Zur Erinnerung: Für den "merkantilen Minderwert", also der Wertminderung bei einem verunfallten und anschließend reparierten Fahrzeug, gibt es mehrere Berechnungsmethoden. Vor allem im Osten Österreichs wird die "Sacher-Wielke-Formel" angewendet, deren Parameter kürzlich verändert wurden. Wie -das hatte der namensgebende Obmann der Kfz-Sachverständigen im SV-Hauptverband Univ.-Prof. Dr. Bernhard Wielke zuvor beim Versicherungsverband angefragt.

Die Berichterstattungüber dieses "Angebot unter Freunden", so der Titel unseres Artikels, hat Wielke tief erbost. Mit einem Rundschreiben vom 19. November klärte er die Kfz-Sachverständigen darüber auf, dass es sich bei unserem Bericht um einen "pamphletartigen Artikel" handle, dessen "Unterstellungen" er auf das Schärfste zurückweise: "Ein Entgegenkommen für Partikularinteressen" sei bei ihm völlig ausgeschlossen.

Auffällige Einseitigkeit

Völlig richtig verwies Wielke darauf, dass "Verbesserungen und Weiterentwicklungen meist von Anwendern angeregt" würden. Deshalb sei es "selbstverständlich, dass Entwickler die User einladen, Erfahrungen mitzuteilen, die zu Verbesserungen führen sollen". Eigenartig ist allerdings, dass Wielke ausschließlich die Schadensexperten der Versicherungen zu derartigen Anregungen eingeladen hat -nicht aber die Vertreter des Autohandels oder des Reparaturgewerbes, nicht die von einer derartigen Änderung besonders betroffenen Konsumentenschützer und auch keine von Versicherungen unabhängige Kfz-Sachverständige.

Kein Wunder, dass sich der von Wielke im SV-Hauptverband zu seinem Stellvertreter vorgeschlagene Werner Bauer vom Verband der Versicherungsunternehmen artig für diese Einladung bedankt hat. Eine kleine Veränderung der Parameter könnte den Versicherungen interessante Rechenergebnisse bescheren. Und bei derartigen Berechnungen sind die Versicherungen immer Meister.

Gewaltige Veränderung

Tatsächlich wurde die Sacher-Wielke-Formel nur in einem wesentlichen Punkt verändert. Dieser trägt aus der Sicht unabhängiger Sachverständiger allerdings eindeutig die Handschrift des Versicherungsverbandes: Es geht darum, dass Wielke den

Algorithmus so modifiziert hat, dass bei jüngeren Fahrzeugen (die bei der merkantilen Wertminderung mengen-und wertmäßig den Hauptanteil ausmachen) die Wertminderungsbeträge um etwa 20 bis 60 Prozent (!) reduziert wurden.

Das ist eine gewaltige Anpassung, die weitüber ein normales "Update" hinausgeht. Wenn Änderungen durchgeführt werden, erfolgen diese normalerweise in kleinen Schritten, um die Konsistenz der Berechnungsversionen zu wahren. Sonst kann es zu großen Diskrepanzen gegenüber Nutzern der noch am Markt befindlichen Version kommen.

Rund 2.000 Euro Differenz

A&W hat sich diese Diskrepanz in einem Einzelfall näher angesehen. "Testfahrzeug" war ein im August 2009 um 52.440 Euro neu angeschaffter Mercedes, der nach dreieinhalb Monaten einen Unfall erlitt. Zur Berechnung der merkantilen Wertminderung wurden in Wielkes Programmvarianten identische Daten eingegeben. In der Version 12/2009 betrug die Wertminderung 6.700 Euro, in der Version 1/2011 nur noch 4.700 Euro. Das heißt, dass die "kleine" Änderung der Versicherung bei einem einzigen Schadensfall rund 2.000 Euro Ersparnis bringt, während das Unfallopfer einem im selben Maß verringerten Betrag ausbezahlt erhält! Blöd ist das auch für einenRechtsanwalt, der dank eines Sachverständigengutachtens den Schaden seines Klienten Ende 2009 noch mit der "alten" Sacher-Wielke-Formel eingeklagt hat, beim Gerichtsverfahren im Jahre 2011 vom Sachverständigen aber mit einem um 2.000 Euro reduzierten Anspruch konfrontiert wird.

Zulasten der Konsumenten

Wenn man das mit der Zahl der anhängigen Schadensfälle multipliziert, kommt schon ein ganz schönes Sümmchen heraus. Wer hatte ein Interesse daran, die alte Sacher-Wielke-Formel so zu kastrieren? Mit dem Ziel reduzierter Schadenszahlungen, die voll zulasten der Konsumenten gehen? Es ist keinesfalls auszuschließen, dass sich Wielke mit seiner "Einladung" bei den Versicherungen beliebt machen wollte, auch wenn der Universitätsprofessor derartige "Unterstellungen auf das Schärfste zurückweist".

Bei vielen seiner Mitglieder im Sachverständigenverband hat sich Wielke dagegen sehr unbeliebt gemacht. Die Folge: Für die bevorstehende Neuwahl wurde mit Dr. Wolfgang Pfeffer ein prominenter Gegenkandidat aufgestellt. Die von Wielke kurzfristig auf den Nikolausabend anberaumte Fachgruppensitzung wurde schlussendlich auf den 15. Dezemberverschoben.

Über die zweifellos für die Sacher-Wielke-Formel richtungsweisende Entscheidung der Mitglieder informieren wir Sie in der nächsten Ausgabe.

>> Mir war klar, dass die Zeit kommen wird, wo die Wahrheitüber diesen "Absprachen-Zirkel" an die Oberfläche kommt. Die vielen Anfeindungen (rund mehr als 300 mir unterstellte vermeintliche Zahl an "Malversationen"), die in nunmehr ebenso vielen gerichtlichen Klärungen für mich in positiver Erledigung endeten, haben ihre Spuren auch bei mir hinterlassen. Es kann mich daher nicht freuen, sondern höchstens Befriedigung und Bestätigung meiner Sachverständigentätigkeit empfinden lassen. Edmund Windbichler in einem Leserbrief an AUTO&Wirtschaft

>> Bis zuletzt hätte ich nicht geglaubt, dass bei einem sachlich so wichtigen Thema nur der Nutznießer der Änderung befragt wird. Das bedeutet einen Vermögensschaden für alle österreichischen Pkw-Besitzer. Komm.-Rat Friedrich Nagl, Bundesinnungsmeister der Kfz-Techniker, zur Veränderung der Formel

>> Jedes Werkzeug muss gepflegt werden, wobei Verbesserungen und Weiterentwicklungen meist von Anwendern angeregt werden. (...) "Entgegenkommen" für Partikularinteressen, wie dies ein pamphletartiger Artikel behauptet, gab und gibt es nicht. Diese Unterstellung weise ich auf das Schärfste zurück. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Wielke in einem Mail an die Anwender seiner Formel

>> Vielleicht könnten Sie ja das Antwortmail mit der Wunschliste des Herrn Bauer vorlegen. Interessant wäre auch zu wissen, welche der von Ihnen zwischenzeitig vorgenommenen drastischen Reduktionen der Wertminderungsbeträge auf die Wünsche der Versicherungen zurück gehen. (...) Was soll man dazu noch sagen -da bleibt einem ja wirklich die Luft weg. Gerhard Zeiner, stellvertretender Obmann der Kfz-Fachgruppe im SV-Verband für Wien, Niederösterreich und das Burgenland, in einem Brief an Wielke