Die Dynamik in der Transformation der Autobranche nimmt nach wie vor zu. Vor allem im Bereich der Vertriebssysteme und der Händlerverträge kommt es zunehmend zu wegweisenden Entscheidungen.
Ein kleiner Überblick gefällig? Bei Mercedes-Benz ist die Umstellung auf das Agentursystem bereits erfolgt, ohne große Änderungen im Händlernetz. Anders sieht es bei Stellantis aus, dem zweiten Großkonzern, der den Direktvertrieb – für seine vielen Marken – mit Jahresmitte 2023 umsetzt. Hier ist der Ausgang hinsichtlich Händlernetz und Konditionen noch offen.
Bei BMW, Ford und Jaguar sind die Agentursysteme in Planung. Während Jaguar Land Rover die Verträge schon gekündigt hat, steht das bei BMW und Ford noch bevor. VW und Cupra haben den Direktvertrieb derzeit auf die Elektromodelle beschränkt, weitere Änderungen werden kommen.
Dass die Umstellung auf den Agenturvertrieb dazu dient, Händler „auszuhungern“ und das Netz kostengünstig auszudünnen, wird freillich dementiert. Die Situation ist dabei sehr unterschiedlich. Übernimmt der Hersteller (Verkaufs-)Funktionen des Händlers, müsste beim Importeur investiert werden, in Personal und in Software. Wird der Direktvertrieb nur genutzt, um Kosten einzusparen, wird das System letztlich scheitern. Mercedes hat investiert, bei den anderen Hersteller ist noch vieles offen.
Wie viele Partner im Netz die Marke jeweils braucht, ist ebenfalls unklar: Mit einem Minimalnetz wie bei Tesla (wo übrigens parallel zum Markterfolg bereits ausgebaut wird), wird es für etablierte Marken nicht funktionieren, Vertriebsnetze in der aktuellen Größe wird man sich aber kaum mehr leisten wollen oder können. Sie sehen: viele, zu viele Fragen sind noch offen!
Auf die Ideen und Vorgaben des Herstellers/Importeurs zu warten, ist allerdings gefährlich. Vielmehr sollten die Händler möglichst prokativ ihr Marken-Schicksal in die Hand nehmen, sollten sich vom Passagier im Vertragsthema zum Steuermann entwickeln.
Dazu braucht es eine fundierte Analyse: Wird mein Betrieb von meinem Importeur noch gebraucht oder gewünscht? Hat die Marke Zukunftspotenzial? Kann man – auch mit neuen Verträgen – ausreichend Geld verdienen, selbst wenn die Werkstatterträge durch die E-Mobilität langfristig zurückgehen? Gibt es andere oder neue Marken, die in der Region verfügbar sind?
Wie von AUTO & Wirtschaft regelmäßig berichtet, sind zahlreiche neue Anbieter unterwegs. Einige haben bereits gestartet, andere planen den Markteinstieg. So hat Denzel das MG-Händlernetz weitgehend fertig, bei BYD ist man gerade im Aufbau. Great Wall mit den Marken Ora und Wey wird über kurz oder lang nach Österreich kommen, auch hier ist ein klassisches Händlernetz zu erwarten. Darüber hinaus sind neue Serviceverträge oder Kooperation mit anderen Händlern ebenso anzudenken wie neue Dienstleistungen oder Produkte: Auto-Abos bzw. Vermietung im Pkw-Bereich, der Verkauf von Zweirädern vom E-Bike über Scooter bis zum Motorrad, aber auch die Ausweitung im Werkstatt-Bereich sind Zukunfts-Möglichkeiten.
Die vielzitierte Positionierung der Händlermarke ist ebenso eine dringende Hausaufgabe wie das Engagement im Bereich der Elektromobilität und der Digitalisierung (beides sind übrigens Vorrausetzungen für Hersteller-Partnerschaften der Zukunft).
Unser Tipp: Analysieren Sie die Situation und suchen Sie nach Chancen und Potenzialen, um die Abhängigkeit vom Automobilimporteur bzw. von seinen Entscheidungen zu reduzieren. In diesen dynamischen Zeiten heißt es mehr denn je: Agieren statt reagieren!
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