Bei uns wehren sich die Versicherer mit Händen und Füßen gegen die Einschaltung unabhängiger Sachverständiger. Sie bestreiten meist, dass deren Einschreiten erforderlich war -zu Unrecht, wie 2 jüngst ergangene Urteile zeigen.

InÖsterreich wurde der Geschädigte bisher meist in die Rolle eines Bittstellers gedrängt. Er stellt sein Auto in eine Werkstätte und wartet dann geduldig, dass die Werkstätte vom Gegner eine Reparaturfreigabe bekommt. Die wartet ihrerseits geduldig darauf, dass sich ein Schadensreferent zur Aktenbearbeitung bequemt. Wenn der vom Versicherten noch keine Unfallmeldung hat, dauert es oft tagelang, bis der Schaden besichtigt wird.

Flotter geht es in der Regel, wenn der schuldlos Geschädigte gleich einen Rechtsanwalt einschaltet. Haarig wird es jedoch, wenn diesem zur Durchsetzung der Schadensforderung ein Sachverständiger zur Hilfe eilt. Schließlich ist ein Jurist -sei es ein Richter oder ein Anwalt -kaum in der Lage, die Schadensursache und die Schadensfolgen technisch und finanziell exakt zu beurteilen. Eigentlich ist es daher sonnenklar, dass dem Geschädigten auch diese Kosten ersetzt werden.

InÖsterreich sehen das die zahlungspflichtigen Versicherungen ganz anders. Schließlich haben sie ihre eigenen Schadensbegutachter, um eine derartige Beurteilung selbst zu machen. Überdies viel billiger -weshalb der Geschädigte mit einem Auftrag an einen unabhängigen Sachverständigen angeblich gegen seine "Schadensminderungspflicht" verstößt. Ihm sei es auch durchaus zumutbar, dass er sich bei der Schadensabwicklung auf das Urteil der vom Schädiger beauftragten Versicherung verlässt. Tatsächlich beschäftigt diese Fachleute, doch sind diese aufgrund ihrer Abhängigkeit von Versicherungsaufträgen kaum mit unabhängigen Sachverständigen gleichzusetzen.

Das wurde auch vom Wiener Landesgericht für Zivilrechtsachen in der Berufungsentscheidung 37 R 426/10m so gesehen. In diesem Verfahren war die Höhe der Reparaturkosten strittig. Die Kfz-Werkstätte hatte deshalb vorweg für ihren Kunden ein Sachverständigengutachten beauftragt. Das Bezirksgericht Hernals verurteilte die Helvetia Versicherung zum Ersatz der dafür angefallenen 144,50 Euro. Das wurde von der Instanz bestätigt: "Der Klägerin ist zuzubilligen, dass sie sich über die Höhe der Reparaturkosten durch ein objektives Gutachten Kenntnis verschafft." Bei den damit verbundenen Kosten handle es sich "um einen Schaden, der durch den Unfall verursacht wurde und für den der Klägerin Ersatz zu leisten ist."

In einem Verfahren vor dem Bezirksgericht Hollabrunn ging es darum, dass sich der Kläger geweigert hatte, sein Fahrzeug durch einen Sachverständigen der Beklagten begutachten zu lassen. Er bevorzugte es, selbst ein derartiges Gutachten in Auftrag zu geben. Vor Gericht anerkannte die Versicherung die eingeklagte Forderung, wollte aber vom Kläger die eigenen Prozesskosten in der Höhe von 1.449,98 Euro ersetzt erhalten. Dies mit der Begründung, der Kläger habe seine "Mitwirkungspflicht gemäß §29 KHVG verletzt."

Das Landesgericht Korneuburg hat sich dieser Rechtsansicht nicht angeschlossen (21 R 110/11s). Es verweist auf die bisherige Judikatur, wonach ein Schädiger "die Fälligkeit einer Schmerzensgeldforderung nicht dadurch hinausschieben kann, dass er vom Geschädigten die Bereitschaft verlangt, sich durch einen vom Haftpflichtversicherer des Schädigers bestellten Sachverständigen untersuchen zu lassen". Den Geschädigten trifft nach dem Kfz-Haftpflichtgesetz lediglich eine Auskunftspflicht, aber keine Pflicht, "ein bei einem Verkehrsunfall beschädigtes Fahrzeug durch einen vom gegnerischen Haftpflichtversicherer beauftragten Sachverständigen begutachten zu lassen". Da die Beklagte "erst nach Klagszustellung einen Teilbetrag und nach Vorliegen eines im Prozess eingeholten Gutachtens die Restforderung gezahlt hat, wurde zur Klagsführung Anlass geboten." Dem Geschädigten war daher der gesamte Verfahrensaufwand -einschließlich des von ihm beauftragten Sachverständigengutachtens -zu ersetzen.