Normalerweise verlaufen Kammerwahlen nicht besonders aufregend. Nicht
so bei den Wiener Kfz-Technikern: Gerhard Sprinzl stellt sich dem
brisanten Zweikampf mit Amtsträger Werner Fessl.
Ob Kfz-Handel oder Gewerbe: Seit Alters her erstellt der
Wirtschaftsbund vor jedem Urnengang auf Landesebene seine
Wahlvorschläge. Der jeweilige Listenführer wird später
Landesgremialobmann oder Landesinnungsmeister. Die restlichen
Wahlwerber aus dem roten, blauen oder grünen Lager führen eher ein
Statistendasein. Doch in Wien probt heuer der ehemalige
stellvertretende Landesinnungsmeister Gerhard Sprinzl den Aufstand:
Er tritt als Unabhängiger mit einer eigenen Liste gegen den
amtierenden Landesinnungsmeister Ing. Werner Fessl an.
Nicht aus parteipolitischen Erwägungen, denn Sprinzl ist nach wie vor
Mitglied des Wirtschaftsbundes. So ist er im Landesgremium auf dem
aktuellen Wahlvorschlag des Spitzenkandidaten Komm.-Rat Burkhard
Ernst zu finden. Er ist jedoch überzeugt, dass bei der Innung ein
dringender Reformbedarf besteht: Zur Verwirklichung seien neue Köpfe
erforderlich. Besonders zeige sich das bei der Aus-und Weiterbildung,
die im Kfz-Gewerbe einen hohen Stellenwert habe. "Das ist eine
Kernaufgabe der Innung", betont Sprinzl. "Sonst machen alle ihre
eigenen Experten."
"Ganz schlechtes Niveau"
Für Sprinzl - seit 1981 in der Bildungspolitik engagiert - ist unter
Fessl in Wien einiges schiefgelaufen. "Hier ist das Niveau in der
Aus- und Weiterbildung ganz schlecht, weil jeder sein eigenes
Süppchen kocht." Das spiegle sich etwa in der §-57-Schulung wider, in
der Fessl dem ÖsterreichischenWirtschaftsverlag mit seiner
RedEd-Akademie in der Grundausbildung eine Monopolstellung eingeräumt
habe. Dem Mitgliedsbetrieb koste das pro Mitarbeiter 719 , in allen
anderen Bundesländern gingen diese Kosten nicht über 500 hinaus. Wer
von diesen Mehrkosten profitiere, bleibe das Geheimnis von Fessl,
sagen dessen Kritiker: Entweder ist es der Wirtschaftsverlag oder es
sind die Schulungsreferenten, die auf der Honorarliste des
Wirtschaftsverlages stehen. Allen voran der Landesinnungsmeister, an
dessen Unterschrift im Bildungspass kein Innungsmitglied vorbeikommt,
sofern es nicht in andere Bundesländer ausweicht.
Der Amtsinhaber weist diese Vorwürfe entschieden zurück. "Ich setze
mich ganz gezielt für die Ausbildung ein", verweist er beispielsweise
auf die kürzlich erfolgte Anschaffung eines neuen Übungsfahrzeugs für
die Vorbereitungskurse zur Meisterprüfung. Dass die Pickerlschulungen
in Wien überdurchschnittlich teuer sind, erklärt Fessl mit einem
besonders hohen Ausbildungsniveau sowie diversen Zusatzleistungen wie
voller Verpflegung: "Wir haben steigende Teilnehmerzahlen", sieht er
seine Philosophie bestätigt.
Von den Versicherungen abhängig?
"Funktionäre sollten sich nicht an ihren Mitgliedern bereichern",
sagt dagegen Sprinzl. Für ihn war der Kurs von Fessl ausschlaggebend,
nach dessen Amtsantritt seine Stellvertreterfunktion niederzulegen.
Darüber hinaus findet er das Naheverhältnis von Fessl und der
Versicherungswirtschaft bedenklich: DieWerkstätte von Fessl wurde
schon vor Jahren zu einer Generali-Filiale, der gelernte
Maschinenbauer beschränkt sich seither hauptberuflich auf sein
Kfz-Sachverständigenbüro. Dieses ist naturgemäß stark von
Schadensbegutachtungen der Versicherungen abhängig.
Auch darin sieht Fessl ungerechtfertigte Anschuldigungen: "Ich bin
nach wie vor aktiv", betont er. Im Unterschied zu früher beschränke
er sich aber darauf, nun ohne Mitarbeiter selbst Spezialreparaturen
durchzuführen.
Die Mitglieder entscheiden
"Viele Klein- und Mittelbetriebe kämpfen ums Überleben", plädiert
Sprinzl als Chef einer 10-Mann-Firma für die Wiedereinführung der
Bezirksmeister: "Dann hätten die Mitglieder wieder einen
Ansprechpartner, der selbst einen Betrieb führt."
Dieser Ansicht haben sich auch einige andere Kfz-Meister
angeschlossen und gemeinsam mit Sprinzl einen eigenen Wahlvorschlag
eingebracht. Abgabetermin war der 15. Jänner, bis 12. Februar läuft
das kammeramtliche Prüfverfahren, danach werden die Wahllisten
offiziell bekannt gegeben. 583 Wiener Kfz-Techniker werden sodann vom
27. Februar bis zum 2. März in einer Urwahl über die Vergabe von 14
Innungsmandaten entscheiden, wobei erfahrungsgemäß nur die Hälfte von
ihrem Wahlrecht Gebrauch machen wird. Die Details des daran
anschließenden weiteren Wahlsystems - bis hinauf zum
Kammerpräsidenten-werden von der Kammer unter www.wkw.at zum Thema
"Wahlkundmachung" publiziert.
Sprinzl geht davon aus, mit seiner Liste genügend Mandate zu
erlangen, um bei der Wahl des Landesinnungsmeisters entscheidend
mitmischen zu können. Seine Vision laut eigenen Aussagen: Unabhängige
Funktionäre sollen dafür sorgen, dass das Reparaturgeschäft auch in
Zukunft gesunde Betriebe ernährt, statt dass diese am Tropf der
Versicherungswirtschaft langsam verhungern.