Bei einem Geburtstag stellen sich meist Gratulanten ein. Das war auch
bei mir der Fall.
Sogar schon drei Monate vorher. Da bekam ich von
der Nürnberger Versicherung ein nettes Briefchen, in dem mir für
meine langjährige Vertragstreue gedankt wurde. Mit der Mitteilung,
dass als "Geburtstagsgeschenk" meine Unfallversicherung storniert
wird.
Warum? Ganz einfach, wegen meines Siebzigers. Das sei das "tarifliche
Höchstalter" für die Versicherbarkeit in der Unfallversicherung.
Damit ende an diesem Tag auch der Versicherungsschutz. Ich war
verblüfft. Schließlich habe ich seit 1988 brav Jahr für Jahr
pünktlich meine Prämien bezahlt. Ohne jeglichen Schadensfall; ich war
somit einen erstklassiger Versicherungskunde.
Dass es ein Höchstalter gibt, bis zu dem einer in eine Versicherung
rein kommt, ist verständlich. Meist wird ein höheres Antrittsalter
und das damit verbundene höhere Risiko bereits mit einer höheren
Prämie bezahlt. Aber wenn man einmal drinnen ist, gibt es für das
Vertragsende in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen eine klare
Regelung:
Der Vertrag verlängert sich um jeweils ein Jahr, wenn er nicht von
einem der Vertragsteile drei Monate vor Vertragsende gekündigt wird.
Oder wenn der Versicherte einen Unfall hat. Dann muss er damit
rechnen, nach der Liquidierung dieses "Schadensfalles" nach Zahlung
der Versicherungsleistung binnen Monatsfrist aus der Versicherung
raus zu fliegen.
Dann gibt es natürlich auch noch den Todesfall, mit dem der Vertrag
endet.
Zusätzlich kennt die Nürnberger auch noch ein Erlöschen des
Vertrages, wenn eine "Versicherungsunfähigkeit" eintritt: Etwa bei
Geisteskrankheit oder wenn einer dauernd und vollständig
arbeitsunfähig wird.
Von einem "tariflichen Höchstalter für die Versicherbarkeit in der
Unfallversicherung" war bei Vertragsabschluss in den Nürnberger
Vertragsbedingungen keine Rede. Das hätte auch etwas diskriminierend
gewirkt. Aber offenbar gehört die Generation "Siebzig plus"
versicherungstechnisch bereits zum Humanschrott. Da fälltman dann
automatisch in die Kategorie der "nicht versicherungsfähigen
Personen". Dabei wurde mir 1987 mit der Polizze noch eine
"Rententafel" mitgeschickt, in der man mir für den Fall des Falles
meine Invaliditätsrente noch bis zu meinem 80er ausgerechnet hat. Ein
Alter, das ich auch ohne Unfallrente zu erreichen gedenke.
Der privatwirtschaftlich orientierte neue Finanzminister kann sich
bei seiner geplanten Budgetsanierung die Nürnberger zum Vorbild
nehmen. Etwa, wenn er alle "Siebziger plus" als unkalkulierbares
Risiko aus der Sozialversicherung raus wirft. Die werden dann von der
SVA-Prämienzahlung befreit, dafür gibt es aber auch keine Leistungen
mehr. Zu blöd, dass Dr. Hans Jörg Schelling nicht schon als
Hauptverbandspräsident auf diese Idee gekommen ist. Mit derartigen
Einsparungen könnte er jetzt als Finanzminister allen
Sozialversicherungen einfach ihre Zuschüsse aus dem Budget streichen.
Auch zur Sanierung derÖffis wäre ein derartiges Alters-Management
geeignet: Mit 70 verfällt einfach jeder Führerschein. Alois Stöger
kann das als ehemaliger Gesundheitsminister -wie einst beim
Rauchverbot -in seinem jetzigen Amt als Verkehrsminister locker als
"Präventivmaßnahme" verkaufen. Ohne Rauch gibt es keine
Raucherschäden und keine damit verbundenen Folgekosten -das fördert
die Volkswirtschaft. Ohne Führerschein gibt es weniger Autos und
wenige Unfälle. Das spart die damit verbundenen Folgekosten -und das
nützt ebenfalls der Volkswirtschaft. Überhaupt dann, wenn Stöger
einem alten Raucher über 70 präventiv auch noch das Autofahren
abgewöhnen wird. Schließlich ist ein derartiger Typ -aus der Sicht
der Nürnberger -schon ein völlig unversicherbares Risiko. Da ist es
versicherungsmathematisch und volkswirtschaftlich schon besser, wenn
alle Alten über 70 mit der Bundesbahn fahren: Dashebt die
Bahnumsätze und mindert die Staatszuschüsse -und ist somit ein
weiterer Beitrag zur Budgetsanierung.
Doch die Politiker haben mit der Umsetzung derartiger Ideen ein
Problem: Sie müssen das Wahlvolk bei Laune halten. Auf das braucht
eine Versicherung beim Kündigen von Verträgen keine Rücksicht nehmen.
Ganz nach dem Motto: Aus, Maus -und Du bist raus.