Was hat Sie dazu bewogen, Fridays for Future beizutreten?
Ronja Hofmann: Ich habe Klimaschutz früher als etwas sehr Persönliches gesehen. Wir haben das in der Familie gelebt: viel Fahrrad fahren, wenig Plastik benutzen. Aber über und durch Fridays for Future habe ich verstanden, dass wir mehr brauchen, um unser Klima zu retten. Wir müssen systemisch-politisch ansetzen und die großen Hebel bewegen, um etwas zu bewegen und die 1,5-Grad-Grenze nicht zu überschreiten.
Gab’s einen konkreten Auslöser?
Unser Chemielehrer hat 2019 im Unterricht erzählt, wie Fridays for Future entstanden ist … und war von der ersten Demo an dabei. Mir war klar, dass das etwas ganz Großes und Wichtiges ist und eine Chance, wirklich etwas zu bewegen.
Etwas zu bewegen – was konkret?
Das übergeordnete Ziel ist, dass das, was im Pariser Abkommen vereinbart und versprochen wurde, auch eingehalten wird. Das heißt, wir betreiben Aktivismus, um darauf aufmerksam zu machen, dass es das 1,5 Grad-Versprechen gibt und dass es essenziell ist, dass das auch eingehalten wird. Das ist die Metaebene. Natürlich gibt’s auch Einzelerfolge, dass zum Beispiel in Deutschland der Kohleausstieg vorgezogen wurde. Aber vor allem hat ein Bewusstseinswandel stattgefunden.
Was ist Ihr größter Meilenstein?
Ein Paukenschlag war, als das (deutsche; Anm.) Bundesverfassungsgericht die Klimaziele der Regierung für verfassungswidrig erklärt hat, aber sonst sind es auch kleinere Projekte, zum Beispiel die erste Fahrradstraße in Lörrach, an denen wir sehen, dass der Druck, den wir ausüben, ein Umdenken bewirkt und klar wird: Die Klimakrise betrifft jeden.
Stichwort Klimakleber und Bilder anschütten – was hat Bilder anschütten mit dem Klima zu tun?
Das ist eine Aktion von „Letzte Generation“, eine andere Gruppe, für die ich nicht sprechen kann. Wir sind zwar alle Klimaaktivistinnen und Aktivisten, haben dieselben Ziele, aber alle haben unterschiedliche Methoden und Herangehensweisen.
Werden Sie nicht oft gemeinsam in einen Topf geworfen?
Ja, eine differenziertere Berichterstattung wäre wünschenswert. Wichtig ist, dass die Leute begreifen, dass die Klimakrise sie selbst ganz konkret bedroht. Klimaschutz ist kein Einzelinteresse von denen, die demonstrieren gehen oder sich irgendwo hinkleben. Jeder einzelne ist gefährdet. Deswegen sollte man sich dafür einsetzen.
Wie sieht Ihr Engagement spezifisch aus?
Ich organisiere Demos, schreibe Reden dafür und halte sie auch selbst. Pressearbeit und Kommunikation gehören dazu. Ich war aber auch schon Ordnerin – um darauf zu achten, dass alle Sicherheitsvorschriften erfüllt werden – oder hab gekocht, damit nach der Demo alle etwas zu essen haben
Wie werde ich Klimaaktivistin?
Bei uns ist alles sehr niederschwellig, also einfach per E-Mail melden oder direkt zu den Treffen kommen. Wir sind ja auch kein Verein, sondern einfach basisdemokratisch und lokal organisiert. Das heißt, es steht und fällt alles mit den Ortsgruppen und lokalen Akteuren.
Allerdings sind wir untereinander schon vernetzt und tauschen uns aus, um Erfahrungen zu teilen und gemeinsam sinnvolle Aktionen zu überlegen.
Was war denn Ihr Highlight?
Beim globalen Klimastreik vor der deutschen Bundestagswahl waren wir in Lörrach 1.000 Leute, sehr viel für eine Kleinstadt. Es war überwältigend zu sehen, dass sich die ganze Arbeit gelohnt hat.
Gibt es etwas, vor dem Sie konkret Angst haben?
Also die Bilder aus dem Ahrtal 2021 habe ich immer noch im Kopf … Seit Jahren wird in der Wissenschaft klar kommuniziert, dass Ereignisse wie Hitzerekorde oder Fluten stärker und regelmäßiger auftreten werden, die Extreme nehmen um ein Vielfaches zu, wenn wir unser Verhalten nicht ändern. Da ist schon die Angst da, selbst betroffen zu sein und gleichzeitig das Wissen, dass Menschen im globalen Süden noch viel krasser betroffen sind.
Wir telefonieren jetzt übers Smartphone. Wie stehen Sie eigentlich digitalem Müll gegenüber?
In allem, was wir tun und wie wir leben, hinterlassen wir CO2. Es ist eben gerade (noch) gar nicht möglich, klimaneutral zu leben. Und da setzen wir ja auch an. Es fehlen eben die politischen Rahmenbedingungen.
Und natürlich brauchen wir Energie für alles Mögliche, auch für die Wirtschaft. Es ist nicht unser Ziel zu „deindustrialisieren“, wie manche uns unterstellen, sondern auf klimaneutrales Wirtschaften umzustellen. Deswegen ist der Ausbau erneuerbarer Energien so wichtig.
Bringen Sie eigentlich auch konkrete Vorschläge oder sorgen Sie ausschließlich für Aufmerksamkeit?
Wir sind angetreten mit dem Spruch: Listen to the Science! (Hört auf die Wissenschaft; Anm.) In der Wissenschaft herrscht seit Jahrzehnten Einigkeit darüber, was die Klimakrise, ihre Folgen und Lösungsmöglichkeiten betrifft. Also wir verstehen uns eher als Sprachrohr. Unsere Forderungen kommen ja nicht aus dem Nirgendwo, sondern aus der Wissenschaft heraus.
Abschließend die Frage: Wie sieht Ihre ideale Zukunft aus?
Klimaneutral. Dass wir erkannt haben, wie wertvoll es ist, wenn in Städten nicht eine Reihe parkender Autos stehen, sondern Kinder spielen, ohne aufpassen zu müssen, dass sie überfahren werden. Dass wir merken, wie schön es ist, wenn die Luft gut ist, weil in den Städten mehr Bäume sind. Auch diese Visionen müssen wir teilen. Nicht nur die negativen. Sondern die Lebensqualität und auch die neuen Freiheiten, die wir gewinnen könnten. Wir sind alle gefragt, alle verantwortlich – gerade machen wir uns die Zukunft aber zur Hölle.
Fridays for Future in Zahlen
> Beim ersten weltweit organisierten Klimastreik am 15. März 2019 haben 2,3 Mio. Menschen an den Demonstrationen von FFF teilgenommen.
> Zur Anzahl gemeldete Aktivisten weltweit gibt es keine Angaben. Auf jedem Kontinent gibt es FFF-Gruppen, in Deutschland fanden am 3. März 2023 z. B. an 250 Orten Demos statt.
> Eine Gesamtzahl an Demos und Aktionen wird nicht erfasst, aber laut Eigenangabe ist „jeden Freitag irgendwo eine Aktion“. Am 25. September 2020 fanden Aktionen an 3.100 Orten weltweit statt.