„Verbrennerverbot gekippt“ hat die Kronen Zeitung reichweitenwirksam vor kurzem getitelt. Im Vorspann wurde dann schon relativiert: „Nach einer sehr bemerkenswerten Abstimmung in Brüssel am Montagabend steht das Aus für Verbrenner-Motoren vor dem tatsächlichen Aus.“ Dennoch haben einige Boulevard-Medien in Deutschland sowie diverse Lobbying-Organisationen vor allem den Titel übernommen und von einer Trendwende berichtet.

Über die Branchen-Reaktionen wurde naturgemäß weniger getitelt, dabei kommt das Dementi durchaus schwergewichtig vom Verband der Automobilindustrie VDA, der sich in den vergangenen Jahren nicht gerade unkritisch zur aktuellen Gesetzgebung positioniert und – aufgrund des Schwerpunkts in der Zulieferindustrie – auch immer für Technologieoffenheit plädiert hat. Auf Anfrage mehrerer Medien stellte der VDA dann klar, dass es bei den Diskussionen in Brüssel keineswegs um eine Änderung der EU-Flottenregulierung gehe. (Danke an dieser Stelle an die wahrheitsinteressierten Kollegen von 'Automobilwoche' und 'auto motor sport', die beide weder als linksgrün noch verbrennerfeindlich bekannt sind).

Ein Sprecher des VDA sagt der Automobilwoche: "Die aktuell kursierenden Berichte bringen einige Thematiken und Zuständigkeiten durcheinander und leiten daraus falsche Schlussfolgerungen ab." Zudem handele es sich nicht um eine Entscheidung der EU: "Es geht nicht um die CO2-Flottenregulierung und nicht um die CO2-Grenzwerte von neu zugelassenen Fahrzeugen. Es geht um eine freiwillige Methodik. Und: Es geht hier nur um die Position des Ausschusses, die Trilogverhandlungen mit dem Rat sind noch ausstehend."

Zu ‚auto motor sport‘ sagt der VDA: Konkret bezögen sich die Artikel auf eine gemeinsame Abstimmung von Umwelt- und Verkehrsausschuss (ENVI/TRAN) (also nicht des EU-Parlaments, Anm.) zum Thema 'CountEmissionsEU'  Dabei ginge es um eine rechtlich nicht bindende Methodik, wie CO₂-Emissionen von Transportdienstleistungen harmonisiert betrachten werden könnten. 

Der VDA fordert vielmehr endlich Planungssicherheit. Denn in der Automobilindustrie weiß man längst, dass die Zukunft elektrisch ist, es geht lediglich um den Weg und vor allem die Geschwindigkeit dorthin. Langsam – und das muss man auch den Vertretern der hier wankelmütigen Parteien ins Stammbuch schreiben – wird’s für die europäische Autoindustrie gefährlich. Klar, dass bei den etablierten Herstellern die Verbrennermodelle momentan noch die Entwicklung der batterieelektrischen Fahrzeuge (und das Aufholen des technischen Rückstandes gegenüber Tesla und den chinesischen Herstellern) finanzieren müssen. Je länger allerdings die Transformation dauert und je länger parallel produziert und weiterentwickelt werden muss, um so teurer wird es. Und um so größer wird der Rückstand gegenüber Tesla und den chinesischen Herstellern. Und diese Fehlentwicklung trifft in ganz hohem Ausmaß die europäische Zulieferindustrie. 

Was offenbar nicht gesehen wird: Die Dynamik in der E-Mobilität ist gewaltig. Spätestens 2027, so die Schätzung, wird Preisparität beim Anschaffungspreis herrschen. Bei den Total Cost of Ownership schon früher, da die Schere zwischen Strom und Sprit weiter auseinandergeht. Dabei reden wir noch gar nicht von Performance, Laufruhe, Dynamik, kostenlosem Laden mit PV-Strom, günstigem Laden mit dynamischen Tarifen, bidirektionalem Laden.... Da reden wir von weiter steigenden Spritpreisen durch Erweiterung des Emissionshandels auf den Verkehr. 

Ob 2035 in Europa ein so genanntes „Verbrennerverbot“ (dass es in dieser Formulierung gar nicht gibt, es geht um 0 CO2-Emissionen) umgesetzt wird, ist hinsichtlich dem Konsumentenverhalten so egal wie wenn dann in China das vielzitierte Radl umfällt (vermutlich dann ein E-Bike). Im High-End-Markt Mitteleuropa hat der Konsument längst seine Wahl getroffen: günstiger, besser, moderner. Die Frage ist nur: Wer baut diese Fahrzeuge, wer verkauft und wer repariert sie? Und hier herrscht Handlungsbedarf. 

Stellantis-Boss Carlos Tavares und Renault-Chef Luca de Meo haben schon vor Wochen das „Verbrennerverbot“ bekräftigt, nun hat auch VW seine Elektrifizierungsstrategie und das Verbrenner-Aus unterstrichen. Alle ersuchen die Politik um Unterstützung, um die notwendige Transformation möglichst rasch zu schaffen. 

Besonders absurd erscheint der Gedanke, dass der Verbrennungsmotor eine langfristige Überlebenschance (in entwickelten Märkten) hat, wenn man die weiteren Trends des Autos der Zukunft ansieht: software-defined vehicle, Vernetzung, autonomes Fahren und Digitalisierung bis hin zum kilometerfressenden, wartungsarmen Robo-Taxi, immer kürzere Entwicklungszyklen sowie Mega- und Giga-Casting für günstige Produktion: all das definiert das Auto der Zukunft und das funktioniert besser oder teilweise ausschließlich mit dem batterieelektrischen Automobil. Und all das wird in naher Zukunft auch den Konsumenten überzeugen. Egal, ob uns der Branche nun gefällt oder nicht...

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