Die Entzauberung des einstigen Shooting-Stars der chinesischen Automobilindustrie setzt sich 2011 fort: Zwischen Jänner und Juli hat BYD um 25 Prozent weniger Autos verkauft als im Vergleichszeitraum ein Jahr zuvor. Im Juni brach der Absatz gar um 33 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat ein. Und das in einem weiterhin wachsenden Automobilmarkt -in den ersten sieben Monaten wurden in China mit 7,6 Millionen Pkws um 5,1 Prozent mehr Fahrzeuge verkauft als 2010. Besonders erfolgreich waren die SUV-Hersteller (plus 29 Prozent), gefolgt von MPV (plus 15 Prozent) und Limousinen (plus 6,5 Prozent).

Milliardenverluste bei den Investoren

Kein gutes Vorzeichen für die Entwicklung der Aktie an der Börse in Shenzhen. Es gehört angesichts der jüngsten Turbulenzen auf den internationalen Aktienmärkten viel Mut, den Kursanstieg am Einführungstag (29. Juni 2011) von 40 Prozent als tragfähig anzusehen. Der Börsenwert der in Hongkong gelisteten BYD-Aktie ist dieses Jahr schon um mehr als 40 Prozent abgestürzt und weist damit BYD als Schlusslicht im 40 Unternehmen umfassenden Hang Seng China Enterprises Index aus.

2008 hat die von US-Investor Warren Buffett geleitete Berkshire Hathaway Corp. für 230 Millionen US-Dollar 9,9 Prozent der Aktienanteile von BYD erworben -drei Jahre später geht das Gerücht um, dass der amerikanische Billionär ans Kasse machen denkt. Sein Investment ist jetzt nur mehr 475 Millionen US-Dollar Wert, im Oktober 2009 waren es dagegen noch 2,47 Milliarden.

Am 23. August 2011überraschte BYD die Investoren mit einem katastrophalen Halbjahresergebnis. Eine Woche zuvor hat der Vizepräsident und Vertriebsleiter von BYD Xia Zhibing den Hut genommen und das Unternehmen aus "aus privaten Gründen" verlassen Bei den institutionellen Investoren macht sich noch mehr Unruhe breit, denn der Ausblick auf das dritte Quartal ist tief rot mit einem Verlust von 24 Millionen US-Dollar.

Kopieren statt entwickeln

Unter Brancheninsidern war es unter vorgehaltener Hand schon lange bekannt: BYD hat die am "kosteneffizienteste Entwicklungsabteilung" aller lokaler Autobauer in China. Während andere Firmen inzwischen gelernt haben, dass man den Aufstieg zu einem international anerkannten OEM nur schafft, wenn man Designmankos und Technologielücken durch legalen Zukauf über Entwicklungspartner und Designfirmen wie Magna, AVL List, Bertone, Pininfarina und Idea abbaut, bleibt derBYD-Boss Wang Chuangfu unbeirrt auf seiner Linie. Legendär ist sein Auftritt im BYD-Entwicklungszentrum im Jahr 2005 in Shenzhen, wo er die Zerlegung seines Mercedes 300S vor erstaunten chinesischen Technikern befahl. Als diese zögerten, zerkratzte er demonstrativ mit dem Wagenschlüssel den Lackund rief ihnen dann zu: "Jetzt könnt ihr anfangen!"

Seit Jahren zerlegen nun die Entwicklungsingenieure mit Vorliebe Kompaktautos der Marke Toyota wie den Corolla. Der F3 war bis Mitte 2010 das Erfolgsmodell von BYD, das viele Erstkäufer in den Provinzstätten überzeugte. Aber diese Cashcow ist sowohl im Design als auch bei der Ausstattung in die Jahre gekommen und ein zeitgemäßer Nachfolger ist noch nicht in Sicht.

Fehlende Automatisierung

Dank einer Legion von mehr als 140.000 Mitarbeitern (davon 30.000 Ingenieure), einem Höchstmaß an vertikaler Integration bzw. Rückwärtsintegration im Komponentenbau -BYD fertigt auch Sicherheitskomponenten wie Airbags und Gurtenstraffer -sowie der maximale Einsatz von manueller Arbeitskraft hat BYD bislang preiswerte Pkws für eine wenig anspruchsvolle Klientel produzieren.Auch Chassisteile sowie die A/B-Säule werden im BYD-eigenen Presswerk mit nachgelagerter, händischer Finalverarbeitung mit dem Gummihammer gefertigt. Dies erklärt die wenig ästhetischen Spaltmaße in der BYD F3 DM Dualmode Hybrid-Limousine.

Möglicherweise hat Wang, der BYD im Jahr 1995 gegründet hat, zulange von seinem Erfolgsrezept in der Massenfertigung von Batterieeinzelzellen für Handys profitieren wollen. Als weltgrößter Hersteller von Ni-Cd Batterien fertigt das Unternehmen auch heute noch zumeist manuell Li-Ion-Zellen, allerdings mit einer branchenunüblichen hohen Ausschussrate von 20 bis 30 Prozent. Besonders fatal wird die Verweigerung der Automatisierung bei komplexen Fertigungsprozessen mit geringer Fehlertoleranz wie bei der Produktion von Elektroautos und deren Komponenten.

Viel Lärm, wenig Substanz

BYD hat bislang Journalisten in Europa wie Amerika durch effektvolle Messeauftritte begeistert. Erinnern wir uns an den sagenhaften Auftritt im Detroiter Konferenzzentrum im Jahr 2007, als Wang einen elektrischen F3 durch den Konferenzraum vorbei am Podium des GM-Referenten steuern ließ und Teilnehmer wie Medienvertreter verblüffte. Der e6, Wunderauto in puncto Reichweite (300 Kilometer) und Schnellladefähigkeit (30 Minuten) verblüffte auch noch 2010 hartgesottene Motorjournalisten. Den Beweis einer Serienfertigung des e6 blieb BYD aber bisher schuldig. Cao Jianhua, Vice-Präsident der Firma Shenzhen B&K Rechargeables Battery Co. Ltd., merkt hierzu in einem Interview an, dass "BYD 2010 nur zwei F3DM-Fahrzeuge pro Tag" gefertigt habe und dass der e6 trotz Feldversuchs bei einem Taxiunternehmen in Shenzhen noch immer im Prototypenstadium verharre.

Billigmodelle statt Exportoffensive?

Schlussendlich geht der Integration von hunderten Batteriezellen und der stabilen Massenfertigung für Elektroautos entweder eine jahrelange Forschung voraus oder der legale Erwerb dieses Knowhow. Beides verweigerte BYD bisher standhaft -und verspielte damit viel Glaubwürdigkeit auch bei patriotischen Autokäufern in der Volksrepublik China, die aber auf die Verwirklichung der elektrischen Träume mangels Fahrzeugverfügbarkeit und Ladeinfrastruktur nicht mehr länger warten wollten.

Für die europäischen BYD-Händler gibt es noch einen Hoffnungsschimmer am Horizont: Die (Zwangs-)Ehen von BYD mit den deutschen Autobauern VW und Daimler könnten die Wende bringen. Die Fahrzeugimporteure in der DACH-Region wären überaus glücklich, wenn die erste Vorhut von zuverlässigen und sicheren Elektroautos ab 2012 vom Band laufen und nach Europa verschifft werden. Doch laut einer Pressemeldung von Mitte August will BYD künftig wieder das Geschäft mit klassischen Verbrennungskraftmotoren forcieren. Das an der Börse in Shenzhen aufgebrachte frische Kapital wird in den Ausbau der Produktion konventioneller Fahrzeuge investiert, um verlorenes Terrain im Brot-und-Butter-Geschäft gutzumachen. Dazu kopiert BYD munter weiter. Das im chinesischen Patentbüro eingereichte Design des Businessvans C6 ist äußerlich sehr nahe am Vorbild Nissan NV200. Bleibt zu hoffen, dass die "inneren Werte" des Fahrzeugs dank Technologieupgrade im Entwicklungs-und Fertigungsbereich diesmal zumindest den Erwartungen der chinesischen Konsumenten entsprechen -Österreich bitte weiterhin warten.