Schafft Geely mit der Volvo-Übernahme den Sprung in die automobile
Oberklasse?
Umgerechnet 1,8 Milliarden Euro hat Li Shufu, Eigentümer der
Geely-Gruppe, im vergangen Jahr für die Übernahme von Volvo
ausgegeben. 1999 hatte Ford Volvo für umgerechnet 4,8 Milliarden Euro
erworben. Kein schlechter Deal für den schlauen kleinen Mann, dessen
unternehmerische Karriere begann, als er als Achtzehnjähriger von
seinem Vater 10 Euroals Belohnung für den Schulabschluss erhielt und
damit ein Fotogeschäft eröffnete.
Schillernder Unternehmer
Am 6. November 1986 gründete Li eine Fabrik für die Produktion von
Kühlschrankteilen, um 1992 in das profitablere Geschäft der
Motorradherstellung zu wechseln. Bald war er als Unternehmer in
dieser Branche erfolgreich und entwickelte sich zum viertgrößten
Hersteller in China. Durch die Übernahme eines Herstellersvon
Minivans erhielt das Unternehmen die staatliche Lizenz zur
Fahrzeugproduktion, bevor am 8. August 1998 der erste Pkw der Marke
Geely vom Band rollte.
Große Erwartungen
Eineinhalb Jahrzehnte später setzte Li mit dem Kauf von Volvo einen
Meilenstein in der Entwicklung der chinesischen Automobilindustrie.
Volvo war der erste westliche Autohersteller der Ober-und
Luxusklasse, der in chinesischen Besitz überging. Für die
national-kapitalistische Regierung in Beijing war die Übernahme desschwedischen Autoherstellers mit anerkannter Spitzentechnologie ein
erfolgreiches Prestigeobjekt. Geely bekam nicht nur auf legalem Weg
modernste westliche Technologie zum Upgrade der aktuellen
Produktlinien "Emgrand" und "Gleagle", sondern erwarb auch das
operative Volvo-Vertriebsnetz in Amerika und in Europa.
Im Rahmen einer Pressekonferenz in Peking, eingeleitet durch
Wagnerische Heldenmusik, gab Li auch selbstsicher bekannt, dass Geely
nun mit der schwedischen Premiummarke die deutsche Oberklassemarke
Audi im lukrativen Regierungsgeschäft angreifen werde. Der
verlängerte Audi A6 war bis dato die Staatslimousine für verdiente
Parteisekretäre und gehobene Regierungsbeamte.
Dringender Handlungsbedarf
Doch die Herausforderungen bleiben groß: In China ein zwölf Jahre
junges Unternehmen mit ca. 10.000 Beschäftigten und einer
Jahresproduktion von 300.000 Fahrzeugen, weit weg im
sozialdemokratischen Schweden ein Unternehmen, das mit 22.000
Mitarbeitern rund 375.000 Autos produziert. Es bleibt offen, ob die
zugesagte Finanzspritze von900 Millionen US-Dollar ausreicht, um den
Betrieb bei Volvo langfristig zu sichern. Geely muss intensiv die
Kostenstruktur des angeschlagenen Tankers Volvo verbessern.
Derzeit werden Volvo-Modelle in Göteborg und Gent (Belgien) sowie in
einem Joint-Venture-Werk in Chongqing (früher im Besitz von Ford und
Changan Automobile) im Südwesten der Volksrepublik China gebaut. Der
Zusage des neuen Eigentümers, dass die bisherigen Standorte bestehen
bleiben, mag man Glauben schenken. Fakt ist jedoch, dass Geely in
einem ersten Schritt die Zulieferkette "lokalisieren" und mehr
Komponenten aus China zukaufen wird, um die Herstellungskosten zu
senken. Auf der Prioritätenliste ganz oben steht auch die Sondierung
eines Produktionsstandortes im Raum Peking bzw. in Shanghai.
Politische Strippenzieher
Obzwar immer wieder betont wurde, dass die Volvo-Übernahme von einem
internationalen Käuferkonsortium finanziert wurde - unter anderem
durch den Einstieg eines Investment Fonds von Goldman Sachs bei Geely
mit 250 Millionen Dollar -ist eines unbestritten: Der chinesische
Staat hat als Mastermind hinter dem Deal die Fäden gezogen.
Mittlerweile ist in China die Produktion von 300.000 Volvo pro Jahr
geplant. Doch der Weg zum "Big Player" im Reich der Mitte ist für
Volvo noch lang: 2010 wurden in China gerade einmal 17.000 Wagen
abgesetzt.