Der Autohandel muss sich von der Kfz-GVO verabschieden. Dieses
Szenario, das von jüngsten Entwürfen der EU-Kommission vorgezeichnet
wird, erläuterten kürzlich der deutsche Händleranwalt Dr.
Christian
Genzow und seine Anwaltskollegin Antje Woltermann, Geschäftsführerin
des ZDK. In groben Zügen war das Ergebnis bereits vorgezeichnet, seit
EU-Untersuchungen im Neuwagenhandel"keine Anhaltspunkte für
nennenswerte Wettbewerbsbeeinträchtigungen in der EU" gefunden
hatten. Die Kfz-Hersteller brauchen sich somit künftig nur nach der
Schirm-GVO zu richten. Zur Anpassung an die neuen, großzügigeren
Wettbewerbsbedingungen der "Schirm-GVO" wurde zur Beruhigung der
Händlereine Übergangsfrist von drei Jahren vorgesehen.
Obwohl es bedeutend mehr Kfz-Werkstätten als Vertragshändler gibt,
kam die Kommission zum verblüffenden Ergebnis, dass bei Reparatur und
Service der Wettbewerb weniger ausgeprägt sei. Deshalb muss es für
diesen Markt auch in Zukunft ergänzend zur Schirm-GVO
sektorspezifische Regelungen geben.
Nach den jüngsten Vorschlägen sind sowohl im Neuwagenhandel als auch
im Werkstättengeschäft über fünf Jahre hinausgehende
Vertragsbindungen verboten. Unbefristete Verträge gelten dann als
wettbewerbswidrig. Sie verlieren nach Ablauf dieser Frist somit ihre
Bindungswirkung.
Generell fallen sämtliche bisher bestehenden Schutzbestimmungen für
den Fahrzeughandel weg. Das betrifft die zweijährige Kündigungsfrist,
die Begründungspflicht für Kündigungen, die Rechte zur Anrufung eines
Schiedsrichters, zum Betriebsverkauf innerhalb des Netzes, zur
Weitergabe von Serviceleistungen an Subunternehmer und die freie
Standortwahl. Auch eine Beschränkung auf das Werkstättengeschäft kann
der Hersteller dem Vertragspartner nach dem derzeitigen Entwurfstext
untersagen.
Für die Werkstätten darf es zur Förderung des Wettbewerbes zumindest
keine quantitativen Beschränkungen geben. Alle Unternehmen, welche
die qualitativen Standards eines Herstellers erfüllen, haben einen
Anspruch auf Autorisierung zur Vertragswerkstätte. Allerdings kann
der Hersteller den gleichzeitigen Betrieb eines Kfz-Neuwagenhandels
zum Qualitätskriterium erklären. Und da gilt weiterhin die
quantitative Selektion, mit welcher der Hersteller die Anzahl der
Betriebe nach freiem Ermessen beschränken darf. Womit er zwangsläufig
wie in alten Zeiten indirekt auch wieder die Zahl der
Vertragswerkstätten einschränken kann.
Erneut darf der Hersteller den Händlern Wettbewerbsverbote
auferlegen. Zumindest jenen, die neu ins Netz hinein wollen. Den nach
der bisherigen Rechtslage geschaffenen Ist-Zustand wird man legal
kaum abschaffen können. Womit sich eine Parallelität altgedienter
Mehrmarkenhändler ohne Markenexklusivitätspflicht und neu
hinzugekommener Händler mit Markenexklusivität ergibt. Wie das mit
dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sein soll, bleibt derzeit
schleierhaft.
Clevere Händler werden die drei Jahre der Übergangsfrist sicher dazu
nutzen, neue Marken dazuzunehmen, um sich dem drohenden Korsett der
Markenexklusivität auch in Zukunft zu entziehen. Die schon bisher
erfolgreich mehrere Marken führten, werden sich von diesen kaum
trennen. Aus der Sicht Woltermanns sind sie auch
betriebswirtschaftlich dazu kaum in der Lage: "Wie erklären sie der
Bank, wenn ihnen damit ein Drittel ihres Umsatzes weg bricht? Da wird
ihnen sofort der Kredit gekündigt."
Manche gehen davon aus, dass die Hersteller nun flächendeckend die
Verträge kündigen werden. Andere bezweifeln das, da den Herstellern
damit ihre schon jetzt meuternden Händlernetze abhanden kommen
könnten. Denen eine Kündigung willkommener Anlass zum Abschied und
Inkasso eines Ausgleichsanspruches wäre.
Profis erwarten, dass es auch weiterhin Individualvereinbarungen mit
großen Händlergruppen geben wird, damit die Industrie ihre
Überkapazitäten los wird. "Solange es den Herstellern schlecht geht,
geht es den Händlern gut", zog ein liquider Opel-Händler aus der
derzeitigen GM-Krise seine Lehren. Die Schere zwischen großen und
jenen kleinen Händlern, die ihren Lieferanten nicht unter Druck
setzen können, wird so weiter auseinandergehen. Damit scheint
allerdings das bisherige Geschäftsmodell "Autohaus" grundsätzlich ins
Wanken zu kommen.