Das gilt selbstverständlich auch für die Kfz-Branche. Durch die weltweite Preistransparenz à la Internet werden dem Konsumenten plötzlich Preisdifferenzen vor Augen geführt, die sichweder argumentieren noch nachvollziehen lassen. Höher als die Handelsspanne, die der Händler von seinem eigenen Lieferanten eingeräumt bekommt, und die Anbieter wie Händler in die Defensive drängen.

Die Wurzel desÜbels liegt dabei jedoch weit von den lokalen Märkten entfernt im globalen Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage: Bei übergroßem Angebot muss der Preis sinken, damit die zusätzliche Menge dennoch Abnehmer findet. Das leuchtet ein. Aber warum werden diese Übermengen produziert?

Die Steuerung des Warenangebots unterliegt einer enormen Trägheit, weil viele Bestandteile von Produkten bereits sechs bis zwölf Monate vor Produktionsstart bestellt oder eingekauft werden müssen. Zu einem Zeitpunkt also, zu dem die Produzenten die Anzahl der Abnehmer trotz Marktforschung und Zielvorgaben an ihre Vertriebsorganisationen bestenfalls erahnen können. Ein Unternehmen mit dem Anspruch, Marktführer zu sein, wird die Abnahmemenge im Zweifelsfall jedoch immer aggressiv ansetzen, weil nichts schlimmer ist, als die Marktführerschaft durch mangelnde Lieferfähigkeit zu verlieren. Manche Importeure wissen davon ein trauriges Lied zu singen.Dazu kommt der Effekt abnehmender Grenzkosten, was heißt, dass die Produktionskosten mit steigender Menge deutlich sinken, sodass immer größere Fabriken für fiktive zukünftige Nachfragen errichtet werden.

Wenn diese Fabriken aber unterhalb der kostenidealen Kapazität produzieren, ist dies ein größeres Problem, als die Produktionsmenge in den idealen Bereich zu bringen und Überkapazitäten durch Preissenkungen ("Aktionitis") im Markt versickern zu lassen. Auch das Wiedererlangen der Marktführerschaft nach einem groben Engpass ist weitaus teurer, als von vornherein Produktionsmengen zu großzügig anzulegen. Das Ergebnis sind immer wieder riesige Überkapazitäten wie das Amen im Gebet. Besonders sichtbar wird dieses Problem bei Modellwechseln, wo eine unkontrollierbare Preisfindung die Folge davon ist, dass die Fabriken jene Bauteile, die für Nachfolgemodelle nicht mehr verwendet werden können, noch rasch loswerden wollen. Obwohl die Nachfrage keinerlei Anlass dazu gäbe, wird der Markt plötzlich von einem Überangebot überschwemmt. Erfahrene Händler warten diese Situation bereits ab und nutzen sie geschickt aus. Wer groß genug ist und über genügend Cash verfügt, kann diesen Überschuss vom Hersteller zu Traumpreisen einkaufen.

Zu dieser Mengen/Preis-Automatik kommt noch ein anderes Problem: In fast allen Fällen werden Umsatzvorgaben in den Vertriebsorganisationen vom Konzernmanagement sehr fantasielos nach der Formel "Vorjahr plus x Prozent" berechnet. Damit wird man aber die Geister, die man einmal rief, nie mehr los. Denn die Postengeschäfte, die man einst vielleicht "aus einer Not heraus" machenmusste, beispielsweise um den Umsatzdruck am Ende eines Monats oder Quartals loszuwerden, finden sich auch im Forecast für das nächste Jahr wieder.

Ein Teufelskreis. Wenn man heute mit Vertriebsleuten spricht, würden viele gerne wieder bei null anfangen, weil sie selbst nur mehr Getriebene dieser unseligen Automatismen sind. Ein Ausstieg aus dieser Malaise wäre nur möglich, wenn eine Organisation "von oben" die notwendige Luft bekäme, um konsequent an einer ausgewogenen Vertriebspolitik zu arbeiten.

Dass einzelne Unternehmen aus diesem Spiel der freien Kräfte ausbrechen (können), scheint mir jedoch ein frommer Wunsch zu sein. Für den Händler bedeutet dies, dass er mit den lokalen Landesorganisationen fast immer den falschen Baum verbellt, weil diese nicht selten selbst Opfer des Systems sind. Der einzig mögliche Weg ist wohl, das Faktische zu akzeptieren und diese Erkenntnis in eine ganz persönliche Langfriststrategie einfließen zu lassen. Denn das Internet ist, bleibt und wird immer sein.