Ob oder wie lange es überhaupt noch Kfz-„Händler“ im herkömmlichen Sinn geben wird, kann ich derzeit schwer abschätzen. Ein Wechsel zum Agentursystem mit der damit verbundenen Lagerkosten-Entlastung wäre ein wesentlicher Schritt in Richtung Existenzsicherung. Doch VW, Europas Platzhirsch Nummer eins, rudert schon wieder zurück. Manche haben bereits vor der Einführung eine Kehrtwende gemacht, andere haben erst gar nicht daran gedacht. In Wolfsburg hat man erkannt, dass der damit verbundene Kapitalbedarf angesichts der bevorstehenden CO2-Strafsteuern die Finanzierungsmöglichkeiten übersteigen könnte. Inzwischen hat man dafür nun etwas mehr Zeit bekommen (lesen Sie dazu den Artikel auf Seite 27). -Realisten halten es für ausgeschlossen, dass die diktierte 2025er-Zielvorgabe eines CO2-Schwellenwertes von 93,6 g/km im Europa-Durchschnitt erfüllbar ist.
Denn aktuell liegen alle europäischen Produzenten darüber, sind vom CO2-Ziel mehr oder minder weit entfernt. Sie klammern sich an die Hoffnung, mit ihren Modelloffensiven und billigeren BEV-Angeboten das Blatt noch wenden, sinnlose Millionenstrafen vermeiden zu können. Vor allem die derzeit eher gefragten Hybrid-Modelle sind große Hoffnungsträger. Dies unabhängig davon, dass deren CO2-Einsparungen im Alltagsbetrieb vom errechneten Papierwert meilenweit abweichen. Von Herstellerseite, wie zuletzt etwa vom Sprecher des Arbeitskreises der Automobilimporteure, Günther Kerle, wurde bereits darauf aufmerksam gemacht, dass das von Brüssel erhoffte Manna aus den dunklen CO2-Wolken gar nicht in Brüssel runterregnen könnte. Sondern der Segen der CO2-Zielverfehlungs-Strafen in den Taschen der reinen E-Car-Produzenten landen könnte. Und zwar durch das sogenannte „Pooling“:
Mit diesem nutzen die Kfz-Produzenten die Möglichkeiten des Zusammenschlusses in einem Pool. In diesem werden die Flottenwerte der Hersteller mit höheren CO2-Emissionswerten mit jenen der CO2-armen Flotten gebündelt. Derzeit gibt es am Kfz-Markt jedoch nur wenige Player, die unter den EU-Flottenzielen liegen. Lauter Newcomer, die bei ihren Modellen keine Verbrenner-Tradition zu berücksichtigen hatten: Geely mit Volvo Car, Polestar und smart, SAIC mit MG, dazu noch Tesla. Die lassen sich diese Bündelung gut bezahlen. „Mit dem Effekt, dass anstelle von EU-Strafen hohe Beträge an Ausgleichszahlungen an diese E-Fahrzeughersteller bezahlt werden“, kommentiert Kerle trocken die grüne Umweltstrategie. Andernfalls hätten diese außereuropäischen Produzenten die Möglichkeit, die CO2-Einsparungen ihrer E-Mobile als Zertifikate am freien EU-Emissionsmarkt zu verkaufen.
Derzeit haben sich Stellantis, Toyota, Ford, Mazda und Subaru mit Tesla geeinigt, ihre Flottenwerte zu bündeln. Mercedes will sich mit smart und Volvo Cars einigen, VW und BMW wollen sich bis Herbst 2025 Zeit lassen, um zu sehen, ob sie ihre CO2-Ziele doch noch selbst stemmen können.
Bei diesem EU-CO2-Poker könnten jedenfalls die Kfz-Händler auf der Strecke bleiben – wie dies der Bundesgremialobmann des Fahrzeughandels Ing. Klaus Edelsbrunner befürchtet. Denn es ist davon auszugehen, dass die Hersteller ihre CO2-Zielvorgaben auf ihre Händler abwälzen. Die Annahme von Verbrenner-Bestellungen davon anhängig machen, dass diese Händler proportional dazu E-Auto-Orders tätigen. Unabhängig davon, ob sie dafür entsprechende Kundenaufträge haben oder nicht.
Gleichzeitig werden die Hersteller die Preise der Elektroautos nach unten schrauben – und damit den Lagerbestand der Händler unter Druck bringen und Lagerabwertungen erforderlich machen. Kosten, die im Agentursystem die Hersteller treffen, im Händlersystem die Händler schlucken müssen. Kosten, die sie ihrem Ende wieder ein Stückchen näherbringen. Kein Wunder, dass sich die Hersteller vom Traum eines Agentur-systems sehr schnell wieder verabschiedet haben.