Die größte Herausforderung war, dass sowohl der Händler als auch die Hersteller in vielerlei Hinsicht vor komplettem Neuland gestanden sind, dass wir sehr lange in der vorhandenen Denkweise waren und sind, die Umstellung zur Agentur im Detail aber doch eine große ist“, betonte Mag. Franz Schönthaler, Obmann des FCA-Händlerverbands Österreich. Letztlich könne das System funktionieren, wenn man sich der Sache positiv annähere. „Für die Händler ist es so, dass man für die größte Veränderung liebgewonnene Kompetenzen aufgeben muss. Da geht es vornehmlich nach Verkaufsgesprächen um die gemeinsame Preisgestaltung mit den Kunden, die nicht mehr stattfindet. Es geht letztlich auch um den Verlust der Selbstständigkeit, wie man sein Lager und Demo-Fahrzeuge bestellt und konfiguriert – das ist alles eingeschränkt. Es geht auch darum, dass die Abläufe sehr präzise vonstatten gehen müssen. Der Agent handelt ja im Namen des Herstellers und gibt Eigenverantwortung zugunsten oder zulasten des Herstellers auf. Ich bin seit 42 Jahren in der Branche, man hat sich immer als Kaufmann gefühlt, der auch ein gewisses Risiko trägt. Das ist ein Anreiz. Doch diesen Anreiz, diese Motivation teilweise abgeben zu müssen, ist eine mentale Sache, die wir alle lösen müssen.“
Neue Regeln, an die man sich halten muss
In den Gesprächen mit den Importeuren hätten sich so viele Dinge ergeben, die in ihrer Auswirkung von beiden Seiten nicht erkannt worden seien, so Schönthaler. Das betreffe etwa die Betriebswirtschaft, wo das neue System sage, dass dem Vermittler von Neuwagen keine Kosten erwachsen dürften. Das bedeute, dass man sich in seinem Betrieb die Kostenstruktur anschauen müsse, die NW betreffe – die direkt zuordenbaren Kosten und die indirekten Kosten. „Wobei es darum geht, die Kosten aufzuteilen. Einen Teil der Kosten wird der Hersteller selbst übernehmen und den anderen Teil über die Provision abdecken. Es gibt auch ein relativ präzises Regelwerk, das die Rechte und Pflichten des Herstellers und des Retailers definiert. Es gibt in Österreich Kraftfahrzeuggesetze, das geht hin bis zum Kollektiv-vertrag, wenn es um Öffnungszeiten geht. Es geht auch um die Standards. Es ist ja nicht so, dass der Hersteller bei der Umstellung auf das Retailer-System auf sämtliche Standards verzichtet. Auch hier muss man schauen, welche Möglichkeiten man im eigenen Betrieb hat und wer die Kostenteilung und die Standards übernimmt.“ Auch steuerrechtliche Fragen seien ein Thema, es stelle sich die Frage, ob der Agent einen Umsatz mache, wenn er nur vermittle. Das hänge mit der Umsatzsteuer, allen umsatzbezogenen Steuern und Abgaben wie Tourismusabgabe oder Kammerumlage zusammen. Es gehe auch um die IT, eine riesige Herausforderung: Angebotslegung, Kaufvertrag, Fakturierung – man sei ja nicht mehr selbst der Händler, sondern man agiere im Namen des Herstellers. „Es gibt keine Preisverhandlungen mehr, es gibt Regeln, an die man sich halten muss. All das muss der Geschäftsführer, der Chef oder der Verantwortliche umsetzen. Es lohnt nicht, Angst davor zu haben“, so Schönthaler.
Zukunftsmodell Omnichanneling
Es gehe darum, sich zu überlegen, „wie wir den Vertrieb in Zukunft gestalten können, das Vertriebssystem, so wie wir es kennen und verstehen, gibt es in Wirklichkeit schon seit über 100 Jahren, seit den 1920er-Jahren ist der indirekte Vertrieb das dominante System“, meinte Mag. Jürgen Lenzeder, Leiter Vertrieb & Marketing der Marke Porsche, Porsche Austria. Man gehe in die Zukunft, es gebe Megatrends wie Dekarbonisierung, Klimawandel, Digitalisierung, und es stelle sich die Frage, wie man darauf reagieren solle. „Alle Kanäle zu spielen und zu verbinden, ist nach meinem Empfinden ein wesentlicher Aspekt. Das Omnichanneling, also das nahtlose Verbinden aller Kundenkontaktpunkte (die Wissenschaft spricht von 120 Kundenkontaktpunkten bis zum Fahrzeugkauf) mag ein hehres Ziel sein, ist aber in der Umsetzung gar nicht so leicht.“ Natürlich tue man sich im Direktvertrieb leichter, der Hersteller habe in diesem Fall die Gestaltungsmöglichkeit über alle Kanäle hinweg. „Wir sind in einer regulierten Branche, wir haben Kartellrechts- und Datenschutzgesetze, die Grenzen ziehen, auch was das Thema Kundendaten betrifft.“
Händler-Vertretungen stehen beratend zur Seite
Im Rahmen der Transformation hin zu neuen Vertriebsmodellen wird dem Fahrzeughandel und auch deren Interessenvertretung(en) eine hohe Bedeutung beigemessen. Das Bundesgremium Fahrzeughandel unterstützt gemeinsam mit dem Verband österreichischer Kraftfahrzeugbetriebe (VÖK) die Händler beim Übergang vom herkömmlichen Vertriebs- auf das Agenturmodell. Dabei stünden vorrangig rechtliche Frage im Mittelpunkt, erklärte Komm.-Rat Ing. Klaus Edelsbrunner, Obmann des Bundesgremiums Fahrzeughandel. Die Veränderungen in der Branche seien da, auf die einzelnen Betriebe kämen gegenwärtig hohe Kosten (Energie, Löhne und Gehälter etc.) zu, da könne das Agentursystem auch eine Hilfe sein. Allerdings müsse jeder Betrieb selbst entscheiden, ob das Agenturmodell für ihn Sinn mache. Entwicklungen müssten beobachtet werden, unter anderem in technischer Hinsicht oder aus der Richtung von Kundenerwartungen. „Wir Händler sind das Bindeglied zum Kunden, und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Den Unterschied macht der Verkäufer“, gab Edelsbrunner zu bedenken. Generell rät er den Betrieben, zukunftsgewandt zu sein und auch vor Investitionen nicht zurückzuschrecken. Zudem sei die Kommunikation (auf Augenhöhe) zwischen Hersteller/Importeur und Handel so wichtig wie nie zuvor.
Agenturmodell von Europas Autobauern präferiert
Das seit Jahrzehnten bekannte Vertriebsmodell habe sich über die Jahre immer weiterentwickelt, das werde auch beim Agenturmodell der Fall sein, ist sich Günther Kerle, Sprecher des Arbeitskreises der Auto-mobilimporteure in der Industriellenvereinigung -Österreich, sicher. Beim Wechsel auf das Agentursystem gebe es einige rechtliche Unsicherheiten, vieles müsse auch noch ausjudiziert werden. Allerdings, so Kerle, würde „jede europäische Marke im stillen Kämmerlein den Umstieg auf ein Agentursystem planen“.
Mit dem neuen Vertriebsmodell könne die Vertriebsstruktur kostengünstiger gestaltet werden, Tesla diene hier als Beispiel. „Durch ein Agentursystem lässt sich ein gewisser Standard sicherstellen. Es kann zu einer Win-win-Situation kommen, falls es eine faire Abmachung gibt“, betonte der Importeurssprecher. Ein reiner Vertrieb via Internet sei derzeit noch „weit hergeholt“, allerdings würden die Fahrzeuge immer komplizierter, was wiederum Chancen für die Beratung im Autohaus und die Werkstätten biete, falls sich diese das notwendige Know-how aneigneten.