Der lange Marsch nach Europa nähert sich nach Um-und Irrwegen dem
Ziel: Vergessen sind das Debakel von Brilliance und Landwind sowie
die ersten Grauimportversuche von Chery nach Deutschland. Nun haben
deutsche, britische und amerikanische Automanager das Ruder ergriffen
und wollen es den etablierten Marken zeigen, wie das Beispiel der
neuen chinesischen Marke Qoros zeigt.
Der "Club der schlauen Wölfe" arbeitet im Auftrag des
chinesisch-israelischen Gemeinschaftsunternehmens Chery-Quantum schon
länger am Masterplan für Qoros. Co-Vorstandschef Volker Steinwascher,
ein 60 Jahre alter VW-Veteran, verbreitete Optimismus und hatte
sichtbar Freude, bei der offiziellen Präsentation der Marke Ende
November im Rampenlicht eines Shanghaier Weltausstellungspavillons zu
stehen. "Wir werden unsere Produktion nach 2013 auf 300.000 Einheiten
hochschrauben und die Hälfte nach Europa senden", verkündete er
selbstsicher.
Start mit 3 Modellen
Den Anfang wird eine Limousine in der Golf-Klasse in 2 Varianten
(Fünftürer und Limousine) machen, aber auch ein Geländewagen auf
derselben Plattform ist in Entwicklung. Bekannt wurde, dass die
Motoren von Chery kommen (entwickelt von AVL List) und das Getriebe
vom deutschen Zulieferer Getrag.
"In 18 Monaten wird das erste Modell vom Band laufen", kündigte
Steinwascher an. Schon im Oktober 2011 habe man mit den Testfahrten
eines ersten Erprobungsexemplars begonnen, in Kürze sollen
Wintertests in Nordchina folgen.Doch nicht nur im Reich der Mitte
wird getestet: "20 Prozent der Testfahrten werden in Europa und bei
Magna Steyr in Graz durchgeführt", fügt Klaus Schmidt, vormals
Entwicklungsleiter bei BMW-Motorsport (M-Serie) und nun Executive
Director Qoros Fahrzeugentwickung, hinzu.
Bekenntnis zur Eigenständigkeit
Neu ist das Geschäftsmodell des Gemeinschaftsunternehmens und die
klare Ansage, Fahrzeuge zu 100 Prozent nach westlichen Standards in
Sachen Sicherheit, Qualität und Design zu bauen. Steinwascher ist
stolz, dass die neue Marke kein externes Knowhow mehr benötige, da
sämtliche Patente und Fachwissen im Besitz vonQoros seien
beziehungsweise von Chery eingebracht worden seien. Die zusätzlich
benötigten Wissensträger wurden von Chery-Quantum gezielt von
internationalen OEM abgeworben, damit das Projekt starten konnte.
Unter Branchenkennern ist es ein offenes Geheimnis, dass alle vormals
jungen chinesischen Autobauer wie BYD, Great Wall oder Chery am
Beginn ihrer Laufbahn massiv Technologie und Design von ihren
globalen Mitbewerbern gestohlen haben: Das aber ist Geschichte und
geschah vor der Finanzkrise 2008, aus der die Volksrepublik stark und
selbstbewusst zu einer neuen Wirtschaftsmacht aufstieg.
Elektroautos in Vorbereitung
Bedenkt man die finanzielle Macht der Chinesen und den
emissionsbedingten Zwang, für das eigene Land alternative
Mobilitätslösungen zu finden, überraschen auch die Elektroautopläne
von Qoros nicht. Zudem findet man im Konzern des Partners Israel
Corporation zwei Unternehmen aus dem Elektroautosegment: den Anbieter
von Batteriewechselstationen Better Place sowie den Hersteller von
Batteriesystemen A123. Es liegt daher auf der Hand, dass Steinwascher
definitiv ankündigt, "auch ein Elektroauto zu bauen".
Ambitioniertes Design
Ein so preiswertes Auto, wie von Chery-Quantum angekündigt, kann und
wird nicht mit allen elektronischen Helferlein vollgestopft sein, um
Spitzenwerte in puncto Fahrdynamik und Performance zu erzielen.
Weniger ist mehr im Cockpit und Innenraum, so das Credo von
Steinwascher. Sein großes Vorbild ist das iPhone von Apple, das im
Design auch Gert Hildebrand, dem zweiten deutschen Automanager bei
Qoros (davor Opel, VW, Mitsubishi und zuletzt Mini), gefällt.
Schlichte, zeitlose Eleganz, sollen die Modelle von Qoros versprühen.
Bis wir das mit eigenen Augen sehen werden, müssen wir uns aber noch
gedulden, denn bislang gibt es keine Bilder von produktionsreifen
Modellen.
Konkurrent mit Startvorsprung
Während Qoros aber noch in den Startlöchern steht, startet Great Wall
schon durch und lässt auf einer Montagelinie in Lowetsch in Bulgarien
Autos vom Band laufen: Das Cityauto "Voleex C10" sowie in Kürze das
seit 2009 schon in Italien erhältliche SUV "Hover H5" und das
Pick-up-Modell "Steed".