Manche Meldungen gehen „durch die Decke“, wie man so sagt: Dass sich bei Stellantis in Wien-Aspern eine Reihe von Kündigungen hochrangiger Mitarbeiter anbahnt, hatte uns schon eine Woche zuvor ein Insider (aber nicht aus der Zentrale in der Großenzersdorfer Straße) geflüstert. Wenige Tage später war es tatsächlich so weit. Und die „Eilmeldung“, die wir an diesem Abend im November rausschickten, erreichte deutlich, sehr deutlich mehr Klicks als jede andere im Jahr 2022.
Dies deshalb, weil die Kündigungswelle diesmal vor allem Personen traf, die in der Branche seit Jahrzehnten bekannt und geschätzt sind: Menschen, die – so die offizielle Sprachregelung – gehen mussten, weil aus dem Hauptquartier der Erlass kam, die vielen Marken des Konzerns neu aufzuteilen. War (wie bei allen anderen Herstellern) bisher ein Kopf pro Logo vorgesehen (für relativ große Marken wie Opel oder Peugeot ebenso wie für kleine wie DS), so werden die Marken nun in mehreren Bereichen zusammengefasst – und da war für die Markenchefs großteils kein Platz mehr.
Was das bedeutet? Silvia Rieger trägt für alle Stellantis-Importorganisationen (die wirtschaftlich wie bisher als einzelne GmbHs existent bleiben) weiterhin die Gesamtverantwortung.
Neu geschaffen wurden 3 Cluster, in denen die einzelnen Marken zusammengefasst werden:
• Premium Cluster (Alfa Romeo und DS Automobiles) unter der Leitung von Gregory Hardouin
• Upper Mainstream Cluster (Jeep, Opel und Peugeot) mit Bernd Pfaller an der Spitze
• Mainstream Cluster (Abarth, Citroën und Fiat), dirigiert von Sebastian Haböck
Auch Raphaël Gaillard wird das „Willkommen“-Schild bei der Einfahrt in die Importorganisationen weiterhin sehen: Er übernimmt den Bereich Sales ebenso wie Car Flow/Logistik, die nun -gebündelt werden.
Die übrigen Aktivitäten – also von den Nutzfahrzeugen (Martin Riha) über B2B (Goran Maric) und Gebrauchtwagen (Sasa Podgorac) bis zur Händlernetzentwicklung/Training (Konrad Böhm) – bleiben gleich wie bisher, ebenso Customer Experience (Michaela Kainz) Information & Communication Technology (Judith Wuschitz), Finance & Controlling (Ana Cruz) sowie Presse & Öffentlichkeitsarbeit (Christoph Stummvoll).
Wer musste gehen?
„Gute Fahrt“ (so das Schild bei der Ausfahrt aus der Zentrale) wünscht man bei Stellantis unter anderem dem bisherigen Citroën-Chef Patrick Dinger: Er soll ebenso „eine neue Führungsfunktion innerhalb des Stellantis Konzerns wahrnehmen“ wie Gregory Fiorio, der bisher für Alfa Romeo verantwortlich war. Gekündigt wurden aus der bisherigen Führungsriege Georg Staudinger (Fiat- und Abarth-Chef), Martin Zeitlberger (zuvor für Car Flow und Logistik zuständig) sowie Rainer Fillitz, der als Transformation Manager jahrelang die undankbare Aufgabe hatte, die einzelnen Organisationen zusammenzufassen. Auch Oliver Mandl (Marketing Manager für Fiat und Abarth) musste sich auf die Suche nach einer neuen Stelle machen.
Umstellung wird massive Aufgabe
In der Branche fragt man sich, wie Stellantis 2023 die Herkules-Aufgabe der Umstellung auf das neue Kommissionärssystem bewerkstelligen wird. Denn dadurch werden bei den Händlern Aufgaben wegfallen, die künftig vom Importeur wahrgenommen werden. Einem Importeur, dessen Mitarbeiter schon bisher nicht gerade unterbeschäftigt waren, wie man hört. Übrigens: Mercedes hat vor Inkrafttreten des Systems im Spätsommer 2021 in Österreich seinen Personalstand um rund ein Viertel erhöht …
Vom Personalmangel bei Stellantis (schon vor den Kündigungen) kann auch so mancher Händler ein Lied singen – zum Beispiel wie lange man auf Antworten auf alltägliche Fragen wartet. Resultat dieses Kurses ist auch das schlechte Abschneiden der 6 abgefragten Stellantis-Marken im „Händlerradar“ (also der alljährlichen Zufriedenheitsstudie).
Wie auch immer: Um wenigstens ein bisschen Zeit zu gewinnen, wurde der Termin für die Umstellung auf das neue System zumindest von 1. Juni auf 1. Juli 2023 verschoben (obwohl Komm.-Rat Ing. Peter List, Sprecher aller betroffenen Händlerverbände, sogar den 1. Jänner 2024 als besten Termin für ein Inkrafttreten genannt hatte). Seine Begründung: Durch die massiven Verzögerungen standen bis Dezember nicht einmal die Eckpunkte des europäischen Grundvertrages fest. Aber erst wenn dieser final verhandelt wird, kann in den einzelnen Ländern weitergesprochen werden. Laut Angaben von Stellantis sind 50 Arbeitsgruppen mit 200 Vertriebs-partnern aus 10 Ländern damit beschäftigt.
Welcher Händler bleibt? Wer muss gehen?
Österreich ist insofern ein Spezialfall, als es bei uns neben Belgien, den Niederlanden und Luxemburg das besagte Kommissionärssystem geben wird, in den anderen Ländern aber vorerst noch nicht.
Doch vorläufig ist noch völlig unklar, welche Händler künftig für welche Stellantis-Marke tätig sein werden. Es wurden zwar „Letter of Intent“ abgeschickt: Doch bevor nicht alle Parameter (also zum Beispiel sämtliche Vergütungen) feststehen, wird es wohl kaum Unterschriften der Händler- und Servicepartner geben.
Vision von Stellantis ist es jedenfalls, „ein nachhaltiges Vertriebsmodell zu fördern, in dem sich das Unternehmen auf ein leistungsfähiges, effizientes und optimiertes Mehrmarken-Vertriebsnetz“ stützt. So steht es am Papier.
In diesem Schreiben an die Partner verspricht man auch, dass laut einer vergleichenden wirtschaftlichen Simulation die Händler „eine mindestens gleichwertige, wenn nicht sogar höhere Rentabilität“ im neuen Kommissionärssystem haben werden, weil Stellantis mehr Kosten übernimmt und so die Risiken für die einzelnen Händler minimiert werden.
Es bleibt also spannend!