Schuster, bleib bei deinem Leisten. Gemeint sind damit jene Sachverständige aus dem Fachgebiet der Unfallrekonstruktion (17.01), die ohne entsprechenden Befähigungsnachweis und ohne praktische Kenntnisse "laufend Gutachten zur Höhe der Reparaturkosten, zum Fahrzeugwert, zum objektiven Minderwert, zur Reparaturdauer, zum Nutzungsentgelt und auch zur merkantilen Wertminderung" erstellen. Es handelt sich dabei um eine Replik auf einen Beitrag von Kamelreiter/Kersche/Wielke, die darin die Formel des Unfallrekonstruktionsexperten Univ.-Prof. Dr. Bernhard Wielke gegenüber der von einer Gruppe von Kfz-SV entwickelten "Salzburger Formel" zur Berechnung der "merkantilen Wertminderung" vehement verteidigen. "Die für die Unfallanalyse erforderlichen Fachkenntnisse decken nicht einmal ansatzweise die entscheidenden Fachfragen des Fachgebietes 17.11 ab", kritisieren die Kfz-Praktiker um Bundesinnungsmeister Fritz Nagl die "Mitbehandlung des Fahrzeugschadens im Zuge der Unfallanalyse".

Klare Abgrenzung eingefordert

Von den Gerichten wird bei den Gutachtensaufträgen eine klare Abgrenzung der Fachgebiete eingefordert. Im Bereich der Medizin fällt es keinem SV aus dem Bereich HNO ein, zahnärztliches Gutachten abzugeben. Obwohl sich beide Bereiche dem Kopf des Menschen widmen. Unter dem Obmann der gerichtlich beeideten Kfz-Sachverständigen Dr. Wielke wurden derartige Grenzen unter Berufung auf die richterliche Entscheidungsfreiheit immer stärker verwischt, lautet eine Kritik. "Selbstverständlich besteht auch für Spezialisten auf dem Gebiet der Unfallanalyse, die noch nicht über die Befähigung im Kfz-Schadensbereich verfügen, die Möglichkeit,sich Fachkenntnisse und Praxisjahre in einem Kfz-Betrieb anzueignen und die Meisterprüfung nachzuholen", geben sich die Autoren Gwercher, Nagl und Riautschnig konziliant. Eine "Mitbehandlung" des Fahrzeugschadens im Zuge der Unfallrekonstruktion durch einfaches "Nachbeten" der von den Versicherungen vorgegebenen Kalkulationen ist aus fachlicher Sicht aber strikt abzulehnen", verletze dies aus der Sicht des SV-Berufsrechtes den Anspruch der Geschädigten "auf originäre Gutachten zur Höhe des Fahrzeugschadens". Die ständig zu beobachtende "pauschale Bestätigung von vorgelegten Gutachten derVersicherungen" sei in Gerichtsverfahren abzulehnen.

"Nachbeten" unstatthaft

"Die Auswahl des Sachverständigen ist eine Ermessensentscheidung des Gerichts, das dabei nicht an die Vorschläge der Parteien gebunden ist. Mit dem Berufungsurteil 4R25/10v hat das Oberlandesgericht Graz einmal mehr die Unabhängigkeit der Richter bei der Sachverständigenauswahl bekräftigt. Das gilt auch dann, wenn der SV in dem zu beurteilenden Gebiet weder über die nötige Ausbildung noch über die nötige Praxis verfügt. Der Richter muss nur überzeugt sein, einen "Alleswisser" zum Sachverständigen bestellt zu haben.

Im konkreten Fall ging es um technische Probleme imäußerst vielfältigen Bereich des Maschinenbaus. Zur Lösung dieser Frage hat der Richter einem ihm zu Gesicht stehenden DI Dr.N.N. zum Sachverständigen bestellt. Die Einwendungen der Klägerin, dass dieser nur über Fachwissen im Fachgebiet Kraftfahrtechnik, Müllereimaschinen und Maschinenbau allgemein verfügt, nicht aber auch über das für Großmaschinen für ein Hafenprojekt, wurden vom Richter abgeschmettert. Schließlich habe "sein" Sachverständiger ihm dargelegt, aufgrund seiner Ausbildung - immerhin ein Doktorat -und seines beruflichen Werdeganges "zumindest den Großteil der streitgegenständlichen Problematik" begutachten zu können.

Die Tatsache, dass dieser Sachverständige in der Sachverständigenliste gar nicht für das zu beurteilende Fachgebiet eingetragen war, spielt keine Rolle. Die Eintragung in ein Fachgebiet besagt nur, dass er in diesem Gebiet besonders fachkundig ist. Das hat jedoch "keine Indizwirkung dahin, dass die zur Erfüllung des Gutachtensauftrages erforderliche Befugnis oder Fachkompetenz fehlt" .

Privatgutachten lediglich Urkunden

Wenn die von mangelnder SV-Kompetenz betroffenen Parteien hoffen, dies mit einem Privatgutachten korrigieren zu können, sind sie am Holzweg. "Denn Privatgutachten sind nicht mehr als Urkunden, die die Meinung ihres Verfassers wiedergeben, wobei dieser Verfasser nicht den Pflichten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen unterliegt", stellte der OGH in seiner Entscheidung 17 Ob 21/10b neuerlich klar, dass Privatgutachten den Gerichtsgutachtern nicht in die Quere kommen dürfen.

Zweierlei Maß

Diese Urteile zeigen die Schwäche der österreichischen Zivilprozessordnung (ZPO) bei der Regelung des Sachverständigenbeweises. Es ist einfach nicht nachvollziehbar, warum das Privatgutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen weniger Wert haben und weniger richtig sein soll als das von einem Richter in Auftrag gegebene Gutachten.

Tatsächlich haftet der privat beauftragte Gutachter für die Richtigkeit seines Gutachtens genauso wie der vom Gericht beauftragte. Wie soll bei uns ein Richter die Qualität eines SV-Gutachtens objektiv beurteilen, wenn er selbst den SV ausgesucht und das Gutachten in Auftrag gegeben hat.

Realitätsfremd

Es ist aus heutiger Sicht einfach realitätsfremd, dem Privatgutachten per ZPO lediglich Urkundscharakter und dem Verfasser -oft fachkundiger als der vom Gericht bestellte SV -nicht einmal Zeugenfunktion zuzubilligen. Hinzu kommt, dass die Sachverständigentätigkeit lediglich der Ausfluss einer einschlägigen außergerichtlichen beruflichen Tätigkeit sein sollte. Die Gerichtspraxis zeigt, dass dies nicht der Fall ist und sich "hauptberufliche" Sachverständige etabliert haben, die in Abhängigkeit ihrer Auftraggeber- der jeweiligen Richter -stehen.

Der OGH hat in seinem Urteil ausgesprochen, dass keine Gründe vom Abgehen von der bisherigen Regelung vorliegen. Tatsächlich sind den Gerichten durch die ZPO die Hände gebunden. Es liegt am Gesetzgeber, erforderliche Änderungen in die Wege zu leiten.