Im Verfahren mit der Aktenzahl 9 ObA 126/14s hatten sich die Höchstrichter eigentlich mit einem Fall aus der Tankstellenbranche zu beschäftigen. Doch mit ihrem Urteil steigt auch für kündigende Markenhändler das Risiko, dass ihnen im Zuge einer gerichtlichen Auseinandersetzung der Beweis der gesetzlich verlangten Unzumutbarkeit der Fortsetzung ihrer bisherigen Tätigkeit nicht gelingt und somit der Ausgleichsanspruch verloren geht.

Wohlverdienter Ruhestand?

Damit zum gegenständlichen Fall: Der 1951 geborene Kläger betrieb als selbstständiger Unternehmer vom 1. Juni 2011 bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Eigenkündigung per 31. Oktober 2012 eine Selbstbedienungstankstelle der Beklagten. Auf eigenen Antrag wurde ihm ab 1. November 2012 von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gewährt. Gegenüber der Beklagten argumentierte der Kläger nicht nur damit, dass er bei Fortsetzung seiner Handelsvertretertätigkeit die vorzeitige Alterspension nicht beziehen hätte können, sondern insbesondere auch damit, dass seine weiteren Arbeitseinkünfte niedriger gewesen wären als die monatliche Pension.

Lücke im Handelsvertretergesetz

Diese wirtschaftlichenÜberlegungen seien zwar verständlich, so der OGH in seiner Entscheidung: Sie würden jedoch unter den gegebenen Umständen keine altersbedingte Unzumutbarkeit begründen. Gemäß Handelsvertretergesetz steht dem Handels vertreter ein Ausgleichsanspruch zu, wenn ihm eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen einer Krankheit oder eines Gebrechens nicht zugemutet werden kann. Gerade von einer solchen Kündigung "wegen Alters" ist der OGH im gegenständlichen Fall jedoch nicht ausgegangen.

Wie die Höchstrichter feststellten, kommt es bei einer Kündigung "wegen Alters" nicht auf eine generelle Erwerbsunfähigkeit als Handelsvertreter an, sondern auf das konkrete Vertragsverhältnis und die Umstände des Einzelfalls. Folgt man dem Europäischen Gerichtshof, ist die europarechtliche Handelsvertreter-Richtlinie handelsvertreterfreundlich auszulegen: Ein Ausgleichsanspruch bei Eigenkündigung ist sinngemäß dann zu gewähren, wenn die Fortsetzung einer Tätigkeit "billigerweise" nicht mehr zugemutet werden kann. Genau dieser Billigkeitsaspekt wurde im österreichischen Handelsvertretergesetz jedoch nicht umgesetzt, was zur gegenständlichen höchstgerichtlichen Entscheidung führt.

Unbefriedigende Rechtslage

Die Unzumutbarkeit der Fortsetzung wegen des Alters wäre bei richtiger Auslegung der europarechtlichen Handelsvertreter-Richtlinie nicht nur daran zu messen, ob eine altersbedingte Leistungseinschränkung vorliegt. Die Einzelfallprüfung müsste auch berücksichtigen, ob andere subjektive Begleitumstände festgestellt werden können, die eine Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit unzumutbar machen -also zum Beispiel, ob der Pensionsbezug höher wäre als das realistischerweise erzielbare Erwerbseinkommen.

Die aktuelle Rechtslage führt bei Eigenkündigung eines Handelsvertreters wegen vorzeitiger Alterspension dazu, dass die Vorteile durch den vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenstamm ohne Ausgleich auf den Unternehmer übergehen -auch dann, wenn der Betroffene felsenfest davon überzeugt ist, sich mit einem rechtskräftigen Bescheid der Sozialversicherungsanstalt in der Tasche in die wohlverdiente Pension verabschieden zu können.