prozent an.

Freilich gibt es auch Herausforderungen -vor allem im kriselnden Russland, das im Vorjahr mitüber 173.000 Stück für Nissan noch der wichtigste europäische Markt gewesen ist. Zu allem Überfluss wurde die Kapazität des Werkes in St. Petersburg soeben erst auf 100.000 Einheiten verdoppelt. "Nun werden wir die Produktionsgeschwindigkeit voraussichtlich um ein Drittel senken, um der schwächeren Nachfrage Rechnung zu tragen. Außerdem trennen wir uns von einigen Zeitarbeitern", sagt Colin Lawther, Senior Vice President für die europäische Produktion von Nissan. Seine Prognose für St. Petersburg fällt bescheiden aus: "Aus heutiger Sicht" werde man hier im Jahr 2014 nicht mehr als40.000 Autos fertigen.

Peugeot setzt auf "gesunde Stückzahlen"

Nach einer Durststrecke konnte Peugeot 2014 die weltweiten Fahrzeugverkäufe um 5,4 Prozent steigern. "Heuer werden wir definitiv weiter wachsen", sagt CEO Maxime Picat. Allerdings stehe die reine Volumenmaximierung nicht im Vordergrund: "Unsere Priorität sind die Erträge. Stückzahlen können dabei helfen -aber nur echte, gesunde Stückzahlen." Selbst fährt Picat übrigens einen Peugeot RCZ -ein Auto, von dem er sich aufgrund der Bereinigung der Modellpalette wohl bald trennen muss: "In unserem Plan, Back in the Race" haben wir entschieden, dass wir unser Modellprogramm konzernweit von 46 auf 26 Karosserievarianten reduzieren. Davon werden 13 auf die Marke Peugeot entfallen."

Renault: wieder Wachstum in Europa

Jahrelang hat Renault von seinen außereuropäischen Aktivitäten profitiert, während der Markt am Heimatkontinent zurückging. "2014 ist genau das Gegenteil passiert", resümiert Jerome Stoll, Executive Vice President und Chief Performance Officer. In Summe konnte der französische Autobauer mit einem Plus von 3,2 Prozent auf mehrals 2,7 Millionen Verkäufe seinen kontinuierlichen Aufwärtstrend fortsetzen. Über 511.000 Stück entfielen dabei schon auf Dacia- eine "unglaubliche Erfolgsgeschichte", die laut Stoll noch lange nicht zu Ende ist: "Immer mehr Menschen wollen eine einfache, funktionelle Antwort auf ihre Mobilitätserfordernisse -und das zu einem möglichst vernünftigen Preis."

Toyota: die Million als Ziel -nur wenn es sich rechnet!

Karl Schlicht, Vorstand von Toyota Motor Europe, ist angesichts des aktuellen Markts recht entspannt: Toyota wolle in Europa die Million Fahrzeuge, die etwasüber 5 Prozent Marktanteil bedeuten würden, erreichen, bestätigt er weiterhin: Aber nur, sofern das ohne Druck und ohne Geld zu verlieren erreichbar sei- dann sei das gut für Händler und Hersteller. Wenn dies nicht möglich sei, müsste man auf eine bessere Marktsituation oder noch zugkräftigere Modelle warten. 2014 habe Toyota 888.015 Autos, davon zuletzt ca. 20 Prozent Hybridfahrzeuge, abgesetzt. Das seien tolle Zahlen, da auch Russland zum Ländermix gehöre und Hybrid dort beispielsweise gar keine Rolle spiele.

VW: Brennstoffzelle ja, aber erst später

Eine breitere Palette an Hybrid-Fahrzeugen prophezeit Heinz-Jakob Neußer, Produktionsvorstand von Volkswagen: Er glaubt auch, dass herkömmliche Autos mit Verbrennungsmotoren noch ein deutliches Einsparpotenzial haben. Autos mit Brennstoffzelle sollten ab 2025 in größeren Stückzahlen auf den Markt kommen, während reine Elektrofahrzeuge nur in Ländern mit massiven staatlichen Förderungen reüssieren können.

Volvo: Kunden goutieren Verzicht auf Achtzylinder

Bei Volvo schließt Vorstandssprecher Hakan Samuelsson aus, dass es in Zukunft wieder Fünf-, Sechsoder gar Achtzylinder-Motoren geben werde: "Wir machen jetzt Volvo-Aggregate für Volvo-Kunden, und zwar zu 100 Prozent. Wir sind so froh, dass wir nicht mehr irgendwo Motoren kaufen müssen, nur um 2 zusätzliche Zylinder zu haben." Wer mehr Leistung wolle, greife (wie etwa beim neuen XC90 T8) auf die Kombination des Vierzylinders mit Elektromotoren zurück. "Das fährt sich sehr verrückt und verbraucht deutlich weniger Benzin als ein Achtzylinder." Man dürfe ja nicht vergessen, dass auch Volvo

bis 2020 die von der EU vorgegebenen CO 2-Grenzen erreichen müsse, sagt Samuelsson.

"Hybridautos" der Zukunft

Es ist nicht alles (oder sogar sehr wenig) ernst zu nehmen, was in der Schweizer Satirezeitung "Nebelspalter" steht. Anlässlich des Autosalons in Genf widmete sich die Redaktion einigen Modellen, die zwar ein gewisses kreatives Potenzial haben, aber in dieser Form sicher nie gebaut werden -was eigentlich schade ist. Vier Zeichnungen von Ludek Ludwig Hava haben wir auf diesen Seiten zwanglos verstreut, natürlich mitAbdruckerlaubnis der Schweizer Redaktion, wofür wir herzlichst danken.