Nach den Bestimmungen der Kfz-GVO sind Vertriebsverträge nur dann kartellrechtlich freigestellt, wenn sie befristet mindestens fünf Jahre laufen oder unbefristet eine zumindest zweijährige Kündigungsfrist haben. Doch es gibt eine Hintertür: Die Frist wird auf ein Jahr verkürzt, wenn sich "die Notwendigkeit ergibt, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren".

Bisher war davon auszugehen, dass derartige Ausnahmeregelungen restriktiv zu interpretieren sind. Dies entsprach auch dem Wunsch der EU-Kommission, die Händler vor exzessiver Willkür der Hersteller zu schützen. Doch die Zeiten haben sich geändert: Händlerschutz, meint man in Brüssel, sei für den Wettbewerbsschutz nicht mehr erforderlich. Diesem Schwenk ist die deutsche Judikatur gefolgt.

"Nachvollziehbare Gründe"

In einem Rechtsstreit innerhalb der deutschen Nissan-Organisation hatten Richter in Köln bei Strukturkündigungen noch eine zweijährige Kündigungsfrist verlangt Es gäbe keine "überzeugende" Gründe, die eine Verkürzung erforderlich machen würden. Das Oberlandesgericht Frankfurt machte im Vorjahr einen Schwenk und fand die einjährige Frist in Ordnung. Nissan habe bei der Netzkündigung für die Verkürzung ausreichende wirtschaftliche Gründe gehabt. Dies wurde nun vom BGH bestätigt. Es reiche aus, wenn die vom Hersteller ins Treffen geführten Gründe "nachvollziehbar" seien.

In der Praxis bedeutet diese, dass der Hersteller bloß irgendwelche wirtschaftliche Argumente ins Treffen zu führen braucht. "Damit ist der einjährigen Kündigungsfrist endgültig Tür und Tor geöffnet", sieht Branchenanwalt Dr. Friedrich Knöbl den Händlerschutz "ganz massiv geschwächt". Er verweist auf die Vorbildwirkung deutscher Urteile: Ebenso wie Fachkollege Dr. Johannes Öhlböck fürchtet er, dass sich die Entscheidung des BGH auf die Netzkündigungen in Österreich auswirken werde. (HAY)