In seiner Rede zu "Österreich 2030“ hat Bundeskanzler Karl Nehammer die angeblich notwendige Positionierung der ÖVP als rechtskonservative Partei gestärkt. Dazu gehört offenbar, dass man den Bürgern die – zutiefst menschliche – Sorge vor Veränderung nimmt. Die Botschaften sind also klar und, wie es sich für Populisten gehört, einfach: Der Klimawandel wird eh nicht so schlimm und ändern brauchen wir auch nichts. Wir hoffen, dass den Forschern etwas einfällt und bleiben zur Arbeitsplatzsicherung einfach beim Verbrennungsmotor. Fertig.
In Wahrheit ist das eine extrem kurzsichtige und höchstgefährliche Ausrichtung: nicht nur für das Klima, sondern vor allem für den Wirtschaftsstandort Österreich. Wir befinden uns längst in einer gewaltigen Transformation quer über alle Gesellschaftsbereiche, Branchen und Industrien. Es ist entscheidend (und staatstragend), die Bevölkerung mitzunehmen, diese Veränderungen als Chance zu sehen und das auch so zu kommunizieren. Es ist für Österreich überlebenswichtig, sich als moderner, flexibler, innovativer Standort zu positionieren, der die Energiewende und neue Technologien vorantreibt.
Als Journalisten werden wir über die Strategien vieler Konzerne informiert, egal ob Automobilproduktion oder Lack- und Reifenhersteller: Die CO2-Reduktion und die CO2-Neutralität ist bei allen Konzernen ein entscheidendes strategisches Ziel. Und diese Konzerne brauchen Partner, brauchen gute Standorte und brauchen günstige CO2-arme Energie. Wir haben mit der Wasserkraft einen Startvorteil, den wir ausbauen müssen und auf dem wir uns nicht ausruhen dürfen.
Verbrenner wird sterben
Natürlich ist egal, ob Bundeskanzler Nehammer jetzt doch am Verbrennungsmotor festhält, weil sich die Automobilkonzerne für Europa längst entschieden haben. Es geht aber auch um die Botschaft, es geht darum, bei den neuen Technologien als Land dabei zu sein. Der Verbrenner wird in Europa sterben, langsam aber sicher, und damit auch jene Industrie, jener Handel und jener Service, der sich ausschließlich daran klammert. (Lesen Sie dazu auch unsere aktuelle Fokus-Geschichte) Die von Nehammer zitierten 80.000 Arbeitsplätze sind in großer Gefahr und werden bis 2030 und vor allem darüber hinaus deutlich weniger werden, wenn nicht auf neue Technologien umgestellt wird.
Dabei gäbe es mehr als genug Potenzial und Möglichkeiten: Es braucht Kompetenz in den Bereichen E-Mobilität, Antriebs-Batterien, Software, Ladeinfrastruktur, Energie- und Stromproduktion aber auch dem Stromnetz selbst. In all diesen Bereichen wird weltweit unglaublich viel investiert. So gibt es etwa unzählige Startups im Bereich Ladetechnologie. Werden die politisch irgendwie unterstützt? Wo sind die Anreize für Neuansiedelungen, für Erweiterungen, schaffen wir dafür ein gutes Klima?
Wo sind politische Ideen für den Abbau und die Verarbeitung der Lithium-Vorkommen in der Koralpe? Bidirektionales Laden zur Stabilisierung des Stromnetzes wird ein tolles Thema, hier könnten wir uns als kleines Land mit Flächenversuchen positionieren. Wo bleiben Konzepte für zeitabhängige Stromtarife zur Glättung (und Reduktion) des Strombedarfs, wie sie in Skandinavien längst Realität sind und in Deutschland ab 2025 vorgeschrieben werden?
BMW führt bis 2025 die größte Investition der Unternehmensgeschichte durch, in die Elektromobilität. Hat schon jemand aus der Politik mit München gesprochen, welche Rahmenbedingungen man benötigt, um die Arbeitsplätze in Steyr zu sichern oder sogar zu erweitern? Jaguar und Fisker bauen ihre E-Autos bei Magna, gibt es hier eine politische Unterstützung zum weiteren Ausbau dieser Kompetenz? Wo werden die europäischen Akku-Werke in den nächsten Jahren in Europa gebaut werden. Allein von VW sind 6 in Planung. Hat sich Österreich hier schon irgendwo ins Gespräch gebracht?
Es wird eine Menge an Elektrolyseuren für den dringend benötigten grünen Wasserstoff brauchen (der auch in Europa mit Überschuss-Strom erzeugt werden kann). Wer treibt die notwendige Weiterentwicklung von Carbon-Capture-und vor allem Direct-Air-Capture-Lösungen für die CO2-Abspaltung für E-Fuels voran, die in großen Mengen benötigt werden? Hier könnten wir forschen, entwickeln, produzieren. Stattdessen wollen wir lediglich „den Verbrenner nicht verbannen.“
Österreich ist ein Autoland
Österreich ist ein Autoland, in dem übrigens mehr als 330.000 Arbeitsplätze auf das Automobil zurückzuführen sind. Wir sollten alle daran arbeiten, diese zu erhalten. Dazu müssen sich sowohl die Politik wie auch die Wirtschaft den neuen Herausforderungen stellen und nicht am am Bewährten festhalten. Für Karl Nehammer und jene Betriebe, die sich nicht weiterentwickeln, wird es 2030 sonst ein böses Erwachen geben.
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