Sie haben kürzlich eine Studie präsentiert, welche den hohen Stellenwert der Autobranche in Österreich untermauert. Was muss denn passieren, damit dieser Stellenwert erhalten bleibt?

Günther Kerle: Die Autoindustrie wird von der österreichischen Öffentlichkeit nicht so stark wahrgenommen wie etwa in Deutschland. Dabei verfügen wir nicht nur über große Zulieferer und Hersteller, auch Forschung und Entwicklung sind stark vertreten. Dieser Wirtschaftszweig muss unterstützt und gefördert werden, nicht zuletzt damit der Umstieg auf alternative Antriebe gelingen kann. Wir sind aber bereits auf einem guten Weg.

Dr. Christian Pesau: Die von uns präsentierte Studie des Economica-Instituts unterstreicht eindrucksvoll die Bedeutung der Automobilindustrie in Österreich. Um dieser gerecht zu werden, werden wir auch weiterhin in Sachen Mobilität klar für eine Diskussion ohne Denkverbote eintreten.

Gegenfrage: Was ist die größte Herausforderung der Autowirtschaft?

Pesau: In der Mobilitätsdebatte wird leider fast nur die städtische Perspektive berücksichtigt. Am Land sind die Menschen deutlich stärker auf das Auto angewiesen. Die meisten Leute brauchen und besitzen ein Auto. In der öffentlichen Diskussion wird das oft vergessen.

Kerle: Wir müssen die Bedeutung des motorisierten Individualverkehrs weiter positiv herausstreichen. Klima- und Umweltschutz können nicht allein durch Verzicht erreicht werden, sondern insbesondere auch durch Technik. 

Ein aktuelles Reizthema ist die Leistbarkeit des Autos: Wie lange wird sich der Durchschnittsverbraucher individuelle Mobilität noch leisten können?

Kerle: Das Auto ist in Österreich heute schon sehr viel teurer als in anderen Ländern, noch bevor überhaupt ein Kilometer gefahren worden ist. Diese Schraube wird durch Steuern, aber auch durch technische Vorschriften, welche die Kosten treiben, immer mehr angezogen. Die Entwürfe zur neuen Euro-7-Norm beinhalten zum Beispiel einige Dinge, die der Umwelt wenig bringen, aber die Kosten für Fahrzeuge massiv erhöhen würden.

Sind nicht auch die Hersteller in der Pflicht, billigere (E-)Autos auf den Markt zu bringen?

Pesau: In Europa erschweren es die Rahmenbedingungen den Herstellern leider, günstige Autos herzustellen. Die Überregulierung bringt es unter anderem mit sich, dass immer weniger kleine Autos auf den Markt kommen. In asiatischen Ländern kann deutlich günstiger produziert werden, also werden Kleinwagen vielleicht bald nur noch von dort kommen. Es wäre wichtig zu bedenken, welche Zahl von Arbeitsplätzen, welche Wirtschaftszweige man in Europa aufs Spiel setzt, wenn man die Regulierung immer weitertreibt. 

Ist die Branche nachhaltig aufgestellt, was muss sich ändern?

Kerle: Mittelfristig muss sich der Vertrieb ändern, die Entwicklung geht in die Richtung von Agentursystemen. Wenn diese Systeme fair gestaltet werden, dann können sie für beide Seiten fruchtbringend sein. Das jetzige Vertriebssystem ist nicht nachhaltig, es gibt auf dem Papier hohe Spannen und in der Realität hohe Rabatte. Was für potenzielle Streitereien zwischen Hersteller und Händler sorgt, ist das „Herumlavieren“ zwischen echtem und unechtem Agentursystem.

Pesau: Beim Agentursystem geht es nicht darum, die Händler zu umgehen. Diese werden allein schon wegen des Servicenetzes dringend gebraucht. Gute Händler werden auch weiterhin vom Autohandel leben können.

Warum wird das Auto in Europa eine ­Zukunft haben?

Kerle: Das Auto hat Zukunft, weil es – in einem Wort – Freiheit bringt. Wenn ich nicht mehr individuell entscheiden kann, wo ich mich hinbewege – zum ­Hobby, zum Sport –, dann stellt das einen schweren Eingriff in unsere Lebensweise dar. 

Pesau: Es gibt sicherlich Aspekte unserer Lebensweise, die mitunter kritisch hinterfragt werden können, aber die Freiheit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, sollten wir nicht aus der Hand geben.