Die wettbewerbsrechtliche Neuregelung erlaubt es den Kfz-Herstellern, ihren "Partnern" bei der Neuformulierung ihrer Verträge verschärfte Konkurrenzklauseln aufzuerlegen. Dieses neue Knechtungsrecht gilt entsprechend der "Ergänzenden Leitlinien" zur neuen GVO 461/2010 für Werkstätten-und Ersatzteilverträge ab sofort. Für Händlerverträge wurde eine Übergangsfrist bis zum 1. Juni 2013 vorgesehen. Voraussetzungist lediglich, dass diese Wettbewerbsverbote nicht länger als fünf Jahre gelten. Die neuen Serviceverträge dürfen darüber hinaus die Werkstätten nicht behindern, "Originalersatzteile oder qualitativ gleichwertige Ersatzteile von Dritten zu beziehen".

Der bisher sowohl im Handel als auch in der Werkstätte erlaubte Mehrmarkenbetrieb hat aus der Sicht der Kommission den Wettbewerb behindert. Er habe die Hersteller bei rein qualitativer Selektion gezwungen, ihre Standards anzuheben, um damit die Zahl der Bewerber in Grenzen zu halten. Dies habe die Preise zulasten der Verbraucher in die Höhe getrieben, sodass die geplanten Kostensenkungseffekte der "alten" Kfz-GVO wirkungslos verpufft wären.

Mit der neuerlichen Freistellung des "Markenzwanges" - somit dem Recht des Herstellers zur Einforderung einer Markenexklusivität -wird aus Brüssler Sicht dieses Problem behoben. Jeder Betrieb kann zwar wie bisher die Autorisierung zur Markenwerkstätte einfordern, dank der Neuregelung allerdings nur für eine einzige Marke.

Die Hersteller können Händler und Werkstätten erneut zur Markenexklusivität verpflichten, müssen dies jedoch nicht. Es liegt in ihrem freien Ermessen, ob und welche andere Marken sie im Einzelfall einer Vertragswerkstätte genehmigen. Damit entfällt nach der Überzeugung der Wettbewerbshüter der bisherige Zwang zu wirtschaftlich sinnlosen Standardvorgaben. Somit werden die bisherigen, oft überzogenen Standards auf ein vernünftiges und wirtschaftlich sinnvolles Maß sinken. Damit werden -im Interesse der Verbraucher -überflüssige Kosten eingespart.

Völlig unberücksichtigt blieb in diesem Zusammenhang allerdings, was mit all jenen Unternehmen passiert, die schon bisher für mehrere Marken autorisiert waren. Vor allem starke Marken kommen leicht in Versuchung, ihren bisherigen Partnern bestehende Serviceverträge zu kündigen und die Vergabe neuer Verträge von einer Markenexklusivität abhängig zu machen. Diese wären dann gezwungen, mehrere nach Marken getrennte Werkstätten zu führen. Von den bisher im Interesse der Verbraucher propagierten Synergieeffekten im Service-und Reparaturgeschäft wäre dann keine Rede mehr. Die von der Kommission propagierten Preissenkungen würden damit genau ins Gegenteil kippen.

Der "Ergänzende Leitfaden" rechtfertigt die künftig erlaubten Wettbewerbsbeschränkungen mit der "Förderung des Markenimages und des Ansehens des Vertriebsnetzes". Dies werde dazu beitragen, "dass diese Marke für den Verbraucher attraktiver und der entsprechende Absatz gesteigert wird". Für unbefangeneBeobachter ist dies eine Einladung zu neuerlichen Standardanhebungen.

DieÜberlegungen mancher Hersteller zeigen schon jetzt, wohin der Hase läuft. Die künftigen Standards und die damit verbundenen erhöhten Kosten werden in erster Linie einer Netzausdünnung dienen. Die Auswirkungen des eingeschränkten Wettbewerbes werden wir erst in einigen Jahren zu spüren bekommen. Die heutigen Gesetzesbastler werden das dann kaum mehr zu verantworten haben.