Die Diskussion über E-Fuels war bislang stark ideologisch geprägt, die Fakten wurden eher oberflächlich betrachtet. Seitdem die deutsche FDP kurz vor dem geplanten Beschluss zum Verbrenner-Aus das Thema noch einmal medial hochgespielt hat, erschienen aber zahlreiche fundierte und faktenorientierte Beiträge (ORF, Handelsblatt, Spiegel, Auto-Revue, Trend). Wir von AUTO & Wirtschaft haben uns des Themas in einer eigenen Fokus-Strecke angenommen. Dafür haben wir Jürgen Rechberger, anerkannter E-Fuels Experte und Vice President sowie Business Field Leader Hydrogen & Fuel Cell bei AVL List GmbH in Graz, interviewt.
Aus diesen Beiträgen ergibt sich zusammengefasst folgendes Bild:
Probleme in Chile
Beginnen wir mit Haru Oni in Chile, wo unter Beteiligung von Porsche eine Demonstrationsanlage entstand, welche in der Diskussion gerne als Vorzeige-Modell für die Produktion von E-Fuels angeführt wird.
Stand nach den ersten Pressereisen noch der Wow-Effekt des ‚Porschefahrens mit E-Fuels‘ im berichterstatterischen Vordergrund, wurde bei jüngeren Artikeln die tatsächliche Umsetzung etwas kritischer hinterfragt. Dabei stellt sich heraus, dass das CO2 noch nicht per Direct-Air-Capture-Verfahren aus der Luft extrahiert, sondern per Lkw angeliefert wird.
Die Genehmigung des großen Windparks, der zum Hochlauf der Produktion in Patagonien notwendig wäre, wurde von der Betreiberfirma HIF aufgrund negativer Behördenstellungnahmen (vorerst) zurückgezogen. Und auch die Herkunft der nötigen Wassermengen ist noch nicht geklärt. Ob der angekündigte Hochlauf realisierbar ist, ist also mehr als fraglich.
Anerkannter Experte aus Österreich
Jürgen Rechberger, der verantwortlich für den Aufbau einer der weltweit modernsten E-Fuel-Anlagen in Graz ist und vor Kurzem die Anlage in Haru Oni besucht hat, sieht die größten technischen Herausforderungen bei der bereits erwähnten Verwendung von CO2 aus der Umgebungsluft: „Es gibt noch keine großindustrielle Produktion mittels Direct-Air-Capture, das wird frühestens 2030 für die Industrialisierung reif sein.“
Doch nicht nur die Umsetzung, auch die Kosten stellten derzeit noch ein großes Problem dar. „Aktuell sind diese Systeme noch sehr teuer, und die Kosten liegen derzeit bei 300 bis 600 Euro pro Tonne CO2, das sind bis zu 2 Euro pro Liter E-Fuel nur aus dem Titel CO2“, so Rechberger.
Viel zu teuer
Die verantwortliche Porsche-Einkaufschefin Barbara Frenkel hat laut Nachrichtenagentur dpa bei einer Veranstaltung des Wirtschaftspresseclubs in Stuttgart gesagt: „Der Kraftstoff, den wir herstellen, ist viel zu teuer, als dass wir ihn so verwenden könnten.“ Sie fordert daher von der Politik, dass E-Fuels auf einer Stufe mit fossilen Kraftstoffen gestellt werden: entweder über eine entsprechende Besteuerung bei Benzin oder Diesel oder über einen Bonus zur CO2-Vermeidung.
Der ÖAMTC rechnet in einer Studie mit einem Liter-Preis für fossile Kraftstoffe von 5,70 im Jahr 2040, vor allem aufgrund der steigenden CO2-Bepreisung. Würde man den Hochlauf der E-Fuels für den Bestand schaffen und E-Fuels von der CO2-Steuer befreien, sieht der ÖAMTC einen Literpreis von 3,30 für realisierbar.
„Wir glauben, dass der Individualverkehr mit E-Mobilität für den Konsumenten wesentlich günstiger ist als mit Verbrenner und E-Fuels“, meint dazu E-Fuels-Experte Rechberger.
Langsamer Hochlauf, begrenzte Kapazitäten
Der Hochlauf wird deutlich langsamer erfolgen als bislang erhofft: „Mit der Errichtung von großindustriellen E-Fuel-Produktionsanlagen rechne ich nicht vor 2030. Und selbst dann muss der Fokus auf Schiff- und Luftfahrt liegen, da es dort keine alternativen Technologien gibt“, sagt Rechberger im Interview. Für den Straßentransport sieht er andere Technologien: „In Europa muss es der absolute Fokus bleiben, batterieelektrische Pkw voranzutreiben.“
Auch der hohe Energieaufwand für die Herstellung von E-Fuels lässt sich nicht wegdiskutieren. „Die energieintensive Produktion hat zwei Nachteile: Erstens überträgt sich das auf die relativ hohen Herstellkosten und zweitens werden dadurch auch erhebliche Ressourcen für die Herstellung benötigt. Es werden nicht die benötigten Kapazitäten zur Verfügung stehen, um im großen Stil E-Fuels zu produzieren.“
Ein weiterer Aspekt der knappen Ressourcen: „Es wäre verheerend, E-Fuels in Autos einzuführen, aber gleichzeitig die Stahlproduktion aufgrund dieser begrenzten Ressourcen nicht zu dekarbonisieren“, sagt Rechberger.
Nur homöopathische Mengen
Hat man bisher den Eindruck erhalten, man müsse PV-Anlagen und Windräder in den energiereichen Regionen der Welt nur noch aufklappen wie Sonnenschirm- und Stühle in Caorle, liegen nun realistische Einschätzungen vor: „2030 werden wir nur homöopathische Mengen zur Verfügung haben, 2035 können wir 1 bis 2 Prozent des Verbrauchs in Europa verfügbar machen. Es wird oft nicht verstanden, wie viel Energie hier benötigt wird“, erklärt Rechberger.
Der Einsatz von E-Fuels für europäische Neuwagen ist – wie von VW- und Porsche-Chef Blume erklärt, nur in der Nische realistisch. Dabei wird man sich überlegen müssen, ob man die geringen Mengen zu 100 % in Nischenfahrzeuge wie den vielzitierten Porsche 911, Motorräder aber auch Oldtimer verwendet, oder ob man von Beginn an möglichst viel für die Beimischung verwendet.
Autoland Österreich retten
Natürlich macht es Sinn, die Forschung an E-Fuels und der Elektrolyse, wie sie etwa bei AVL erfolgt, zu unterstützen und zu fördern. Von der Produktion werden wir in Österreich zwar kaum profitieren, aber man wird Anlagen und Know-How in den Produktionsländern benötigen um synthetische Kraftstoffe (für Schiffe, Flugzeuge und Pkw-Bestand) und grünen Wasserstoff (für Verkehr und Industrie) zu produzieren.
Um die von Bundeskanzler Nehammer genannten 80.000 Arbeitsplätze zu sichern, bzw. zu transformieren und auszubauen, um das Autoland Österreich zu erhalten, braucht es jetzt aber dringend politische Rahmenbedingungen und Förderungen für die kommenden Technologien: E-Fahrzeuge, vorerst mit Batterien, in weiterer Folge zum Teil auch mit Brennstoffzelle und grünem Wasserstoff. Der grüne Verbrenner ist – als Geschäftsmodell für Europa – nur ein politisches Märchen, das den Standort Österreich gefährdet.
Zukünftsträchtige Technologien
Oder um es mit den Worten des Technikers Rechberger zusammenzufassen: „Die Wertschöpfung rund um den Verbrennungsmotor halten viele für wichtig. Das ist aber zweischneidig, da wir eigentlich viel mehr gefordert sind neue Wertschöpfungsketten in den neuen und zukunftsträchtigen Technologien aufzubauen. Wir müssen daher vor allem unsere Aufmerksamkeit darauf legen, in den neuen Zukunftstechnologien führend zu werden.“
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