Exzellente Sportler, so die Binsenweisheit, gehen dorthin, wo es wehtut. Die Veranstalter des Automobilwoche Kongresses 2022 könnten sich daran ein Beispiel genommen haben, indem sie dem Thema Software – bekanntlich (noch) keine Kernkompetenz der deutschen Autoindustrie – derart breiten Raum gaben. Dirk Hilgenberg, CEO des von VW gegründeten Softwarehauses Cariad, ließ denn auch keinen Zweifel daran, dass der Stellenwert von Code-Zeilen in der Mobilitätsbranche von heute und morgen kaum hoch genug einzuschätzen ist. „Die deutsche Ingenieurskunst ist weltweit hoch angesehen – es wird Zeit, ihr auch das Kapitel Software Engineering hinzuzufügen“, meinte Hilgenberg, der eine klare Warnung davor aussprach, den großen US-Playern das User-Interface in den Autos der Zukunft kampflos zu überlassen.
Zum Fokus Software passte es nur zu gut, dass es sich bei den Ex-aequo-Siegern des diesjährigen Start-up-Wettbewerbs, Pionix und Elexir (neuerdings veecle), um Software-Anbieter handelt. In den Pitches und Vorträgen – u. a. von Jan Becker von Apex.AI – klang mitunter Häme durch, wie weit hinten die Autohersteller in puncto „coding“ noch sind.
Unter den 7 Start-ups, die sich dem hochkarätigen Publikum präsentieren durften, waren Easelink aus Graz, die derzeit mehrere Taxiflotten mit ihrer konduktiven Ladelösung ausrüsten. Die Steirer freuten sich über hochwertige Kontakte auf dem Event – das Interesse von Zulieferern und OEMs, welche das Easelink-System schon bald als Option in ihren E-Fahrzeugen anbieten sollen, ist ihnen bereits sicher.
Große Namen an alter Wirkungsstätte
Beinahe Randnotiz in der Berliner Telekom-Hauptstadtrepräsentanz, welche nach zwei Jahren Absenz wieder die Location des Kongresses bildete, war das „Aufregerthema“ Agenturmodell, zu dem sich Roman Still, Vorstandssprecher der AVAG-Holding, in der Podiumsdiskussion betont gelassen äußerte.
Publikums-Highlights waren in guter Tradition die Keynotes hochkarätiger Chefs. In seiner bekräftigte Matt Harrison, Präsident und CEO Toyota Europe, den „Multi-Technology-Approach“ des japanischen Herstellers, der die Wasserstoff-Brennstoffzelle weiterhin als Teil der Lösung auch im Pkw sieht.
Stellantis-CEO Carlos Tavares kritisierte in Vortrag und Fragerunde eloquent Euro-7-Pläne, China und die dogmatische Umweltpolitik Europas. Im Postulat, sein Konzern sei der „Verteidiger der individuellen Mobilität“, klang ein bisschen Charles III. durch, der unlängst zum „Verteidiger des Glaubens“ vereidigt wurde. Dem Applaus für Tavares‘ pointierte Ansagen tat dies allerdings keinen Abbruch.