Auch wenn der Genfer Salon im März mit 682.000 Besuchern diesmal mehr
Publikum anlockte als im Vorjahr, blieb er doch einige wichtige
Antworten auf die Zukunft schuldig.
Autonomes Fahren mit Google? Fehlanzeige: Der amerikanische
Internet-Konzern war in Genf ebenso wenig vertreten wie der
Technologieriese Apple, der angeblich ebenfalls an eigenen Autos
arbeitet. Das verwunderte nicht nur den "Auto-Professor" Ferdinand
Dudenhöffer, den wir in Genf trafen, sondern auch viele der angeblich
11.300 Fachbesucher und Journalisten, die sich gleich zu Beginn der
großen Autoschau einfanden. So beschränkte sich der Genfer Salon auf
jene Hersteller und Zulieferer, die das treue Publikum auch heuer
wieder mit diversen Weltund Europapremieren beglückten. Dass um 1,8
Prozent mehr Besucher kamen als 2014, darf als Kompliment für die
Veranstalter gelten. Wir haben die Messe neuerlich dazu genutzt,
Gespräche mit den Spitzen der internationalen Automobilindustrie zu
führen. Borgward: hochfliegende Pläne, aber kein neues Auto Nach 55
Jahren stellte Borgward erstmals wieder in Genf aus -400 Quadratmeter
Stand, darauf nur ein Isabella Coupé, ein über 55 Jahre alter
Oldtimer. Christian Borgward, Enkel des Wirtschaftswunderkapitäns
Carl F.W. Borgward, setzt mit Karlheinz Knöss (Unternehmenssprecher)
und Einar Hareide (Design) seinen Kindheitstraum um: "Was wäre, wenn
es Borgward als Automarke noch gäbe?" 1961 war der Konzern mit den
Marken Borgward, Hansa (davor Goliath) und Lloyd in die Insolvenz
gezwungen worden. Der erste neue Borgward, ein SUV in der Größe eines
Audi Q5, soll im Herbst dieses Jahres auf der IAA in Frankfurt
stehen, sagt Knöss. Ein Vollprogramm ab dem C-Segment (als Benziner,
Diesel, mit elektrifiziertem Antriebsstrang und Connectivity) soll
folgen. 800.000 Autos pro Jahr per 2020 und 1,6 Millionen 2025,
schwelgt Knöss phantasiebegabt. Unternehmenszentrale werde Stuttgart
(derzeitLuzern), die Autos "dort gebaut, wo die Abnehmer sind".
Cadillac: Europa nicht im Fokus
Im Rahmen der globalen Wachstumsstrategie werde Cadillac in Europa in
den Metrozentren präsent sein, sagt Marketingvorstand Uwe Ellinghaus.
Eine wirklich flächendeckende Präsenz sei wirtschaftlich in den
nächsten Jahren aber nicht zu rechtfertigen Daher bediene sich die
Marke aller anderen Formate, um Kunden zu erreichen -etwa eigene
Testfahrtzentren, Hol-und Bringservice für Reparatur und Wartung
sowie eine Art Boutique-Konzept im Verkauf, bei dem einige wenige
Fahrzeuge im Schauraum durch virtuell abrufbare ergänzt werden. Laut
Ellinghaus werde Cadillac so weiter kommen, als wenn man die Händler
zwingen würde, zu derzeitigen Immobilien-und Arbeitskosten in ein
separatesCadillac-Autohaus zu investieren.
Citroën: Kreativität statt Rabatt
"Die Zeiten, in denen es bei uns auf ein neues Modell gleich 2.000
oder 3.000 Euro Nachlass gab, sind vorbei. So etwas tötet eine Marke
und ihre Wahrnehmung", sagt Linda Jackson, seit Juni 2014 CEO von
Citroën. Künftig sollen bei dem PSA-Konzernfabrikat, das übrigens die
bisherige Modelllinie DS als eigene Marke abgespalten hat, wieder
traditionelle Stärken wie Kreativität, Komfort und einfache Bedienung
im Vordergrund stehen. "Wir müssen anders sein", meint Jackson und
verweist auf den C4 Cactus als bestes Beispiel für diese Strategie:
"Diesen Weg werden wir in Zukunft bei jedem unserer Produkte gehen."
Kia: die halbe Million im Visier
Michael Cole, COO von Kia Motors Europe, sieht die Chance einer
leichten Markterholung, die Kia bei minimalem Gesamtmarktwachstum wie
in den letzten Jahren deutliche Zuwächse bescheren soll. Potenzial
sei genug vorhanden, sagt Cole: Immerhin stamme der Großteil des
Bestands noch nicht von Kia. Entsprechend ambitioniert sind die
Ziele: In Europa will der Hersteller die Verkäufe bis zum Ende der
Dekade auf 500.000 Einheiten steigern. Auch neue Antriebsstränge
sollen das Ziel einer sportlichen, modernen und innovativen
Markenwahrnehmung unterstützen.
Maserati: leistbare Exklusivität auch beim SUV
Giulio Pastore, der bei Maserati SpA für Europa sowie Israel
Verantwortliche, freut sich, dass die Marke 2014 in Europa auf die
Globalverkaufszahl 2012 gesteigert hat. Ende 2015 soll das SUV
Levante auf den Markt kommen, das Maserati bei gleichbleibendem
Marktanteil im ständig wachsenden Segment Stückzahlsteigerungen ohne
Verlust der-leistbaren -Exklusivität bringen soll. Der Marktstart
des Levante habe sich durch den Wechsel der Plattform verzögert:
Damit ein echter Maserati entstehe, habe der Hersteller das
Entwicklungsteam von Quattroporte und Ghibli auch beim neuen Levante
eingesetzt.
Mazda:Österreich als Musterschüler
Die aktuelle "sechste Generation" der Modellpalette bringe einen
enormen Aufschwung, freut sich Martijn ten Brink, Vice President
Sales bei Mazda Motor Europe: "Damit haben wir das Potenzial, in
Europa um 40 bis 50 Prozent zu wachsen." Schon heuer sollen in
Westeuropa mehr als 200.000 Fahrzeuge verkauft werden.
"Einschließlich der osteuropäischen Märkte werden wir 2015 oder
spätestens 2016 hoffentlich auf 250.000 Fahrzeuge kommen", sagt
Brink. Dies würde einem durchschnittlichen Marktanteil von 2,5
Prozent entsprechen. Österreich gilt angesichts eines Marktanteils
von gut 3 Prozent schon jetzt als Vorzeigeland, unterstreicht Brink:
"Hier hat Mazda eine wirklich phantastische Geschichte."
Mercedes: keine Direktgeschäfte wie in Deutschland
Keine Ausweitung des Agentursystems von Deutschland auf andere Länder
plant Carsten Oder, weltweiter Produktmanager von Mercedes-Benz: "In
Österreich wird alles bleiben wie bisher: Die beiden großen Gruppen,
die den Markt dominieren, sind gut eingeführt. Hier werden weiterhin
alle Geschäfte über Händler laufen, ein Direktgeschäft wie in
Deutschland ist nicht geplant." Für die Gebrauchtwagen, die aus
diesen Direktverkäufen in Deutschland (etwa an Autovermieter oder
Werksangehörige) kämen, gebe es aber auch aus Österreich starkes
Interesse.
Nissan: Erfolge und Herausforderungen
Zum fünften Mal in Folge konnte Nissan 2014 seinen Anteil am
europäischen Automarkt ausbauen "Erstmals seit mehr als 10 Jahren
haben wir die Grenze von 4 Prozent überschritten", freut sich
Guillaume Cartier, Senior Vice President Sales and Marketing Europe.
Dazu beigetragen habe eine beeindruckende Modelloffensive mit
insgesamt 12 neuen Produkten binnen 12 Monaten. Als nächstes Ziel
strebt Cartier einen Marktanteil von 5 Prozent an.
Freilich gibt es auch Herausforderungen -vor allem im kriselnden
Russland, das im Vorjahr mitüber 173.000 Stück für Nissan noch der
wichtigste europäische Markt gewesen ist. Zu allem Überfluss wurde
die Kapazität des Werkes in St. Petersburg soeben erst auf 100.000
Einheiten verdoppelt. "Nun werden wir die Produktionsgeschwindigkeit
voraussichtlich um ein Drittel senken, um der schwächeren Nachfrage
Rechnung zu tragen. Außerdem trennen wir uns von einigen
Zeitarbeitern", sagt Colin Lawther, Senior Vice President für die
europäische Produktion von Nissan. Seine Prognose für St. Petersburg
fällt bescheiden aus: "Aus heutiger Sicht" werde man hier im Jahr
2014 nicht mehr als40.000 Autos fertigen.
Peugeot setzt auf "gesunde Stückzahlen"
Nach einer Durststrecke konnte Peugeot 2014 die weltweiten
Fahrzeugverkäufe um 5,4 Prozent steigern. "Heuer werden wir definitiv
weiter wachsen", sagt CEO Maxime Picat. Allerdings stehe die reine
Volumenmaximierung nicht im Vordergrund: "Unsere Priorität sind die
Erträge. Stückzahlen können dabei helfen -aber nur echte, gesunde
Stückzahlen." Selbst fährt Picat übrigens einen Peugeot RCZ -ein
Auto, von dem er sich aufgrund der Bereinigung der Modellpalette wohl
bald trennen muss: "In unserem Plan, Back in the Race" haben wir
entschieden, dass wir unser Modellprogramm konzernweit von 46 auf 26
Karosserievarianten reduzieren. Davon werden 13 auf die Marke Peugeot
entfallen."
Renault: wieder Wachstum in Europa
Jahrelang hat Renault von seinen außereuropäischen Aktivitäten
profitiert, während der Markt am Heimatkontinent zurückging. "2014
ist genau das Gegenteil passiert", resümiert Jerome Stoll, Executive
Vice President und Chief Performance Officer. In Summe konnte der
französische Autobauer mit einem Plus von 3,2 Prozent auf mehrals
2,7 Millionen Verkäufe seinen kontinuierlichen Aufwärtstrend
fortsetzen. Über 511.000 Stück entfielen dabei schon auf Dacia- eine
"unglaubliche Erfolgsgeschichte", die laut Stoll noch lange nicht zu
Ende ist: "Immer mehr Menschen wollen eine einfache, funktionelle
Antwort auf ihre Mobilitätserfordernisse -und das zu einem möglichst
vernünftigen Preis."
Toyota: die Million als Ziel -nur wenn es sich rechnet!
Karl Schlicht, Vorstand von Toyota Motor Europe, ist angesichts des
aktuellen Markts recht entspannt: Toyota wolle in Europa die Million
Fahrzeuge, die etwasüber 5 Prozent Marktanteil bedeuten würden,
erreichen, bestätigt er weiterhin: Aber nur, sofern das ohne Druck
und ohne Geld zu verlieren erreichbar sei- dann sei das gut für
Händler und Hersteller. Wenn dies nicht möglich sei, müsste man auf
eine bessere Marktsituation oder noch zugkräftigere Modelle warten.
2014 habe Toyota 888.015 Autos, davon zuletzt ca. 20 Prozent
Hybridfahrzeuge, abgesetzt. Das seien tolle Zahlen, da auch Russland
zum Ländermix gehöre und Hybrid dort beispielsweise gar keine Rolle
spiele.
VW: Brennstoffzelle ja, aber erst später
Eine breitere Palette an Hybrid-Fahrzeugen prophezeit Heinz-Jakob
Neußer, Produktionsvorstand von Volkswagen: Er glaubt auch, dass
herkömmliche Autos mit Verbrennungsmotoren noch ein deutliches
Einsparpotenzial haben. Autos mit Brennstoffzelle sollten ab 2025 in
größeren Stückzahlen auf den Markt kommen, während reine
Elektrofahrzeuge nur in Ländern mit massiven staatlichen Förderungen
reüssieren können.
Volvo: Kunden goutieren Verzicht auf Achtzylinder
Bei Volvo schließt Vorstandssprecher Hakan Samuelsson aus, dass es in
Zukunft wieder Fünf-, Sechsoder gar Achtzylinder-Motoren geben werde:
"Wir machen jetzt Volvo-Aggregate für Volvo-Kunden, und zwar zu 100
Prozent. Wir sind so froh, dass wir nicht mehr irgendwo Motoren
kaufen müssen, nur um 2 zusätzliche Zylinder zu haben." Wer mehr
Leistung wolle, greife (wie etwa beim neuen XC90 T8) auf die
Kombination des Vierzylinders mit Elektromotoren zurück. "Das fährt
sich sehr verrückt und verbraucht deutlich weniger Benzin als ein
Achtzylinder." Man dürfe ja nicht vergessen, dass auch Volvo
bis 2020 die von der EU vorgegebenen CO 2-Grenzen erreichen müsse,
sagt Samuelsson.
"Hybridautos" der Zukunft
Es ist nicht alles (oder sogar sehr wenig) ernst zu nehmen, was in
der Schweizer Satirezeitung "Nebelspalter" steht. Anlässlich des
Autosalons in Genf widmete sich die Redaktion einigen Modellen, die
zwar ein gewisses kreatives Potenzial haben, aber in dieser Form
sicher nie gebaut werden -was eigentlich schade ist. Vier Zeichnungen
von Ludek Ludwig Hava haben wir auf diesen Seiten zwanglos verstreut,
natürlich mitAbdruckerlaubnis der Schweizer Redaktion, wofür wir
herzlichst danken.