Das Werkstattgeschäft hat in den vergangenen Jahren ordentlich gebrummt. Die Lieferschwierigkeiten bei den Neuwagen, die sich nach und nach auch auf die Verfügbarkeit und die Preise bei den Gebrauchtwagen ausgewirkt haben, haben eine gute Entwicklung im Reparaturbereich ausgelöst. Viele Autobesitzer mussten notgedrungen in ihr Fahrzeug investieren, weil sie es noch länger behalten mussten oder wollten. Ob der „Alte“ aufgrund der Lieferschwierigkeiten beim Neuwagen, den hohen Preisen bei den Gebrauchtwagen oder eine Kaufzurückhaltung aufgrund einer Krise weitergefahren wurde: Dem Werkstattgeschäft hat es zunächst gutgetan. So zeigt etwa der seit Mitte 2018 durchgeführte Händler--Trend Barometer Österreich (in Kooperation mit Santander Consumer Bank und puls Marktforschung) im 2. Quartal 2022 mit 91,3 Prozent Werkstattauslastung bei den befragten Markenbetrieben den bislang höchsten Wert. Und in der jüngsten Befragung nach den ersten drei Monaten 2023 ist der bislang höchste Wert in Relation zu den jeweils ersten Quartalen der vergangenen Jahre angegeben worden. Ruhe vor dem Sturm? Zufriedenheit vor den Turbulenzen? Vermutlich!
Nun fehlen 300.000 Fahrzeuge
Denn die aus Werkstattsicht erfreuliche Entwicklung hat einen Haken. Allein in den vergangenen 3 Jahren fehlt nun – im Vergleich zum Vorkrisenniveau – ein Volumen von 300.000 Fahrzeugen, die nicht verkauft und damit auch nicht zur Wartung zur Verfügung stehen: Reifen, Ölwechsel, Windschutzscheiben, Servicearbeiten für etwa 300.000 Pkws: Da wird was fehlen in den nächsten Jahren. Das spüren natürlich zuerst die Markenbetriebe, die an den neueren Fahrzeugen dran sind. Auf den Hebebühnen der freien Werkstätten wird jetzt noch am „überalterten“ Fahrzeug-Pool gearbeitet. – Einen eigenen Artikel zum Thema Fahrzeugbestand in Österreich finden Sie übrigens ebenfalls in diesem Fokus-Thema.
Gekommen, um zu bleiben
Der Volumenrückgang wird also langsam in den Werkstätten ankommen. Und er wird kommen, um zu bleiben. Denn selbst wenn nun die Neuwagen--Zulassungen wieder steigen und ein höheres, wenn auch nicht Kurzulassungs-Vorkrisenniveau erreichen, wird die Werkstattauslastung zurückgehen. Denn der Anteil an reinen Elektroautos steigt kontinuierlich an und hier ist bekanntlich weniger zu tun als beim Verbrennungsmotor. Von Jänner bis April lag der BEV-Anteil in Österreich bei 17,9 Prozent.
Die Werkstätten müssen sich also darauf einstellen, dass ab nun die Auslastung zurückgeht, zuerst kommt das Neuzulassungsloch in die Betriebe, danach wird die E-Mobilität im Bestand laufend zunehmen. Das bedeutet nicht, dass die Erträge einbrechen müssen. Es bedeutet aber, dass die Betriebe umdenken und sich teilweise neu aufstellen müssen. Denn trotz bzw. auch bei der Elektromobilität bieten sich Chancen. Aber das ist eine andere Geschichte. Einen kleinen Teil daraus lesen Sie am Ende dieses Fokus-Themas. Einem ausführlichen Artikel zur Neuausrichtung in Zeiten der Elektromobilität -werden wir im Herbst für Sie gestalten.
Investitions- und Ausbildungslücke
Bei den freien Werkstätten kommt das Neuwagen--Loch zwar nicht so bald an, die aktuelle Entwicklung führt langfristig aber ebenfalls zu Defiziten. Denn die gute Auslastung hat dazu geführt, dass sich die Betriebe zu wenig mit den Herausforderungen der Zukunft beschäftigen. Das betrifft sowohl Investitionen wie auch Ausbildung. Schulungsanbieter berichten von geringerer Teilnahme. Kein Wunder: Kommt der Facharbeitermangel mit der hohen Auslastung zusammen, bleibt keine Zeit, die Mitarbeiter auch noch auf Fortbildung zu schicken. Die Betriebe reißen teilweise also einen problematischen Rückstand in der Kompetenz auf. Und das in einer Zeit massiver und dynamischer Veränderungen in der Fahrzeugtechnologie.
Höhere Standards bei Serviceverträgen
Betriebe mit Markenverträgen (Handel und Service) sind derzeit gut aufgestellt, aber auch hier wird es zu Veränderungen kommen. So fallen mit Ende Juni zahlreiche Händler bei Stellantis (Peugeot, Citroën, Fiat, Alfa, Jeep, Opel) aus dem Handelsnetz. Im -Servicenetz können sie (dank qualitativem Zugang) dabei bleiben, auch um den bestehenden Fahrzeugpool weiter zu betreuen. Hier bleibt die Frage, wie sich die Standards für die Service-Verträge verändern. So ist zu vermuten, dass diese im Zuge der Elektrifizierung und Digitalisierung der Fahrzeuge (und des Reparaturprozesses) eher höher und noch investitionsintensiver werden.
Lösung Werkstattkonzepte?
Einige Betriebe, die aus dem Netz fallen, werden als freie Werkstätten weiterarbeiten und sich teilweise einem Werkstattkonzept anschließen, hier erhalten sie die gewohnte Unterstützung im Bereich Ersatzteile, Schulung, Reparaturinformation und Marketing. (Lesen Sie dazu den Artikel Werkstattkonzepte in diesem Fokus.)
Die entscheidende Frage wird allerdings sein, wie die ehemaligen Markenwerkstätten mit der Kosten- und damit der Preisstruktur umgehen können. Denn die Stundensätze müssen runter.
Bisher war der Markt hinsichtlich Werkstattzuordnung (jung bis als) – von Markenbetrieb bis Nachbarschaftshilfe – einigermaßen klar verteilt: Doch wird es mit Sicherheit zu weiteren Verschiebungen kommen, weil die Fahrzeuge in vielen Themen höhere Qualifikationen und Ausstattungen brauchen. Gleichzeitig fahren viele Konsumenten aus Kostengründen für gewisse Tätigkeiten zu Ketten oder zu Servicestationen. Ältere Fahrzeuge von Privatkunden benötigen mehr Reparaturen und Instandsetzungen, sind aber noch preissensibler. Fuhrparkkunden, die aufgrund der höheren km-Leistung interessant sind, werden hingegen immer öfter geroutet: Reifen, Scheiben, Karosserie: Überall soll der Preiswert-Partner genutzt werden. Um hier mitzuspielen, wird es – egal ob Markenbetrieb oder freie – ohne Netzwerke und Partnerschaften mit Leasingfirmen, Versicherungen und Großauftraggeber nicht gehen. Denn zum Firmenwagen und Leasing-Fahrzeug kommen Abo- und Sharing-Modelle: Der Autofahrer entscheidet immer seltener über den Ort und den Umfang der Reparatur- und Wartung.
Wer repariert den Akku?
In weiterer Zukunft stellt sich auch die Frage, wer die Akkus reparieren, vor allem also Module tauschen kann und darf. Mangels einheitlicher Standards liegen derzeit die Autohersteller und Markenbetriebe im Vorteil. Es bleibt abzuwarten, ob es hier Lösungen für den Independent Aftermarket geben wird.
Voraussetzung für die Reparatur und Wartung jener Fahrzeugmarke, mit der man keinen Vertrag besitzt, ist der Zugang zu den Fahrzeug- und -Reparatur-daten. Das Anrecht darauf wurde zwar kürzlich in der verlängerten Kfz-GVO zumindest bis 2028 gesetzlich hinterlegt, letztlich müssen diese Zugänge aber immer wieder erstritten werden. Und was passiert nach 2028, denn das ist – in Investitionen für die Werkstätten gerechnet – schon bald.
Letztlich muss es ja im Sinne der Autohersteller sein, dass ihre älteren Bestandsfahrzeuge günstig instandgesetzt werden können. Denn diese Kosten sind maßgeblich für die Attraktivität von Leasing-rückläufern und Gebrauchtwagen. Will den Gebrauchten niemand haben, ist das katastrophal für die -Restwerte.
Aftersales funktioniert weiter
Das Aftersales-Geschäft wird also noch lange funktionieren, der Bestand ist hoch, in den nächsten Jahren werden noch sehr viele Hybrid-Fahrzeuge in allen Ausbaustufen auf die Straßen kommen und selbst beim reinen Elektroauto gibt es noch genug Arbeit für die Werkstatt. Mit Sicherheit wird das Thema strategischer: Auf welches Fahrzeugalter, auf welche Marken und vielleicht sogar nur Modelle, auf welche Tätigkeiten soll man sich konzentrieren? Eventuell gibt es Partnerschaften für bestimmte Bereiche wie Karosserie oder Reifen. Die Betriebe müssen sich besser früher als später auf die neuen Herausforderungen einstellen und sich für die Zukunft positionieren.