Dr. Peter Hagen ist seit Juni an der Spitze der Vienna Insurance
Group. Im A&W-Gespräch ließ er mit der Bemerkung aufhorchen, die
Spitzenstellung des Versicherungskonzerns in den CEE-Ländern durch
verstärkte Berücksichtigung von Frauen in Führungspositionen weiter
ausbauen zu wollen.
Hagen setzt mit dieser Orientierung eine Strategie seines Vorgängers
Dr. Günter Geyer fort, den er im Gespräch wiederholt als leuchtendes
Vorbild darstellt. Das betrifft auch die konservative
Veranlagungspolitik der Vienna Insurance Group (VIG), die ihr in den
Krisenjahren gröbere Abschreibungen erspart hat. Trotz des weiterhin
volatilen Umfelds rechnet Hagen mit einer brauchbaren
Ertragssteigerung seines Hauses.
Veränderte Mobilität A&W interessierte Hagens Meinung zur Veränderung
der Mobilität und allfälliger Auswirkungen auf die Versicherungen.
Als Chef eines Unternehmens, das das Gros seiner Kunden in den
CEE-Staaten (Central and Estern Europe) rekrutiert, betonte er, dass
vorläufig noch ein großer Unterschied in der Motorisierung zwischen
Österreich und denOststaaten bestehe. Der Trend zur Mobilität werde
anhalten; speziell in den CEE-Staaten sei der Nachholbedarf groß und
Mobilität synonym mit Freiheit.
Eine veränderte Nutzung des Automobils werde es in den Metropolen
Westeuropas geben. Stichworte: Carsharing oder Bildung von
Fahrgemeinschaften. Die Anonymisierung durch die Gemeinschaftsnutzung
von Fahrzeugen werde neue Versicherungskonzepte erfordern. Im eigenen
"Herrschaftsbereich" rechnet Hagen jedochnicht mit raschen
Veränderungen des Versicherungsmodells im Kfz-Bereich.
Er geht davon aus, dass sich zwar die Kfz-Technik nicht, aber das
Verhalten der Menschen raschändern wird. Im CEE-Bereich sei noch
gewaltiges Wachstumspotenzial vorhanden. Bei allen Bemühungen um mehr
Nachhaltigkeit müsse der soziale Faktor berücksichtigt werden. Hagen
wörtlich: "Mobilität darf zu keinem Privileg der Reichen werden!" Der
Versicherung komme dabei eine entscheidende Rolle zu, weil ihr Wesen
der Opfer-und Unfallschutz ist, für den einfache Bürger allein nicht
haften könnten.
Rosige Aussichten
Was die Position der VIG betrifft, sieht Hagen das Unternehmen als
Marktführer in Österreich und im CEE-Bereich hervorragend
aufgestellt. In den vergangenen zehn Jahren konnte der Gewinn
verzwanzigfacht werden. Die Zahl der potenziellen Kunden stieg von 8
Millionen vor dem Eintritt in die Ostmärkte auf heute 180 Millionen
Menschen. In dieser Bevölkerung sieht Hagen auch einen Talente-Pool,
den die VIG nützen müsse, um als Marktführer weiter wachsen zu
können. In dem Kontext gelte es, die Strategie von Geyer weiter
auszubauen, talentierte Managerinnen zu fördern. Beispielsweise an
die Spitze von VIG-Töchtern im Baltikum und Kroatien, in Rumänien und
Österreich.
Die Turbulenzen am Finanzmarkt betrachtet Hagen für sein Haus nicht
als Bedrohung, aber auch nicht als Unterstützung. Weniger riskante
Anlagen werden weiterhin der Luxus sein, den die VIG sich leisten
möchte, um die angepeilten Ergebnisse (weiteres Wachstum von Umsatz
und Ertrag) abzusichern.
Hagen meint, dass die Automobilindustrie den gesellschaftspolitischen
Auftrag habe, die individuelle Mobilität sozial, ökologisch und
ökonomisch verträglich sicherzustellen -vor allem auch, um den damit
verbunden Freiheitsgedanken zu gewährleisten. Daran sind auch die
Versicherungen interessiert. (LHO)