Der Kunde spuckt nicht Feuer, die Vergaser aber sind kurz davor. Der Porsche 912 hängt auf der Bühne wie ein frisch ausgepacktes Modellauto. Man würde ihn am liebsten in die Vitrine stellen. „Aber der Motor läuft so rumpelig, dass man glauben könnte, ein Kompressor rennt daneben“, fasst Gerd Reinprecht die Problematik zusammen. „Wir dachten sogar, etwas beim Motor würde nicht passen, also haben wir den noch einmal zerlegt. Aber es liegt tatsächlich an den Vergasern.“ Neue gute wären zu bekommen, aber das Budget des Kunden ist schon ziemlich ausgelaugt: „Also versuchen wir, mit Teilen aus unserem Fundus etwas Passendes zurechtzubauen.“

Alltag im Meisterbetrieb am Rande von Münchendorf. Reinprechts Werkstatt macht alle Fahrzeuge, ist aber spezialisiert auf Oldtimer. Klassiker mit mechanischer Seele, denen man mit Messwertblöcken und Auslesegeräten nichts entlocken kann. Reinprechts liebstes Werkzeug ist daher nicht der Laptop, sondern ein schlichter Schlitzschraubenzieher. „Den brauche ich zum Einstellen und Justieren von Vergasern und Zündanlagen.“ Ein Blick nicht nur in das klassische Schrauberbusiness, sondern zugleich eine Ursachenforschung, was es braucht, um erfolgreich zu sein. Geräusche zu interpretieren, unlogisch denken zu lernen und warum immer weniger dieses goldene Handwerk betreiben wollen, möchten oder können.

Eine gute Einstiegsfrage: Wie konnte es eigentlich so weit kommen?

Das große Problem ist sicher, dass das Reparieren über Jahrzehnte hinweg nicht gefördert wurde. Wennst das alte Auto reparierst, kannst du dir kein neues leisten. Das ist so eine Imagegeschichte. Damit wurde aber auch vergessen, Dinge wieder in die Hand zu nehmen und nicht einfach nur Teile auszutauschen. Und auch die Generation an Mechanikern, die ohne Computer noch auskommt, wird immer weniger.

Braucht man solche Mechaniker heut­zutage überhaupt noch?

Im Fahrzeug selbst, auch bei modernen, sind die Gründe, warum etwas nicht funktioniert, oft einfache Verbindungen, Stecker oder ein Marder, der etwas zerbissen hat. Wenn du nicht weißt, wo du suchen musst, kommst du recht schnell drauf, dass das 3.000 Euro teure Steuergerät doch nicht der Fehler war. Und dieser Nachdenkprozess, warum etwas nicht funktioniert, ist abhandengekommen. 

Gibt es Grenzen für Reparaturen?

Es stellt sich dann die Frage, wann es unwirtschaftlich wird. Aber der Touran hier zum Beispiel, der hat 473.000 Kilometer auf dem Tacho und fährt immer noch, und er fährt einen Verbrauch von sechs Liter Diesel. Eine andere Kundin fährt mit ihrem Golf sogar mit noch weniger. Die mag ihren Wagen einfach nicht hergeben.

Überfordern moderne Autos leicht? 

Die technische Überfrachtung überfordert sicher viele. Wie die erste wirklich moderne S-Klasse vor zehn Jahren, da habe ich einmal nach dem Sicherungskasten gesucht. Und die Bedienungsanleitung, die war zehn Zentimeter dick, mit vollgeschriebenem dünnem Papier, da kennt sich doch keiner mehr aus und du kannst dir zwei Stunden Zeit nehmen, um das erst einmal zu lesen. Da halte ich es lieber mit einem einfachen Spruch: Was im Auto nicht drin ist, kann auch nicht kaputt gehen.

Wobei ja nicht alle Neuerungen grundsätzlich abzulehnen sind, oder?

Ein elektrischer Fensterheber zum Beispiel ist schon gut. Aber braucht man wirklich eine automatisch öffnende Heckklappe? Die ganzen Dämpfer, die Steuergeräte, das ist alles Gewicht ohne Ende, und dann stoppt die Klappe zwei Zentimeter vor dem Endpunkt und keiner weiß warum. Diese Gimmicks, mit denen man die Leute überzeugen wollte, wie gut man ist, die schrecken viele ab, weil man schon so viel gehört hat, was und wie schnell alles hin werden kann. Ich glaube, dass die Leute mit einfacheren bewährten Lösungen besser aufgehoben wären.

Also meinst du, dass es generell besser ist, mit seinem bestehenden Auto einfach weiterzufahren?

Ich sag meiner Kundschaft immer, dass, wenn sie sich noch nicht sattgesehen haben oder kein Bedarf für ein anderes Fahrzeug besteht, es von der technischen Seite keine Einwände gibt. Sicher fragen mich viele nach der Glaskugel, ob sie nächstes Jahr auch noch das Pickerl kriegen werden, aber manchmal ist die Antwort sogar ziemlich leicht. Es gibt Autos, die haben nach 20 Jahren immer noch keinen Rost zum Beispiel, sind aber auch nicht sonderlich gepflegt. Denen kann ich dann ruhigen Gewissens empfehlen, einfach weiterzufahren.

Kann man denn überhaupt noch an moderneren Autos reparieren?

Ein gutes Beispiel sind etwa beim Diesel die AGR-Ventile. Wenn es nicht gerade ein wassergekühlter ist, undicht wird und die Elektronik überflutet, ist dieses Ventil nur verkokt und verrußt, das kann man locker reinigen. Im Notfall auch nur mit Pinsel und Nitroverdünnung oder auch mit einem Ultraschallgerät. Das ist kein großer Aufwand und man braucht nichts neu kaufen. 

Hast du nach wie vor Freude daran?

Oh ja! Die richtig gute Geschichte war ja, wie ich mit 48 meiner Frau präsentiert habe, dass wir jetzt hier starten. Das war ja nur eine grüne Wiese. Aber mir war schon früh klar, dass ich die Lehre mache. Nebenbei bin ich Kart gefahren, damit war die Richtung bereits vorgegeben. In einem Renault-Betrieb habe ich dann gelernt, aber immer ein Auge auf den Motorsport gehabt. Irgendwann ist mir Eisenstadt dann zu klein geworden. 

Und dann kam die eigene Werkstatt?

Zwischendurch war noch der ÖAMTC, der auch so weit okay war. Damals gab es noch das Arbeitsmodell acht Tage arbeiten, sechs Tage frei. Das war natürlich optimal für mein erstes Restaurationsprojekt. Und 1995 war ich schon am Absprung, in die USA zu ziehen, kam dann aber zufällig an die erste Werkstatt, wo ich am Anfang nicht einmal einen Schraubenzieher hatte.

Und dann kam der Neubau?

Nachdem ich mich mit dem Vermieter überworfen hatte, sah ich keine andere Chance. Zurück zum ÖAMTC oder irgendwo der Annahmeleiter zu sein, kam nicht infrage. Da kam dann das Angebot mit dem Grundstück gerade recht, aber die Halle ist nicht neu. Das ist die ehemalige Verkaufshalle von Porsche Graz. Also ist die Werkstatt an sich schon nachhaltig bis hin zur Küche, die von einem befreundeten Tischler aus einem anderen Haus herausoperiert und hier dann angepasst wurde.

Was würdest du einem Neustarter raten?

Er darf auf keinen Fall den Kostenfaktor übersehen. Zuerst muss ein beinharter Business-Plan gemacht werden, alles aufgezählt werden, was ich brauche, was es kostet. Man darf sich auf keinen Fall selbst anlügen und wirklich alles einkalkulieren und lieber einen Tausender dazurechnen, damit man dann nicht überrascht ist, wenn man ihn braucht. Und du wirst ihn brauchen. Wichtig ist es, ehrlich zu sich zu sein, aber das schaffen viele ja so schon nicht im Leben. Wenn ein Junger das also machen wollen würde, sollte er die Kosten zuerst möglichst niedrig halten, sich am besten wo einmieten. Klein anfangen und schauen, was unterm Strich dann herauskommt. Wichtig ist es, nicht nur zu reden, sondern zu liefern, und in den ersten Jahren bemerkt man dann, wie groß der Unterschied ist zwischen Angestelltenverhältnis und Eigenverantwortung, wenn das Geld vom Kunden kommt, welche Fragen er hat und mit welchen Problemen man konfrontiert wird. Da hab ich auch viel lernen müssen.

Hört sich ja nach einer Fülle an Aufgaben auf einmal an.

Man muss sich bewusst sein, dass das teilweise ein Knochenjob ist. Daher ist es auch wichtig, mit den Kunden selbst zu reden, weil man im Gespräch schon heraushören kann, was mit dem Auto los sein könnte, ob der Kunde die Problematik und den Preis der Reparatur versteht. Letztendlich muss es ja für ihn passen und der empfiehlt dich dann weiter. Fast alle meine Kunden kommen über diese Schiene und die Werte, die hier bei mir stehen, das ist schon was. Allein der Speedster macht mir schon ein bissl Kopfweh. Ich als Besitzer würde mir gut überlegen, wo ich so einen Wagen hinstelle. Das ist schon ein großer Vertrauensvorschuss. Aber viele wertschätzen unsere Leistungen und manche gehen dann auch noch zu meinen Mitarbeitern und bedanken sich persönlich. Das ist auch nachhaltige Qualität des Kundendiensts.

Kommst du auch noch zum Schrauben?

Das geht sich zeitlich halt nicht mehr aus. Telefonieren, Teile suchen, Probefahrten machen, da kommt viel zusammen. Meine Geschichten sind eher, die Richtung zu finden, was repariert werden muss. Ich bin auch der kritischste Beobachter, ob das Auto dann so fährt, wie es soll. Und natürlich die klassischen Einstellarbeiten, daher ist der Schraubenzieher auch mein wichtigstes Werkzeug. 

Aber dafür reichen ja wohl kaum ein Schraubenzieher und ein Oszillograf.

Wichtig ist natürlich ein gutes Gehör, sich die Zeit nehmen, die es braucht. Daher mache ich das immer am Abend oder gleich in der Früh und dazwischen immer wieder fahren und probieren, ob das in verschiedensten Aggregatzuständen auch funktioniert. Das ist echte Feinarbeit.

Kann man so was denn lernen? 

Es ist eine Mischung aus Lernen und Erfahrung. Alles, was ich heute weiß, ist erarbeitet, aber mit viel Lehrgeld und Zeit. Wo muss ich hin, wie muss ich umdüsen, diese Denke ist dann oft einmal abseits des Logischen. Da muss man sich oft hinstellen und ein völlig anderes Ergebnis in Betracht ziehen.

Wäre diese Sparte eine interessante Perspektive für Werkstätten? 

Der finanzielle Aufwand, alte Autos wieder auf die Straße zu bekommen, ist für viele Betriebe nicht darstellbar. Markenbetriebe haben einen hohen Stundensatz, 150 Euro pro Stunde zum Beispiel, und eine Stunde ist, wenn man an solchen Autos herumschraubt, schnell rum. 

Aber es gibt ja viele Marken mit betuchter Kundschaft und teuren Oldtimern.

Diese Betriebe operieren oft mit externen Mechanikern. Ein deutscher Hersteller holt immer einen Kollegen von mir, damit er ihnen die Vergaser einstellt. Und eine große Markenwerkstatt hat vor Jahren alle Werkzeuge für die alten Modelle weggeschmissen, anstatt sie zum Beispiel an Werkstätten wie uns zu verkaufen. Und jetzt kommen sie auf die Idee, das neu aufzulegen.
Das ist ja alles schön, aber das Zurückzugewinnen von Kunden ohne Fachleute geht halt nicht.

Für Betriebe wie euch ein Vorteil.

Das meiste, das mir machen, sind alte Autos, in die Richtung wollte ich ja. Das birgt aber auch ein finanzielles Risiko: Denn bis du fertig bist und die ­Rechnung machen kannst, kann es Monate dauern. Da musst du viel in Vorleistung gehen, und wenn viele Projekte in Schwebe sind und lange keine Zahlungen kommen, das ist schon eine schwere Zeit.
Diese Momente bereiten mir oft schlaflose Nächte, weil, wie es der Teufel will, dann ein Projekt, das zu 96 Prozent fertig ist, am Rest strauchelt. 

Womit wir wieder bei der Teile­versorgung wären, schätze ich.

Nicht unbedingt. Heuer im März zum Beispiel, da ist es einfach nicht weitergegangen, aus verschiedensten Gründen. Und wenn’s nur darum gegangen ist, zum Probefahren auf das richtige Wetter warten zu müssen.
Diese Abwärtsspirale muss man aushalten, aber das dreht sich auch wieder um. Jedenfalls suchst du in solchen Situationen schnelle und einfache ­Lösungen, und die fallen dir dann nicht ein, wennst so blockiert bist.

Was tut man dann am besten?

Der 912er-Motor zum Beispiel, da hätte ich nie gedacht, dass die Vergaser so ein Riesenproblem machen können. Ich versuche, dem Kunden natürlich so gut wie möglich zu helfen und es ist auch ein Ansporn für mich herauszufinden, warum das nicht geht. Und jetzt ist es so, dass wir trotz Motorzerlegen, dem Abdichten und Reinigen der Vergaser immer noch nicht wissen, warum das Ding einfach nicht will. Daher haben wir den jetzt erst einmal auf die Hebebühne gestellt und lassen die Geschichte einmal sacken. 

Geduld und Feingefühl also.

Und du musst auch wollen. Dir die Zeit nehmen und sagen, das ist zwar schon gut, aber es ginge noch besser. Die meisten Kunden verstehen auch, wenn es länger dauert und mehr kostet. Wichtig ist zu kommunizieren. Ich erkläre immer, was wir alles gemacht haben. Das kann man in einer E-Mail nie so ausdrücken und hören, ob der Kunde das auch so verstanden hat, wie ich es gemeint habe.

Geht das Reparieren nach Gehör und Gespür auch noch bei neueren Autos?

Bei den Beetle Cabrios haben wir schon bissl was mitgemacht. Da hat das Verdeck gesponnen und im Endeffekt lag es nur an einem Sensor. Das hat ein wenig gedauert, bis wir es herausgefunden haben, das war natürlich auch nicht ­verrechenbar an den Kunden. Und weil die Teile bei uns nicht zu bekommen waren, haben wir sie in den USA bestellt. Das ist ein wesentlicher Punkt: Auf der einen Seite muss ich natürlich Geld verdienen, aber die Wertschätzung, dass der Kunde unsere Arbeit honoriert, ist nicht zu vernachlässigen.

Immerhin bekommt man die Teile noch.

Oft sind die neuen Teile halt einfach ein Klumpert. Ein Willys Jeep zum Beispiel wollte einfach nicht ordentlich laufen. Im Endeffekt haben wir dann wieder den alten Kondensator, die alten Düsen und so weiter eingebaut und das ganze neue Zeug wieder herausgeworfen. Aber du kriegst einfach nichts anderes mehr neu. 

Ist das Reparieren an sich wenigstens leichter geworden?

Das Reparieren hat dann vor allem finanzielle Grenzen. Aber über die Jahre sind wir auf viele kleine Betriebe gekommen, die Teile nachfertigen können. Oder Motorblöcke, die lassen sich mittlerweile laserschweißen, da verliert ein Riss im Gussmaterial natürlich seinen Schrecken. So kann man die Originalsubstanz erhalten, was zum Beispiel beim Porsche 356 ein wichtiger Punkt ist. Bei der Aufnahme des Ölkühlers reißt der Block gerne, und früher hat man das einfach nicht hinbekommen. Heute aber ist der Aufwand beim Laserschweißen fast schon lächerlich gering.

Kann man eigentlich sagen, ob alte oder neue Autos länger halten?

Die Basis ist vor allem bei Oldtimern schon besser geworden. Viel wichtiger aber ist es, den Kunden ein Bewusstsein zu bilden, den Motor zum Beispiel warm zu fahren, bissl besser aufzupassen, das ist dann eher eine beratende Geschichte. Und Rost ist natürlich ein klassisches Problem vor allem an Autos der 1970er, aber eine berühmte deutsche Marke hat es auch noch in den 2000ern geschafft, dass die Heckscheibe schon früh herausgefallen ist. Das sind aber immer Sparstiftgedanken, und da sehe ich auch ein Riesenproblem für Autos mit zum Beispiel Euro-6-Abgasnorm. Praktisch alles, was nach 2010 gebaut wurde, wird es 2040 wohl nicht mehr geben.

Oh, wie das?

Weil die mit Steuergeräten und Komponenten schon so überfrachtet sind und leicht etwas kaputt gehen kann – außer der Besitzer weiß, wie man so einen Motor richtig bewegt. Dass der Wagen zum Beispiel fünf Kilometer in der Stadt nicht aushält. Dennoch wird es für diese Fahrzeuge keine großartige Lagerhaltung mehr geben, daher sehe ich das ­Ablaufdatum.