Ich möchte, dass wir uns eine Vision der Zukunft ausmalen, in der das Material in unserer Branche deutlich mehr Beachtung bekommt und etwas, was wir sonst als Abfall betrachten, wieder eine Rolle spielt.“ Mit diesen Worten eröffnete Kaan Erdem seinen Vortrag auf dem VRÖ-Reifentag im Rahmen der AutoZum. Erdem ist als Sohn von Nureddin Erdem, Geschäftsführer der Reifenstop GmbH, mit der Reifenbranche aufgewachsen. Bei seiner Überlegung, was die Branche zu mehr Nachhaltigkeit beitragen könne, ist der Fokus des jungen Mannes auf Wuchtgewichte gefallen: „Neue Wuchtgewichte sind auch nicht anders als alte.“ Hier befinde sich laut Erdem ein großer Hebel, um nachhaltig etwas zu bewegen.

Enormes Einsparungspotenzial
Der Abbauprozess von Zink ist sehr umweltschädlich, dennoch werden in Deutschland und Österreich jährlich unzählige Tonnen Zinkwuchtgewichte entsorgt. Würden diese stattdessen durch Recycling ihren Weg zurück an die Räder finden, könnten laut Erdem rund 54.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Der junge Visionär schlägt vor, die Wuchtgewichte in Recyclingcontainern zu sammeln, statt diese einfach zu entsorgen. Um die Mengen an eingespartem CO2 auch an die Betriebe kommunizieren zu können, möchte Erdem ein Überwachungs- und Berichtssystem erstellen. „Diese Features werden auch dabei helfen, in den Austausch mit den Kunden zu kommen.“ Für die Zukunft hat Erdem noch eine ebenso mahnende wie schöne Botschaft: „Ich bin der Meinung, dass unsere Verantwortung weit über Reifen hinausgeht. Wir sollten in der Welt, in der wir leben und arbeiten, immer auch für Verbesserungen sorgen.“

„Sie sind in einer glücklichen Branche“
Die Elektrifizierung schreitet in großen Schritten voran, doch welche Auswirkungen sie genau mit sich bringen wird, ist oft nicht klar. Die Studie „Electrification of light vehicles – Fluch oder Segen für den europäischen Aftermarket“ von Roland Berger soll hier für mehr Klarheit sorgen. Laut Fabian Heuken, Senior Consultant bei Roland Berger, erwarte man, dass die Brutto-Kfz-Teile-Nachfrage 2040 gegenüber dem Wert von 2019 um 13 bis 17 Prozent sinken wird. Für die Reifenbranche sieht es aber anders aus: „Bei Reifen erwarten wir sogar einen Zuwachs.“ Durch das höhere Gewicht sowie das höhere Drehmoment rechne das Unternehmen mit einer Steigerung von 15 Prozent gegenüber 2019. „Sie sind in einer sehr glücklichen Branche“, so Heuken.

Neues Potenzial
Zusätzlich zu der erwarteten Steigerung im Reifengeschäft sieht Heuken noch weitere Chancen für die Branche: „Eine Ihrer Kernkompetenzen ist die Logistik.“ Die Zurverfügungstellung von Logistikkompetenzen sei eine Möglichkeit für die Branche, durch den Wandel zu profitieren. „Wichtig sind dabei in jedem Fall frühes Handeln und die Offenheit für Zusammenarbeit“, so Heuken abschließend.

„Es geht nur gemeinsam“
In der abschließenden Diskussionsrunde war unter anderem die steigende Komplexität eines der brennendsten Themen, wie Michael Peschek-Tomasi, Geschäftsführer der Reifen Partner GmbH, betonte. „Die Komplexität wird für den Handel allein nicht stemmbar. Wir werden das gemeinsam und partnerschaftlich lösen“, so Roland Steinberger, Geschäftsführer Michelin Österreich. „In der heutigen Zeit ist die Just-in-Time-Lieferung extrem wichtig. Es geht nur gemeinsam“, betont auch Günther Riepl, Senior Sales Director Austria, Swiss & Eastern Europe bei Falken. Ein weiteres wichtiges Thema, mit dem sich die Branche künftig verstärkt auseinandersetzen müsse, ist laut VRÖ-Vorstand Hermann Hladky der Ganzjahresreifen. Die Nachfrage auf diesem Gebiet steige stetig an, deshalb müsse man sich ansehen, welche Chancen das Thema birgt und was dem Betrieb dadurch verloren geht.