Leer stehende Verkaufsräume, verwaiste Werkstätten, vom Unkraut überwucherte Gebrauchtwagenplätze: Dieser Anblick wurde in den vergangenen Jahren immer häufiger. Zwischen 2004 und 2014 ging die Anzahl der west- und mitteleuropäischen Haupthändler bei den 30 nach wie vor aktiven Fahrzeugmarken um 14 Prozent zurück,wie das soeben von ICDP veröffentlichte "European Car Distribution Handbook" aufzeigt. Diese Strukturbereinigung war freilich nicht ausreichend, um den krisenbedingten Einbruch der Pkw-Verkäufe abzufedern: Daher sanken die jährlichen Durchschnittsverkäufe im selben Zeitraum von 288 auf 257 Neuwagen pro A-Händler.

"Erdbeben in den kommenden fünf Jahren"

Zwar steigen die Pkw-Verkäufe mittlerweile wieder, doch ein Ende des Händlersterbens ist nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil, meint Steve Young, Geschäftsführer von ICDP: "Wir glauben, dass die kommenden fünf Jahre einem Erdbeben gleichkommen werden." Am düstersten seien die Perspektiven für die europäischen Volumenmarken, bei denen 22 Prozent der Haupthändler wegfallen könnten. In den Netzen der Premiumhersteller prognostiziert Young einen Rückgang um 19 Prozent, was insgesamt eine Reduktion von 42.408 Haupthändlern im Jahr 2014 auf 33.909 Betriebe im Jahr 2020 bedeuten würde: "Das wird der größte Umbruch, den das traditionelle Händlermodell in Europa je gesehen hat."

Keine Insel der Seligen

Wer meint, dass derartige Schreckensszenarien bislang anÖsterreich vorübergingen, hat teilweise recht: Hier habe es seit 2004 "entgegen dem aktuellen Trend" nur ein leichtes Minus von 1.819 auf 1.798 Haupthändler mit durchschnittlich 175 Neuwagenverkäufen gegeben, berichtet ICDP-Mitarbeiter René Herrmann. In den kommenden Jahren sei jedoch mit einerähnlichen Netzausdünnung wie in ganz Westeuropa zu rechnen: "Österreich kann sich den globalen Trends nicht verschließen."

Verhaltenswandel bei den Kunden

Zu diesen Megatrends gehört die Vorabrecherche im Internet, die zu immer weniger Beratungsgesprächen vor dem (in der Regel nach wie vor im Autohaus erfolgenden) Verkaufsabschluss führt. Gleichzeitig sorgt das Netz für eine noch nie da gewesene Rabatt-und Preistransparenz. "Dieser Verhaltenswandel und die dringend nötige Anpassung der Absatzkanäle bedeuten, dass die tatsächliche Reduzierung der Händler sogar die Trendzahlen überschreiten kann", heißt es in der Studie von ICDP. Die Folge wäre eine "Immobilien-Zeitbombe" samt Entwertung der Autohausgrundstücke, was das ohnehin sensible Finanzgerüst vieler Betriebe zum Einsturz bringen könnte.

Hoffnung auf Besserung haben die Studienautoren nicht. Die einzigen Lichtblicke orten sie in Zentralund Osteuropa, wo trotz "kurzfristigerökonomischer Probleme" nach wie vor Potenzial für zusätzliche Handelsstandorte vorhanden sei. Im Westen könnten lediglich die vergleichsweise jungen Marken Hyundai und Kia ein Rettungsanker für einzelne Händler sein: Immerhin sind ihre Haupthändlernetze im vergangenen Jahrzehnt um 13 Prozentgewachsen.