Beim "Deutschen Autorechtstag" sind der Zentralverband Deutsches
Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) als Interessenvertretung der
Markenbetriebe, der Bundesverband freier Kfz-Händler (BVfK) und der
ADAC als Autofahrer-Lobby friedlich vereint.
Eine Initiative, die
auch für Österreich Vorbildwirkung haben könnte.
Interessant ist dieser praxisorientierte Erfahrungsaustausch auch
deshalb, da die drei Veranstalter höchst unterschiedliche Interessen
zu vertreten haben. Die gebundenen Markenhändler kämpfen für die
Vertriebsmodelle ihrer Hersteller, die von den "Freien" schlicht und
einfach als "Marktbehinderung" qualifiziert werden. Und beide
trachten gemeinsam, von der Konsumenten-Lobby nicht zu sehr an dieWand gedrückt zu werden. Letztlich hängt es von den Urteilen der
Gerichte ab, ob bei diesen Auseinandersetzungen das Pendel zugunsten
der einen oder anderen Seite ausschlägt.
"Immer unverhohlener wird aus dem Lager der Hersteller-Kartelle zur
rechtswidrigen Behinderung des freien Handels aufgerufen", richtet
sich die Kritik von BVfK-Obmann Ansgar Klein nicht gegen seinen
ZDK-Kollegen Ulrich Dilchert. Der kämpft im Interesse seiner
Mitglieder selbst gegen die Kfz-Hersteller, um diesen eine größere
unternehmerische Freiheit zu ermöglichen.
Ausreichender Wettbewerb?
"Es geht darum, den Verbrauchern den ungehinderten und freien
Warenbezug innerhalb der EU zu ermöglichen", sehen sich Klein und
Dilchert dabei durchaus im selben Boot. Der von Silvia
Schattenkirchner vertretene ADAC kann dabei als lachender Dritter
zusehen, da die Initiativen von ZDK und BVfK als Gegenpole zur
Industrie für ausreichenden Wettbewerb in der Kfz-Branche sorgen.
Wenn Rechtsanwalt Dr. Kurt Reinking als einer der Väter des
Autorechtstages über die "Praktische Handhabung der Sachmängelhaftung
beim Kauf von Neu-und Gebrauchtfahrzeugen" referiert, lassen sich
diese Ausführungen 1:1 auf Österreich übertragen. Schließlich haben
beide Länder die entsprechenden EU-Richtlinien in gleicher Art und
Weise ins nationale Recht umgesetzt.
Wie und in welcher Form lassen sich Gewährleistungsansprüche
ausschließen? Vor allem, wenn sich bei entsprechender Aufklärung der
Konsumenten sogar das in jedem Gebrauchtwagen schlummernde Risiko
mitverkaufen lässt! Welche Gefahren entstehen, wenn eine
unzureichende Aufklärung bereits wieder als "Mangelhaftigkeit"
qualifiziert werden kann? Das sind keine rechtlichen
Spitzfindigkeiten, sondern lauter Fälle, für die es in der deutschen
Judikatur bereits bindende Entscheidungen gibt. Wer sie kennt, ist
der Konkurrenz wahrscheinlich um eine Nasenlänge voraus.
Alle Experten vor Ort
Wann und unter welchen Umständen tappt ein Autohändler in die
"Rücktrittsfalle"? Hat der Käufer dabei möglicherweise die
Nachbesserungsmöglichkeit des Händlers außer Acht gelassen? Wie wirkt
sich das auf den ihm dann noch verbleibenden Gewährleistungsanspruch
aus? Der Vorteil eines solchen Autorechtstages ist, dass zur
Beantwortung derartiger Fragen gleich Dr. Wolfgang Ball als
Vorsitzender Richter des zuständigen Kfz-Senates beim
Bundesgerichtshof zur Verfügung steht.
Der erklärte den staunenden Händlern und Juristen auch, wie es im
Vorjahr zu den für den Autohandel höchst unerfreulichen
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes mit den Nummern C 65/09
und C87/09 kam. Diese haben zur Folge, dass der Verkäufer eines
mangelhaften Ersatzteils dem Kunden auch den Austauschaufwand zu
ersetzen hat. Auch dann, wenn der Kaufpreis dieses Ersatzteils nur
einen Bruchteil der damit verbundenen Ein-und Ausbaukosten ausmacht.
Wobei Ball bestrebt war, dieses EuGH-Urteil durch Berücksichtigung
einer vom Gericht festzulegenden "Schmerzgrenze" etwas zu mildern.
Fragen für die tägliche Praxis
Gilt eine vom Kunden verlangte Nachbesserung bereits als Anerkenntnis
dieser Reklamation? Eine in der Praxis täglich vorkommende Frage. Wie
kann man dem vorbeugen, wenn manche Gerichte tatsächlich einen derart
konsumentenfreundlichen Standpunkt vertreten? Einen Standpunkt, der
die Kosten der Defektbehebung dem Händler "umhängt", auch wenn sich
später herausstellt, dass die Reklamation auf keinen Fehlerdes
Fahrzeugs, sondern des Fahrers zurückzuführen war. Wie weit muss sich
ein Kfz-Unternehmer ununterbrochene Reklamationen des Kunden gefallen
lassen? Schwebt über ihm stets das Damoklesschwert, bei einer
Verweigerung der Erfüllung eines behaupteten Gewährleistungs-oder
Garantieanspruches gleich auch für die Kosten einer Drittreparatur
durch den vom Kunden beauftragten Konkurrenten aufkommen zu müssen?
Garantie oder Gewährleistung
Spannend ist auch die Parallelität vom gesetzlichen
Gewährleistungsrecht und den von den Herstellern gewährten
Garantiezusagen. Ist es für den Händler günstiger, eine Reklamation
über die Garantieschiene zu erledigen oder sollte er diese als
Gewährleistungsfall behandeln? Vor allem, da es für mehrere
fehlgeschlagene Verbesserungsversuche im Rahmen der Garantie nur die
Sanktion einer neuerlichen Reparatur gibt. Beim Gewährleistungsrecht
können dem Händler dann auch gleich Wertminderungs-oder
Wandelungsansprüche ins Haus stehen.
Sowohl beim Neuwagen-als auch beim Gebrauchtwagenhandel ist der
deutsche Markt zehn Mal größer als der österreichische. Das bedeutet,
dass auch zehn Mal so viele Streitfälle bei den Gerichten landen. Mit
dem Vorteil, dass beim nördlichen Nachbarn bereits viele Rechtsfragen
geklärt sind, für die es bei uns noch keine Judikatur gibt. Der Blick
über den Tellerrand kann den heimischen Händlern Anregungen geben,
wie sie Autos verkaufen können, ohne danach durch Kundenreklamationen
die Hosen zu verlieren. Weshalb "AUTO&Wirtschaft" künftig noch mehr
als bisher über deutsche Lösungen beim strittigen Kfz-Recht berichten
wird.