Die Reifenbranche ist vor den allgemeinen wirtschaftlichen Problemen und Veränderungen nicht gefeit: Teuerung, wirtschaftliche Unsicherheiten und (zumindest psychologischer) Kaufkraftverlust sowie der Fachkräftemangel treffen auf branchenspezifische Herausforderungen wie hohe Reifenkomplexität, größere Dimensionen und Logistikthemen. Natürlich betrifft das geänderte Konsumentenverhalten und die nach wie vor wachsende Online-Thematik auch die Reifenbranche, gleichzeitig bleibt die Montage aber immer eine regionale Dienstleistung.

Der Geschäftsverlauf

In den vergangenen Jahren hat das Reifenersatzgeschäft von den niedrigen Neuzulassungen profitiert. Die Fahrzeuge wurden vom aktuellen Besitzer länger behalten und damit wurde mehr in deren Erhaltung investiert. Selbst wenn Neuzulassungszahlen wie vor Corona (mit einem hohen Kurzzulassungsanteil) nicht mehr erreicht werden, wird heuer das Engagement der Autohersteller- und Importeure wieder verstärkt Aktionen und Beigaben bringen. Während das nun kommende Sommerreifengeschäft noch unter oben genannten Voraussetzungen steht, werden Pkw-Neuzulassungen mit geschenkten Winterrädern wohl die nächste Wintersaison beeinflussen.

Die Reifenvielfalt

Die Reifenvielfalt wächst nach wie vor und beeinflusst das Geschäft gleich in mehreren Bereichen: Die Logistik ist komplex und für einen kleinen bis normalen Reifenfachbetrieb – ohne Industrie bzw. Großhandel – nicht mehr zu bewältigen. Die Lagerhaltung (samt Finanzierung) ändert sich ebenso wie die Saison-Planung, die Lieferantenbeziehung und das Kundengespräch. Kompetente Beratung von gut ausgebildeten Verkäufern ist wichtiger denn je.

Der Ganzjahresreifen

Während in Deutschland der All-Season-Anteil bereits über 30 Prozent liegt, wird Österreich – trotz Klimaveränderung – ein starkes Winterreifenland bleiben. In den Ballungszentren, also vor allem im Großraum Wien, nimmt der All-Season-Anteil aber weiterhin zu, auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Sensibilität der Konsumenten. In manchen Wiener Betrieben sorgt man sich bereits um die Auslastung des Reifenhotels. Hier sind Lösungen hinsichtlich der Kundenfrequenz erforderlich.

Das Flottengeschäft

Das Flottengeschäft wird anteilig größer und wichtiger. Immer mehr Fahrzeuge, auch im privaten Bereich, sind „gemanaged“. Immer seltener entscheidet der Fahrer bzw. Nutzer über den Reifen und auch immer weniger über den Betrieb, den er ansteuert. Gleichzeitig wird dieses Flottengeschäft administrativ ständig aufwändiger. Ohne Abrechnungs-Kooperationen, die etwa bei großen Leasingfirmen nur noch über die größeren Netzwerke möglich sind, können Kunden gar nicht mehr betreut werden, also die Dienstleistung oder der Reifen nicht mehr abgerechnet werden. 

Die Leasing-Vorgaben

Die Vorgaben (einiger) Leasingfirmen werden dabei zunehmend restriktiver. Zwar ist ein gewisses Kostenbewusstsein nachvollziehbar, die Einschränkung auf bestimmte Marken und Qualitäten macht aber Probleme in der Kundenbetreuung. Denn die Kundendiskussion über Quality- statt Premiumreifen bleibt schließlich beim Reifenhändler. Ebenso führt die Nichtverwendung von Markenkennungen zu Problemen mit der Performance des Fahrzeuges, teilweise sogar mit Assistenzsystemen. Hier braucht es sachlich fundierte Vorgaben. 

Die Bürokratie

Generell nimmt die Bürokratie mit Kunden, Flotten, Leasingfirmen, Lieferanten und Behörden laufend zu. Die „unproduktive“ Arbeitszeit, also jene Mitarbeiter-Zeit, die nicht verkauft werden kann, wird stärker zum Thema. Dienstleistungen dürfen nicht nur nach der Arbeitszeit des Monteurs berechnet werden, sondern müssen die administrativen Kräfte miteinbeziehen.

Die Kostensteigerungen

Die Kosten- und Preissteigerungen der vergangenen Jahre sind enorm und dennoch müssen sie an die Kunden weitergegeben werden. Selbst wenn die Mobilität für den Kunden zur finanziellen Herausforderung wird, muss die Reifenbranche ihre Dienstleistungen richtig kalkulieren und im entsprechenden Maße verrechnen. Dabei ist es wohl nicht die Dienstleistung, die den Kunden schnaufen lässt: Die Reifen sind grundsätzlich teurer geworden und vor allem die Reifendimension ist in vielen Fällen vom vorigen zum aktuellen Fahrzeug größer geworden. Egal, ob klassische Gebrauchtwagen-Fahrer, die etwa vom Kompakt-Kombi zum Kompakt-SUV aufgestiegen sind, oder Firmenwagen-Fahrer, die vom Diesel zum E-Auto umgestiegen sind, zwei Zoll größere Reifen sind eher die Regel als die Ausnahme. Und dementsprechend höher sind die Kosten für vier Reifen samt Felgen.

Die Leistbarkeit 

Das führt zu den erwähnten Mobilitätskosten, die für viele Menschen zum Problem werden. Wie oben beschrieben, sind beim Umstieg auf einen jüngeren Gebrauchtwagen, der etwa von Leasingfirmen ohne Winterräder kommt, hohe Kosten für die Wintersaison zu tragen. Teilweise ist das für die Konsumenten überraschend hoch und nur schwer stemmbar. Hier wird es Lösungen wie Reifen-Leasing brauchen. Beim Elektronik- oder Baumarkt ist das längst Realität. 

Die Elektromobilität

Während mechanische Werkstätten die Elektromobilität und das rückläufige Service- (und Schmierstoff-)Geschäft beklagen, profitiert der Reifenfachbetrieb davon: Die Reifendimensionen sind größer, der Verschleiß durch das höhere Gewicht und das höhere Drehmoment ebenso und gemeinsam mit dem wichtigen Rollwiderstand führt das dazu, dass die Bedeutung und das Bewusstsein für den Reifen wieder steigt. Es macht hier einen stärker spürbaren Unterschied, welcher Pneu montiert ist. Beratung und Kompetenz sind ebenso wichtig wie eine Hochvolt-Ausbildung.

Die Zukunftsthemen

Wir sehen schon jetzt mehr als genug Themen und Herausforderungen. Und dennoch wird sich auch in den kommenden Jahren noch einiges bewegen: da ist etwa Euro 7, wo zwar die Grenzwerte etwa für den Reifenabrieb schon festgelegt sind, die Umsetzung aber noch nicht klar ist.
Dazu kommen – die nun etwas entschärften – Nachhaltigkeits-Regelungen für große Unternehmen, die auch Auswirkungen auf deren Fuhrparks und dessen Betreuung haben werden. 
Weitere Zunahme bei Assistenzsystemen bis hin zum autonomen Fahren werden auch den Reifen und dessen Sensorik verändern, die Montage und Wartung wird komplexer. Das können nur echte Profis.

Die Chancen

Dennoch überwiegen die Vorteile und Chancen des regionalen Reifenfachbetriebes: Egal, wer das Auto fährt oder besitzt: es werden Reifen benötigt, die professionell und regional montiert werden müssen. Bei der wachsenden Komplexität der Fahrzeuge und der Reifen sowie bei dem hohen Fachkräftemangel, der uns noch länger begleiten wird, wird es zu wenige Profis geben, die das beherrschen. Für die Billiganbieter – sowohl beim Produkt als auch bei der Montage – wird es schwieriger. Es braucht gut ausgebildete Experten, die in Zusammenarbeit mit der Industrie einen – hinsichtlich Technik, Sicherheit und Umwelt – sehr wichtigen Job erledigen. Dessen sollten sich die Reifenspezialisten bewusst sein.