Der menschengemachte Klimawandel ist in aller Munde, wird aber auch von manchen angezweifelt. Was ist denn der Unterschied zwischen Wetter und Klima? Woher wissen wir denn, dass es sich nicht einfach um „normale“ Wetterphänomene handelt?
Wetter ist, was im Moment stattfindet; Witterung beschreibt das Wetter über ein paar Tage hinweg, und Klima beschreibt gemittelt den Zeitraum von 30 Jahren; „Klima“ ist sozusagen ein gemittelter Wetterwert. Wenn ich über 30 Jahre hinweg einen einzelnen Monat anschaue, kann ich also sagen, ob der Monat kälter oder feuchter war als im Mittel. Seit etwas mehr als 10.000 Jahren herrscht – mit relativ kleinen Schwankungen – ein sehr gutes Klima für den Menschen und die Natur, in dieser Zeit hat sich die Menschheit sehr gut entwickelt. Das passende Klima hatte einen wesentlichen Anteil an dieser günstigen Entwicklung, erst dadurch hat sich zum Beispiel der Ackerbau entwickelt. Was derzeit passiert ist, dass wir uns zum ersten Mal seit über 10.000 Jahren aus dieser optimalen Temperaturzone herausschießen, und zwar nach oben.
Woher wissen wir, dass dieser Klimawandel menschengemacht ist?
Von Anfang der Forschungen zum Klima war klar, dass CO2 in der Atmosphäre eine wichtige Größe für den Treibhauseffekt ist. Man muss vorausschicken: Ohne natürlichen Treibhauseffekt wäre die Erde ein gefrorener Planet ohne Leben, diesen Effekt, der mit CO2 zusammenhängt, hat es auch immer gegeben. Dass der Mensch das Klima beeinflusst, kann man beweisen, indem man Klimamodelle der vergangenen 150 Jahre fortschreibt. So hat man erkannt, dass die Erwärmung bis etwa in die 1960er-Jahre durch die Sonne verursacht wurde, aber dann hätte sie eigentlich stoppen sollen. Doch obwohl die Sonneneinstrahlung leicht zurückging, ist die Temperatur ab den 1980er-Jahren stark gestiegen. Ein paar Zehntelgrad dieser Erwärmung haben wir uns übrigens durch Luftreinhaltemaßnahmen eingehandelt. Die Berechnungen zeigen eindeutig, dass der Klimaantrieb durch den Menschen sehr viel größer ist als der durch die Sonneneinstrahlung. Aus heutiger Zeit ist dadurch sogar die nächste Eiszeit abgesagt. Wir sind uns sehr, sehr sicher, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Das ist ein Indizienprozess, in dem alle Beweise auf dem Tisch liegen, Zeugenaussagen, Fingerabdrücke, Blutgruppe – aber der Täter gibt’s nicht zu.
„Wir“, das ist die Wissenschaft?
Als ich in den 1980er-Jahren in Innsbruck Meteorologie studiert habe, haben sicher die Hälfte der Wissenschaftler den menschengemachten Treibhauseffekt noch bestritten. Mittlerweile würden Sie sich schwertun, unter den Wissenschaftlern noch einen zu finden, der sagt, er glaubt trotzdem nicht daran.
Was erwartet uns im Alpenraum denn, wenn wir heute die Zeichen erkennen und aufhören, CO2 in die Atmosphäre zu pumpen?
Wenn wir heute global damit aufhören würden, würde sich die Erwärmung rasch einpendeln und die Sache wäre wohl erledigt. Meines Erachtens wären die Auswirkungen dann bewältigbar.
Mir persönlich ist zur Stunde das Klima angenehmer als das in den 1970er-Jahren. Das Problem ist allerdings, dass wir jetzt in ein viel zu warmes Klima kommen, während früher ein wärmeres Klima immer gut war. Wir haben jetzt 2 Grad Erwärmung, wenn wir so weitermachen, bekommen wir 5 Grad. Das hieße, dass die Landschaft sich so stark verändert, dass sie überhaupt nicht mehr mit der heutigen zu vergleichen ist. Der Wald der Zukunft hätte mit dem heutigen – Fichtenwald – überhaupt nichts mehr zu tun. Wenn Sie die Bundesforste fragen, welche Bäume denn in Zukunft dort wachsen, dann wird die Douglasie genannt, die 3 Grad mehr aushält. Wenn wir aber 5 Grad bekommen, was ist dann? Sicher ist, dass sich die Landschaft komplett verändern wird.
Es gibt eine neue Berechnung, der zufolge leben die meisten Menschen bei einer mittleren Temperatur von 13 Grad. Bei 26 Grad – in den Tropen – geht’s gerade noch, aber ab 29 Grad Jahresmitteltemperatur haben Sie eine Todeszone. Wenn wir Ende des Jahrhunderts global einen Temperaturanstieg von 2,7 Grad – also 5 Grad in Österreich – haben, dann werden 3 Milliarden Menschen in einer solchen Todeszone leben, also emigrieren müssen. Bei 40 Grad und einer hohen Luftfeuchtigkeit lege ich mich in den Schatten, und wenn ich ein schwaches Herz habe, sterbe ich.
Wir müssen die Energiewende und die CO2-Wende einfach schaffen, und es gibt Lösungen.
Wie viel Zeit haben wir denn noch?
Wir müssen in den nächsten Jahrzehnten in die Gänge kommen. Wir werden ein Überschießen der Temperaturen sehen, also zu viel CO2 in der Luft, zu viel für die Zivilisation. Denn auch die Pflanzen und die Tiere gedeihen bei dem erwähnten Jahresmittel von 13 Grad am besten, das ist kein Zufall. Dieses Zeitalter – das Holozän – war das Paradies, deshalb hat sich der Mensch so gut entwickelt. Der Bremsweg des Klimas sind zwei, drei Jahrzehnte. Wer heute 50 oder 60 ist, dem kann es streng genommen egal sein. Es geht nur um unsere Kinder und Enkel.
Und was ist mit den oft beschworenen Kipppunkten, den Ereignissen, ab denen die Katastrophe unweigerlich eintritt?
Es gibt bei vielen Systemen solche Kipppunkte: Bei den Korallenriffen dürfte zum Beispiel der Kipppunkt schon überschritten sein. Die Permafrostböden in Russland, in denen sehr viel Biomasse gefroren ist, sind ebenfalls ein solches System. Wenn dort der Boden auftaut, beginnt die Verrottung, und dadurch entsteht CH4 und CO2, also Methan und Kohlendioxid, und ab dann sind wir Passagier. Dann können wir auch ruhig weiter Autofahren, dann entweichen plötzlich ganz viel dieser Gase in die Atmosphäre. Wann das unwiederbringlich zu kippen beginnt, weiß man nicht genau, man schätzt zwischen 2 und 3,5 Grad Erhöhung weltweit. Wegen dieser Bedrohungen ist es so wichtig, um jedes Zehntelgrad zu kämpfen: Wenn wir uns auf 3,5 Grad einbremsen, und der Kipppunkt ist bei 3,9, dann sind wir auf der sicheren Seite.
Sie treten in Ihren Vorträgen und auch auf Social Media mit einer eher technikaffinen Lösungsorientierung auf und weniger damit, Verhaltensänderungen zu fordern. Wie viel können wir uns mit Technik helfen?
Manche Verhaltensänderungen kommen mit der Technik sozusagen von selbst. Alle Leute, die ein Elektroauto fahren, fahren fast automatisch viel defensiver, ohne Hektik. Ich war auf Hochzeitsreise in Amerika, da gewöhnt man sich auch sehr schnell an das gemütliche Autobahntempo. Natürlich brauchen wir die Technik, und die E-Mobilität ist – richtig gemacht – eine absolute Lösung. Leider geht sie derzeit in die falsche Richtung, die Autos sind viel zu schwer und zu groß. Die Leute glauben alle, sie müssen mit dem Auto 500 Kilometer weit fahren können, ohne zu tanken. Aber kaum jemand braucht das wirklich.
Was ist die verblüffendste technische Lösung, die Sie kennen, von der man nicht in der Zeitung liest?
Es gibt mehrere, zum Beispiel Pflanzenkohle. Das ist reiner Kohlenstoff, den wir seit vielen tausend Jahren erzeugen, als Holzkohle zum Beispiel oder aus Hackschnitzeln oder Baumschnitt. Damit kann ich zum Beispiel Humus aufbauen, kann damit Beton grün machen, und dazu muss ich gar nichts neu erfinden.
Einer der größten Hebel ist Holzbau, denn alles, was Holz ist, da ist viel Kohlenstoff drin, der in der Atmosphäre gebunden war. Eine verblüffende Zahl: Wenn ich weltweit den Humus um ca. ein Prozent aufbaue, dann hole ich das komplette CO2, das die Menschheit fürs Autofahren und beim Heizen in die Luft geblasen hat, wieder aus der Atmosphäre. Wir haben die Lösungen, wir müssen nur machen.
Ein anderes Beispiel ist Agri-PV. Darunter versteht man, wenn man Landwirtschaft mit Photovoltaik kombiniert. Es gibt ein Versuchsprojekt in der Steiermark, in Haidegg, wo Apfelbauern ihre Pflanzen anstatt mit Hagelnetzen mit PV-Modulen überdachen. Diese Module halten Hagel aus und sind zu 48 Prozent lichtdurchlässig. Gleichzeitig sorgen die Panele dafür, dass der Regen nicht direkt aufs Laub kommt, sondern auf den Boden, ein weiterer Vorteil, weil die Bauern bei viel Niederschlag kein Pilzmittel spritzen müssen. Auch die Abschattung ist oft ein Vorteil. Das ist eine große Geschichte, das explodiert gerade, und das ist auch global einsetzbar.
Der Verkehr gilt als großer Klimasünder, können wir weiter Autofahren und die Klimaerwärmung einbremsen?
Autofahren war zur Anfangszeit kein „schwarzer Schwan“, sondern ein „grüner Schwan“, das heißt, durch die ersten Autos wurde die Luftqualität verbessert. Weil vorher, so um 1900, war in den großen Städten die Luftqualität durch das Pferd – den Mist – so schlecht. Wo wären wir denn ohne Benzin und Diesel, das muss man auch zugeben. Nur heute müssen wir sagen: Danke, ihr habt euren Dienst getan, und ab jetzt machen wir das anders. Vielleicht mit Wasserstoff, aber vom Wirkungsgrad her ist der Strom das Beste.
Und E-Fuels …?
E-Fuels für Pkw sind Unsinn, und das wissen Sie auch. Bei jedem Verbrennungsvorgang entstehen Stickoxide, das ist Gift. Es sterben jedes Jahr Tausende Menschen in Österreich an schlechter Luft. Jeder, mit dem ich rede, sagt: E-Fuels sind dumm. Wir werden doch nicht 20 Kilometer mit dem Strom fahren, mit dem wir auch 100 Kilometer fahren könnten? Das mag für Flugzeuge sinnvoll sein, aber sicher nicht für den Pkw. Wenn wir unsere Energie mit Verbrennungsmotoren vergeuden, während die Chinesen mit den E-Autos kommen, dann sind wir erledigt.
Wie sehen Sie denn die Stimmung in der Gesamtbevölkerung zur Klimaproblematik gerade in Zeiten von hohen Strompreisen und Inflation?
Ich bin da ein bisschen in meiner Blase. Wo ich hinkomme, sind schon diejenigen dort, die bereits überzeugt sind. Die ganzen CEOs allerdings, die haben das vor 10 Jahren noch nicht so geglaubt. Heute nehmen die das Thema des Klimawandels sehr, sehr ernst. Das liegt auch an den gesetzlichen Regelungen, der Taxonomie. Die Bevölkerung ist allerdings schon noch zögerlich, hauptsächlich wegen der Kosten. Es ist eine Geldfrage, deshalb bin ich gespannt, was passiert, wenn billigere E-Autos kommen. Ich habe Bekannte, die haben einen elektrischen „Zweitwagen“, und seither wird darum gestritten, wer das E-Auto fahren darf.
Aus Sicht der wissenschaftlichen Community: Kriegen wir die Klimakurve noch?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die Kurve noch kriegen können, und zwar deshalb, weil viele gute Entwicklungen exponentiell verlaufen. Nehmen Sie nur das Wachstum der erneuerbaren Energien, das viel schneller verläuft als noch vor dreißig Jahren prognostiziert. Man hat gemeint, das wird linear wachsen, aber das Wachstum verläuft in Wahrheit exponentiell. Auch das Wachstum der E-Mobilität macht Mut. Weltweit gesehen, fließt der Löwenanteil der Investitionen in Energieerzeugung heute in Erneuerbare. Die Sache ist gegessen, die billigste Stromerzeugung ist Solar. Ich glaube an diese exponentielle Entwicklung, bei den Dingen, die zum Guten gehen, und deshalb glaube ich auch, dass wir noch eine Chance haben.