Diese weise Vorsicht hat uns schon der römische Dichter Ovid gelehrt. Sie gilt bis heute. Daran sollten sich auch die heimischen Kfz-Werkstätten erinnern, wenn Kfz-Produzenten den freien Zugang zu Ersatzteilen blockieren. Wie etwa Tesla, das den im Wettbewerbsrecht verankerten Grundsatz des freien Zugangs zu Ersatzteilen nicht so genau nimmt. Die Dichte des Tesla-Markennetzes hält sich in bescheidenen Grenzen. Damit soll offenbar das Reparaturgeschäft der 7 konzerneigenen Niederlassungen und der 24 Partner mit Teilevertrag gegen Konkurrenz abgeschottet werden. Anders ist es nicht erklärbar, dass die Bestellungen externer Werkstätten am Sankt Nimmerleinstag erledigt werden. Frei nach dem Motto: Verzögerung ist der beste Weg der Verhinderung.
Freie Werkstätten müssen sich vor einer Ersatzteilbestellung beim Tesla-Importeur registrieren. Sie haben mitzuteilen, für welche Fahrgestellnummer die Lieferung erfolgen soll. Danach müssen sie die Lieferung zu 100 Prozent im Voraus bezahlen. Und bekommen dann die Mitteilung, dass ihnen der Liefertermin anschließend bekannt gegeben wird. Worauf die Verständigung erfolgt, dass ein Liefertermin derzeit noch nicht bekannt gegeben werden kann. Was einem Kunden, der auf seine Reparatur wartet, schon die erste Nervenprobe abverlangt.
Werkstätten, die nach einer Weile urgieren, bekommen vom Importeur – als Monopolisten für diese Lieferung – die bedauernde Auskunft, dass auch weiterhin kein Liefertermin in Aussicht steht. Wer daraufhin seinen Kunden um Geduld bittet und ihm weiterhin einen reparierten Tesla verspricht, der wird sich zu einer neuerlichen Urgenz aufschwingen. Und die Mitteilung erhalten, dass weiterhin kein Liefertermin bekannt sei. Man sei jedoch bereit, die Bestellung zu stornieren und das Geld zu retournieren.
Zu seiner Verblüffung wird dieser Tesla-Kunde feststellen, dass dieser Ersatzteil für seine Reparatur jeder Tesla-Vertragswerkstätte prompt geliefert wird, er bloß zu einer Tesla-Werkstätte zu wechseln braucht. Oder er den Ersatzteil selbst im Tesla-Shop kaufen kann. Wobei sich Tesla bei seiner Bestellung ausdrücklich vorbehält, diesen Auftrag nachträglich zu stornieren, wenn dieser an einen Außenstehenden weiterverkauft werden soll. „Tesla und Tesla-Partner verkaufen ausschließlich direkt an Endkunden. Wir behalten uns das Recht vor, einseitig jede Bestellung stornieren, von der wir annehmen, dass sie zum Zwecke des Weiterverkaufs getätigt wurde oder dass sie dazu bestimmt ist, unsere Markenrechte zu verletzen.“
Die bis 31. Mai 2028 gültigen Leitlinien zur sogenannten „Werkstätten-GVO“ Nr. 461/2010 dürften dabei völlig in Vergessenheit geraten sein. Nach deren Ziffer 21 sind alle Vereinbarungen verboten, „wenn eine Vereinbarung zwischen einem Anbieter von Teilen und einem Abnehmer, der diese Teile weiterverwendet, den Anbieter daran hindert oder seine Möglichkeit beschränkt, die Teile an Endverbraucher, unabhängige Werkstätten und andere Dienstleister zu verkaufen, die der Abnehmer nicht mit der Reparatur oder Wartung seiner Ware betraut hat“. In der Folge weisen diese Leitlinien darauf hin, dass diese Bestimmung für Originalteile, die nur über den Kraftfahrzeughersteller oder Mitglieder seines Netzes zugelassener Werkstätten zu beziehen sind, von besonderer Relevanz ist. Würden Händler und Anbieter vereinbaren, „dass solche Teile nicht an unabhängige Werkstätten geliefert werden dürfen, so würde dies unter das Verbot von Artikel 101 AEUV fallen“.
Es hat den Anschein, dass Tesla kein Einzelfall ist. Daher sollte auch die Bundeswettbewerbsbehörde wachsam sein.