Was passiert, wenn sich ein Importeur nicht an die Kfz-GVO hält? Was
passiert, wenn einer Vertragswerkstätte oder einem Autobesitzer
daraus Schaden entsteht? Dieser Frage ist Kfz-Innungsmeister
Friedrich Nagl auf Anregung der Citroën-Händler nachgegangen. Die
Antwort ist einfach: derzeit nichts.
Anlass war Anfang November ein Rundschreiben an die "sehr geehrten
Citroën Partner", das "Wartungsnachweise bei Garantiearbeiten" zum
Thema hatte. Mit diesem wurde in Erinnerung gerufen, vor Beginn von
Garantiearbeiten zu überprüfen, dass sämtliche vorhergehenden
Wartungsarbeiten im Citroën-Netz durchgeführt wurden. Ohne
lückenlosen Nachweis werden Garantiereparaturen nicht vergütet. Daran
anschließend die Warnung: "Sie handeln auf Ihr eigenes Risiko!"
Weit verbreitetesÜbel
Mit dieser Vorgangsweise steht Citroën nicht allein da. So findet
sich in den Opel-Garantiebedingungen ein Anspruchsausschluss, wenn
"das Kraftfahrzeug zuvor durch einen Dritten, der weder
Opel-Vertragshändler noch autorisierter Opel-Service-Betrieb ist,
gewartet oder instand gesetzt wurde und der Kunde dies erkennen
musste". Ein Opel-Partner hat einem derartigen "Fremdgänger", der
einen Garantieanspruch einfordern will, die Tür zu weisen - außer er
ist bereit, für Fehler des Konzerns aus eigener Tasche aufzukommen.
Ähnliche Erfahrungen mussten auch Mercedesund Ford-Kunden machen,
obwohl sich in deren schriftlichen Garantiebedingungen keine
derartigen klaren Ausschlussklauseln finden. Allerdings erreichen
netzinterne Weisungen den gleichen Zweck. Überdies kann es einer
Vertragswerkstätte als probate Ausrededienen, die eine oder andere
unterbezahlte Garantiearbeit abzuwimmeln.
Eindeutiger Kommissionswille
Die sonst so ins Detail gehende Kfz-GVO 2002 lässt Gewährleistung und
Garantie verblüffenderweise unerwähnt. Dies wurde erst im
dazugehörigen "Leitfaden" nachgeholt. Dort wird zum Thema
"Kundendienst" die Frage 37 gestellt:
"Kann der Hersteller die Gewährleistung verweigern, wenn ein
Verbraucher sein Fahrzeug während des Garantiezeitraums von einer
unabhängigen Werkstatt instand setzen oder warten lässt?" Die
Antwort: "Eine allgemeine Verpflichtung zur Wartung oder
Instandsetzung des Autos innerhalb des zugelassenen Netzes während
eines solchen Zeitraums würde jedoch die Verbraucher ihres Rechtes
berauben, sich für die Wartung oder Instandsetzung ihres Fahrzeugs in
einer unabhängigen Werkstatt zu entscheiden."
Damit hat die freie Werkstattwahl des Kunden oberste Priorität. Dies
wurde dem Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) von der
EU-Kommission schon am 13. März 2003 auf Anfrage ausdrücklich
bestätigt. Eine Vorgabe, die von gesetzestreuen Herstellern seither
auch befolgt wurde.
Nicht einklagbare Rechte
Doch was passiert mit jenen, die sich nicht daran halten? Das wurde
in Frage 38 berücksichtigt: "Was kann ein Verbraucher tun, wenn er
meint, dass er durch wettbewerbsfeindliches Verhalten geschädigt
wurde?" Dazu die Antwort: "Er kann eine Beschwerde an die Europäische
Kommission oder eine nationale Wettbewerbsbehörde richten. Er kann
eventuell auch eine Schadenersatzklage beieinem einzelstaatlichen
Gericht einbringen."
Da hat die Kommission allerdings die Rechnung ohne Wirt gemacht. Denn
inÖsterreich entschied der Oberste Gerichtshof, dass aus der Kfz-GVO
keinerlei zivilrechtlichen Ansprüche ableitbar sind. Bereits im
Urteil 4Ob269/98g stellte er klar: "Gruppenfreistellungsverordnungen
bestimmen nur, unter welchen Voraussetzungen das EG-Kartellverbot auf
bestimmte Gruppen von Vereinbarungen durch einen generellen Akt für
nicht anwendbar erklärt werden kann."
Um alle Unklarheiten zu beseitigen, fügte er in 4Ob 348/98z noch
hinzu: "Sie stellen keine zwingenden Vorschriften auf, welche die
Gültigkeit oder den Inhalt von Vertragsbestimmungen unmittelbar
berühren oder die Vertragsparteien zur Anpassung des Vertragsinhaltes
verpflichten." Nebenbei merkte er an, dass der "Leitfaden" zur GVO
rechtlich keinerlei Bindungswirkung habe. Im Klartext: Die den
Autokäufern per GVO suggerierte freie Werkstattwahl bei Fortdauer
ihrer Garantieansprüche ist nicht einklagbar.
Zum Rechtsbruch gezwungen?
Die Kommission sieht das weiterhin anders. In ihren neuen
"ergänzenden Leitlinien" zur künftigen GVO hält sie in der Randzahl
59 ausdrücklich - wie schon zuvor in Frage 37 - an der freien
Werkstattwahl ohne Verlust von Garantieansprüchen fest. Zahlreiche
Vertragswerkstätten stehen damit auch künftig vor dem Dilemma, gegen
ihren eigenen Willen auf Weisung des Herstellers berechtigte
Garantieansprüche abweisen zu müssen. Sonst gehen sie das Risiko ein,
nachträglich vom Importeur zur Kasse gebeten zu werden. Gleichzeitig
wissend, dass sie damit Kunden verärgern und gegen EU-Recht
verstoßen.
Mangelnde Sicherheit
Selbst Bundeskartellanwalt Dr. Alfred Mair hat dafür keine Abhilfe
parat: Gewährleistung und Garantie wurden nämlich von der Kommission
in wichtigen Punkten nur durch unverbindliche "soft laws" geregelt.
Aus der Sicht des Praktikers sei es daher fraglich, ob sich der
Europäische Gerichtshof mit diesem Thema überhaupt auseinandersetzen
werde. Allerdings hat er bereits vor Jahren -entgegen der
Rechtsansicht des OGH - in einer Leitentscheidung (C453/99)
klargestellt, dass Verstöße gegen das EU-Kartellverbot sehr wohl zu
individuellen Schadenersatzansprüchen berechtigen.
Mairs Empfehlung: eine Beschwerde an die Europäische Kommission. Nach
dem Vorstoß von Nagl muss sich diese nun mit der unzureichenden
Bindungswirkung der künftigen GVO auseinandersetzen.